09|03|2016 – Der ers­te Aus­flug in den Gar­ten: Kalt, aber irgend­wie schön

Fünf Wochen sind seit der Geburt unserer vier Border Collie Welpen vergangen – fünf Wochen, die sie warm und gemütlich, unter dem Schutz ihrer Mutter verbracht haben. Nun also der erste Ausflug in den Garten.

Es hat gera­de begon­nen zu däm­mern, als ich das Wel­pen­zim­mer an die­sem Mor­gen zum ers­ten Mal betre­te. Das trü­be Licht, das durch die bei­den schma­len Fens­ter in den Raum fällt, ist kalt – Schnee­licht, viel­leicht – und reicht gera­de aus, um einen schma­len Strei­fen in der Mit­te des Rau­mes zu erhel­len, alles ande­re liegt im Schat­ten. Wäh­rend ich lei­se das Git­ter öff­ne und vor­sich­tig erst den einen, dann den ande­ren Fuß hin­über­set­ze, beginnt sich im Schat­ten etwas zu regen, und kaum einen Moment spä­ter bin ich von vier Wel­pen umringt, die gäh­nen und sich stre­cken, um mei­ne Hosen­bei­ne strei­fen und sich, kaum das ich die Hand nach einem aus­ge­streckt habe, auf den Rücken dre­hen und den nack­ten, run­den Bauch dar­bie­ten. »Und wie haben Sie ihre frü­he Kind­heit ver­bracht?«, fra­ge ich mit gespielt tie­fer Stim­me. Weil nie­mand auf­ge­legt scheint zu ant­wor­ten, gebe ich mir – nicht weni­ger gespielt, dafür drei Okta­ven höher – die Ant­wort selbst. »Vor allen Din­gen lie­gend und meis­tens auf dem Rücken«, lau­tet die­se – viel­leicht auch, weil kein ande­rer Wurf bis­her sich so bereit­wil­lig gezeigt, es so sehr genos­sen hat, sich den Bauch krau­len zu las­sen – und set­ze schließ­lich in Gedan­ken hin­zu, dass in der Welt, die noch immer kalt und blau durch das Fens­ter scheint, nicht alles so warm und weich ist, wie die Hand eines Züchters.

Der Wind weht kalt über den weiß ver­schnei­ten Hügel, auch im Gar­ten liegt hier und da noch immer Schnee. Zit­ternd bre­chen die ers­ten Früh­lings­bo­ten aus der Erde, blü­hen dem Licht ent­ge­gen, das sich jetzt, um die Mit­tags­zeit, schüch­tern durch die Wol­ken kämpft. »Zehn Minu­ten«, den­ke ich, »soll­ten rei­chen«, und neh­me einen der vier Wel­pen hoch, neh­me ihn fest in den Arm. Schutz­su­chend steckt er die Nase in mei­nen Kra­gen, schüt­telt die Pfo­ten, streift Eis und Schnee an der schwe­ren Jacke ab. Gebor­gen in der wär­men­den Hand wer­den die Augen groß, der Blick weit: Drü­ben vor der Hecke sit­zen zwei Amseln, picken im Gras und plus­tern sich auf. Hoch oben im Kirsch­baum zwit­schert es lei­se. Ein Rot­kehl­chen, den­ke ich, bestimmt auch ein zwei­tes, und wir schau­en hinauf.

Fünf Wochen sind seit der Geburt unse­rer vier Wel­pen ver­gan­gen – fünf Wochen, die sie warm und gemüt­lich, unter dem Schutz ihrer Mut­ter ver­bracht haben. Nun also der ers­te Aus­flug in den Gar­ten – bei Minus­gra­den auf weni­ge Minu­ten beschränkt. Das fühlt sich noch fremd an, fin­den die Vier, wird aber ver­traut wer­den, wenn mit dem Früh­ling end­lich die Son­ne wiederkommt.


© Johannes Willwacher