Ein Hund ist ein Wolf ist ein Hund …

Und dann stehst du plötz­lich allei­ne da: Der Hund, den du eben noch neben dir am Weges­rand schnup­pern wuss­test, ist weg. Irgend­wo im Dickicht hörst du ihn bel­len, ahnst, dass sich das Bel­len schnel­ler ent­fernt, als du »Hier« rufen kannst, und wirfst flu­chend die Lei­ne auf den Boden. Eben noch, denkst du, und fragst dich, was in den Sekun­den dar­auf – wäh­rend du gedank­lich dei­ne Ein­kaufs­lis­te ver­voll­stän­digt oder den nächs­ten Urlaub geplant hast –, pas­siert ist, und ob es dem Hasen oder Fuchs dort im Dickicht ver­gönnt ist, die eige­nen Ein­käu­fe auch noch ein­mal zu über­den­ken. Mögen Füch­se eigent­lich Bana­nen, denkst du und fängst an zu schreien.

Edda mag Bana­nen. Füch­se auch?

Ein Hund ist ein Wolf ist ein Hund. Selbst wenn das Jagen für unse­re Hun­de längst kei­ne bio­lo­gi­sche Not­wen­dig­keit mehr dar­stellt, ist der Rausch der dabei aus­ge­schüt­te­ten Endor­phi­ne auch nach tau­sen­den Jah­ren der Domes­ti­ka­ti­on noch immer stark genug, um Lucky, Emma oder Das­macht­er­sonst­nie ihre Erzie­hung für einen – mit­un­ter quä­lend lan­gen – Moment ver­ges­sen zu las­sen. Selbst­be­loh­nen­des Ver­hal­ten, nennt das die Wis­sen­schaft, und dabei ist völ­lig egal, wel­cher Ras­se Lucky, Emma oder Das­macht­er­sonst­nie ange­hö­ren. Auch ein Hüte­hund jagt: Trieb­ver­hal­ten bleibt Trieb­ver­hal­ten – auch wenn das Beu­te­grei­fen ausbleibt.

Amsel, Dros­sel, Reh – und Fahr­rad. Es sind gera­de schnel­le Bewe­gungs­rei­ze, wie ein auf­flie­gen­der Vogel oder ein vor­bei­fah­ren­des Fahr­rad, die Hun­de mit ent­spre­chen­dem Trieb in Erre­gung ver­set­zen. Ein opti­scher Reiz muss aber gar nicht zwin­gend gege­ben sein, oft rei­chen schon ein locken­der Geruch oder ein uner­war­te­tes Geräusch aus – das macht es nicht nur schwie­rig, auf Vor­zei­chen zu ach­ten und dem Hund zuvor­zu­kom­men, son­dern bei­na­he unmög­lich. Was tun?

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Gedankenverlorene Spaziergänge sollten erst einmal
der Vergangenheit angehören …

Auch wenn uner­wünsch­tes Jagd­ver­hal­ten bei vie­len Hun­den ein Zei­chen von Lan­ge­wei­le und Unter­for­de­rung ist, gibt es kein ein­heit­li­ches Rezept, um dem zuver­läs­sig bei­zu­kom­men. Für die ers­te Zeit soll­te aber klar sein, dass gedan­ken­ver­lo­re­ne Spa­zier­gän­ge erst ein­mal der Ver­gan­gen­heit ange­hö­ren und wei­te­re Jagd­er­leb­nis­se ver­mie­den wer­den müs­sen: Ohne Lei­ne – das heißt, ohne die Mög­lich­keit zur wachen Kon­trol­le – geht das nicht. Auf­merk­sam­keit kann man nur trai­nie­ren, wenn man selbst auf­merk­sam ist. Die Ein­kaufs­lis­te muss also Zuhau­se geführt werden.

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Dem Hund etwas bie­ten – so lässt sich eine Her­an­ge­hens­wei­se beschrei­ben. Neben dem Auf­merk­sam­keits­trai­ning, das als Grund­la­ge für alle wei­te­ren Schrit­te uner­läss­lich ist, soll­te dem Hund mög­lichst eine Alter­na­tiv­hand­lung zum uner­wünsch­ten Jagd­ver­hal­ten ange­bo­ten wer­den, um den Trieb sinn­voll umzu­lei­ten. Dazu eig­nen sich bei­spiels­wei­se ein Fut­ter­dum­my oder ein Spiel­zeug, das zur Beloh­nung und Gegen­kon­di­tio­nie­rung ein­ge­setzt wird. Statt der nor­ma­len Lei­ne emp­fiehlt sich nach den ers­ten Trai­nings­schrit­ten eine Schlepp­lei­ne, mit der nach und nach ein grö­ße­rer Bewe­gungs­ra­di­us trai­niert und der Hund am lan­gen Arm erzo­gen wer­den kann – so lässt sich nicht nur der siche­re Rück­ruf trai­nie­ren, son­dern kann auch ein Abbruch­si­gnal (z. B. »Platz« oder »Down«) auf­ge­baut wer­den. Wich­tig ist aber vor allen Din­gen, nicht zu viel zu erwar­ten: Ein Jagd­pro­blem zu lösen braucht Zeit.

Mit den Brut- und Setz­zei­ten von vie­len Wild­tie­ren stellt das Früh­jahr eine beson­de­re Her­aus­for­de­rung für vie­le Hun­de­hal­ter dar. Denen, die es nicht dar­auf ankom­men las­sen möch­ten, dass Lucky, Emma oder Das­macht­er­sonst­nie das nächst­bes­te Kitz auf die eige­ne Ein­kaufs­lis­te set­zen, sei dehalb gesagt: In den Griff bekommt man nur, was man angreift. Also lie­ber: Lei­ne dran!

© Johannes Willwacher