Urlaub mit Hund in Dänemark – im Norden Jütlands: der Jammerbucht. Dass es für den Hundemenschen hier aber kaum Grund zum »Jammern« gibt, zeigt dieser Reisebericht …

Es muss am Namen lie­gen: Jam­mer­bucht. Kaum haben wir das end­los schei­nen­de Geflecht von Auto­bah­nen hin­ter uns gelas­sen und den Weg zur Küs­te ein­ge­schla­gen – die Fens­ter sind ein gutes Stück geöff­net und ein fri­scher Wind froh­lockt über die blü­hen­den Raps­fel­der – wer­den Vor­freu­de und Unge­duld wach. Wäh­rend Vor­freu­de die schwarz­glän­zen­de Nase sehn­süch­tig an die Schei­ben drückt – nur, um viel­leicht als Ers­te zu bemer­ken: »Ich bin schon da« – geht Unge­duld ganz in einem keh­lig gur­geln­den Geheul auf, das kaum besänf­tigt wer­den will. Als wir nach gut zehn­stün­di­ger Fahrt end­lich das Feri­en­haus errei­chen – hin­ter den Dünen bran­det ver­hei­ßungs­voll das Meer – bleibt von den letz­ten Kilo­me­tern bloß ein klei­ner, feuch­ter Abdruck an der Heck­schei­be, gera­de groß genug für eine Hun­de­na­se. Das Heu­len und Jam­mern hin­ge­gen, machen zwei strah­len­de Augen glau­ben, muss wohl der Wind gewe­sen sein.

Das es weder der Wind, der zwar unent­wegt weht, noch das weh­mü­ti­ge Kla­gen unge­dul­di­ger Hun­de ist, dem die Bucht ihren Namen ver­dankt, ver­rät dem – gegen Wind und Wet­ter gewapp­ne­ten – Tou­ris­ten bereits ein flüch­ti­ger Blick in den Rei­se­füh­rer: Dem See­fah­rer frü­he­rer Zei­ten war, wie soll­te es anders sein, sein Schiff von größ­tem Wert. Nicht wei­ter ver­wun­der­lich also, dass auch das Jam­mern – ganz gleich ob aus des Fischers oder Frei­beu­ters Mund – etwas grö­ßer aus­fiel, wenn das wert­vol­le Schiff, vom schar­fen Wind getrie­ben, im fla­chen Fahr­was­ser auf Grund lief. Die Fischer haben die Jahr­hun­der­te fast alle ver­trie­ben, nur weni­ge lan­den mit ihren Boo­ten auf dem Strand. Einen Hafen zu bau­en, so steht es in den Geschichts­bü­chern, wur­de oft begon­nen, doch bis zum Bau der Häfen in Hirts­hals und Hanst­holm, an den Aus­läu­fern der Bucht gele­gen, nie vollendet.

Meer sehen – von Løkken bis Lønstrup

Das die Natur­ge­wal­ten den bereits erwähn­ten All­wet­ter-Tou­ris­ten weit weni­ger zu schre­cken ver­mö­gen, scheint offen­bar. Offen­sicht­lich sind sie den­noch – und das fast aller­or­ten. Wind und Wel­len nagen an den Küs­ten, tür­men Dünen­ber­ge auf und las­sen Sand flie­gen – die Land­mar­ke der Steil­küs­te stürzt unauf­halt­sam dem Meer ent­ge­gen. Dem, der schwin­del­frei ist, schenkt ein Spa­zier­gang ent­lang der Klip­pen wohl aber ganz beson­de­re Ein- und Aus­bli­cke: Von Løk­ken bis Nor­re Lyng­by zeu­gen nicht nur deut­sche Bun­ker­an­la­gen, wie acht­los auf den Strand gewor­fen, von dunk­le­ren Kapi­teln der däni­schen Geschich­te, son­dern auch das eine oder ande­re Feri­en­haus von der Gefahr, über dem Abgrund zu tau­meln – Meer­blick inbegriffen.

