24|03|2016 – Unse­re D’s sind sie­ben Wochen alt

»Ein Ball ist es nicht«, sagt Nana und schleicht auf leisen Pfoten um das eigenartige bunte Ding herum, das sie gerade entdeckt hat, »wenn es ein Ball wäre, dann müsste es rund sein« …

»Ein Ball ist es nicht«, sagt Nana und schleicht auf lei­sen Pfo­ten um das eigen­ar­ti­ge bun­te Ding her­um, das sie gera­de ent­deckt hat, »wenn es ein Ball wäre, dann müss­te es rund sein«. Sie hebt die Nase und atmet ein, aber so sehr sie sich auch bemüht Wit­te­rung auf­zu­neh­men: von dem bun­ten Ding scheint kein Geruch aus­zu­ge­hen. Es liegt bloß da – und mehr nicht. »Ob ich mich noch ein wenig näher her­an­trau­en soll?«, fragt sie sich im Stil­len, streckt zögernd eine Pfo­te aus, um gleich dar­auf zurück­zu­schre­cken. »Was, wenn es nur so harm­los tut – ja, was, wenn es Zäh­ne hat, die es flet­schen … schar­fe, spit­ze Zäh­ne, mit denen es mich bei­ßen kann?« Um sicher zu gehen tritt sie noch einen Schritt zurück – und obwohl ihr das Herz bereits bis zum Hals schlägt, springt sie gleich dar­auf mit einem muti­gen Satz vor und bellt so laut, dass es von allen vier Wän­den wider­hallt. Das Ding indes beginnt zu schau­keln – lang­sam wiegt es sich von einer Sei­te zur ande­ren – und weil selbst das lang­sams­te Schau­keln viel unheim­li­cher ist, als nichts, sucht Nana so schnell sie kann das Weite.

Bei der blau­en Wan­ne ange­kom­men, die ihr und ihren Brü­dern als Schlaf­platz dient, stößt Nana bei­na­he mit Spen­cer zusam­men, der sich gera­de gäh­nend den Schlaf aus den Augen reibt. Ver­wun­dert schaut er sei­ne Schwes­ter an. Nana ringt nach Atem, ihre Augen sind vor Schreck noch immer gewei­tet – aber anstatt dem roten Rüden vom Schau­kel­mons­ter erzäh­len zu kön­nen, bringt sie bloß krau­se Lau­te her­aus, die klin­gen, als habe man den Schwanz einer Kat­ze in der Tür ein­ge­klemmt, und die nie­man­dem etwas sagen – nicht ein­mal ihr selbst. »Jungs«, ruft Spen­cer hil­fe­su­chend in das Halb­dun­kel hin­ter der Wan­ne hin­ein, »kommt schnell, ich glau­be, die Klei­ne hier ist kaputt gegangen«.

Müh­sam schiebt sich zuerst Zep­po, dann Boun­ty durch den schma­len Spalt, der zwi­schen Wan­ne und Hei­zung klafft. Zu dritt umrin­gen die Rüden schließ­lich die noch immer ver­stört wir­ken­de Hün­din, die aber end­lich zu win­seln auf­hört und zu spre­chen beginnt. »Ich«, sagt sie und lässt die Ohren flat­tern, »ich habe ein Ding gefun­den … eins, das von der einen zur ande­ren Sei­te schau­kelt … und ich bin mir sicher, dass es böse ist«. Die Rüden schau­en ein­an­der rat­los an. »Ein Ding?«, fragt Zep­po, »was für ein Ding? Ist es warm und weich? Eine Decke viel­leicht?« Das Zep­po nichts lie­ber tut, als auf einer wei­chen Decke zu lie­gen, sie mit den Vor­der­pfo­ten zu raf­fen und so lan­ge dar­auf her­um zu kau­en, bis sich ein Faden nach dem ande­ren dar­aus löst, wis­sen alle übri­gen Geschwis­ter. »Eine Decke ist es nicht, dazu ist es zu klein«, ant­wor­tet Nana. »Wenn man es essen kann«, wirft Boun­ty ein, »dann gehört es mir, egal wie klein es ist«. Auch das Boun­ty nichts lie­ber tun wür­de, als den lie­ben lan­gen Tag zu essen, ist den Geschwis­tern längst bekannt, und des­halb scheint es kaum ver­wun­der­lich, das einer nach dem ande­ren die Augen ver­dreht. »Mag sein, dass man es essen kann«, sagt Nana und setzt im Flüs­ter­ton hin­zu, dass man es dazu aber erst ein­mal fan­gen müs­se. »Es ist dort hin­ten«, spricht sie wei­ter und wirft zit­ternd einen Blick über ihre Schul­ter zurück.

»Also ich glau­be«, sagt Spen­cer und schiebt sich mutig an den ande­ren vor­bei, »ich glau­be, dass es so ein Dings ist«. Zep­po, Boun­ty und Nana legen hin­ter ihm bei­na­he gleich­zei­tig die Köp­fe schief. »Ich habe im Radio von so einem Dings gehört«, fährt Spen­cer fort, »heu­te mor­gen, nach dem Früh­stück, und wenn ich mich nicht irre, dann ist so ein Ding w-a-h-n-sin­nig gefähr­lich«. Beim Spre­chen zieht er jeden Buch­sta­ben so lang, dass alle – ver­knüpft und auf­ge­rollt –, ein Knäu­el ergä­ben, das groß genug wäre, um dar­aus eine neue Decke für Zep­po zu stri­cken. »Super, Spence­man«, sagt Boun­ty, »und was schlägst du jetzt vor, Super­hirn?« Die vier Wel­pen schau­en sich rat­los an. Dann end­lich tritt Zep­po her­vor – der zwar das jüngs­te, zugleich aber das mutigs­te der Geschwis­ter ist –, gibt dem eigen­ar­ti­gen bun­ten Ding einen Schubs mit der Nase und sieht zu, wie es sich zuerst krei­selnd in Bewe­gung setzt und schließ­lich kna­ckend an der Wand zerspringt.

Drei Wel­pen ren­nen, der Vier­te holt sie gera­de noch ein. Das Ding, das zwar noch immer eigen­ar­tig, nun aber viel­mehr weiß als bunt ist, liegt stumm vor der Wand. Und wird wohl, weil nie­mand sich traut, noch ein Weil­chen ein Rät­sel bleiben …

Der auf­merk­sa­me Leser hat das Rät­sel unter­des­sen wohl längst gelöst – ein bunt bemal­tes Ei war die­ses eigen­ar­ti­ge Ding. Wer nun Lust bekom­men hat aufs Raten und Rät­seln, der darf sich gern auf Eier­su­che bege­ben – denn auch im gera­de gele­se­nen Text ist so man­ches Ei ver­steckt. Die ers­ten b-ei-den, die alle Eier fin­den und die rich­ti­ge Lösung über Face­book oder per Mail ein­schi­cken, gewin­nen – wie soll­te es anders sein – ihren ei-genen, wun­der­schön gezeich­ne­ten Welpen.

© Johannes Willwacher