Rub­jerg Knu­de schließ­lich raubt den Atem: Der Auf­stieg zum meter­ho­hen Kamm der Düne mag beschwer­lich sein – wer schwer atmend am Fuß des ver­san­de­ten Leucht­turms ange­kom­men ist, wird aber mit einem Aus­blick belohnt, der schö­ner kaum sein könn­te. Weit über die von Sand­dorn, Strand­ha­fer und ver­spreng­tem Grün über­wu­cher­ten Dünen streift der Blick, Scha­fe gra­sen hier und da, im Rücken tost das Meer. Wer gut zu Fuß ist folgt dem schma­len Pfad, der sich durch die Dünen schlän­gelt, und erreicht schluss­end­lich Mårup Kir­ke, deren nack­te Mau­ern einem offen­ba­ren Schick­sal anbe­foh­len sind: Die Win­ter­stür­me las­sen die Küs­te wei­ter schwin­den – nur eine Fra­ge der Zeit, bis es auch die klei­ne Kir­che in den Abgrund reißt.

Mehr sehen – von Thorup bis Tranum

In ähn­lich schwin­deln­de Höhen schwin­gen sich die Möwen am Bulbjerg – einem steil über dem Strand auf­ra­gen­den Fel­sen, der weit­hin sicht­bar ist – auf. Hun­der­te Vögel brü­ten im zer­klüf­te­ten Gestein, hun­der­te mehr krei­sen dar­über und stür­zen schrei­end in die rau­schen­den Tie­fen. Die Stu­fen hin­auf, lässt sich die Aus­sicht auf die Bucht genie­ßen. Bei kla­rer Sicht sind bereits, noch weit ent­fernt und win­zig klein, die leuch­tend bun­ten Fischer­boo­te zu erken­nen, die bei Slet­testrand am Ufer liegen.

Von dort führt der Weg, vor­bei an Äckern, auf denen Krä­hen neben Möwen picken, durch Moor und Hei­de bis zum Lien – einem Steil­hang, der sich mit Höhen von bis zu 60 Metern über das fla­che Vor­land hebt. Mul­den und Täler schnei­den sich in die Land­schaft und laden –auch bei Regen­wet­ter – zu einem Spa­zier­gang unter dem rau­schen­den Blät­ter­dach ein. Lang­da­len und Fos­da­len las­sen sich über schma­le Hohl­we­ge erkun­den, die – von knor­ri­gen Eichen und Hasel­bü­schen über­wach­sen – fast ver­wun­schen wirken.

Satt sehen – unterwegs

Vom »Land des Lichts« hört man, ist oft die Rede. Von einem Licht, das – mag man den Künst­lern glau­ben – die Land­schaft hell erleuch­ten lässt.

Wie male­risch die­se mit ihren sanf­ten Hügeln, im Grün ver­steck­ten Höfen und weiß gekalk­ten Kirch­tür­men ist, wird aber auch dem ein­leuch­ten, der sich ohne Pin­sel auf die Rei­se macht.

Strandläufer – von Blokhus bis Grønhoj

Es mag Hun­de geben, die nicht ger­ne ver­rei­sen. Hun­de, denen es alle­mal lie­ber ist, Heim und Herd zu hüten, als Neu­es zu erkun­den. Mei­ne Hun­de gehö­ren ganz ent­schie­den nicht dazu. Kaum ein Fleck am men­schen­lee­ren Strand, der nicht mit neu­gie­ri­ger Nase erkun­det wor­den, des­sen Duft nach sal­zi­gem Tang nicht mit größ­tem Genuss tief ein­ge­so­gen wor­den wäre.

Nach zwei Wochen scheint es fast, dass selbst die Möwen sich nicht mehr stö­ren las­sen – sol­len sie doch bel­len, die­se Hun­de, und schwim­men und toben. Im Gegen­satz zu uns Zwei­bei­nern zieht es sie immer wie­der in die kal­ten Flu­ten. Ich bin mir sicher, dass sie sich selbst dabei leich­ter tun wür­den, Rød­grød med flø­de aus­zu­spre­chen. Haben Sie das schon ein­mal versucht?

© Johannes Willwacher