Die achte Trächtigkeitswoche: Über das Tragen von Leben, das zu schwer wird. Über Müdigkeit, die Liebe nicht mindert. Und über Worte, die im Bauch wohnen.
You have made my life complete
and I love you so.
Elvis (1956)
Sie schrieben sich Briefe, obwohl sie in derselben Stadt lebten. Briefe mit langen Sätzen und Worten, die im Mund nachhallten, wenn man sie flüsterte. Sie sagte ihm, dass Lieben ein Verb sei, und er schrieb ihr, dass Liebe ein Gedicht sei, das nie zu Ende geschrieben wird. Sie hatten Angst vor Worten, die zu klein waren, Angst vor jenen, die zu groß waren. Also fanden sie eine neue Sprache, eine Sprache, die nur aus Zwischentönen bestand. Eine Sprache, die in den Räumen zwischen ihren Fingern lebte.
Später, als er fort war, blieben die Briefe. Sie las sie laut, um sich an den Klang ihrer Stimmen zu erinnern, an die Art, wie sie ihre Liebe in Papier gefaltet hatten. Sie zählte die Wörter, suchte nach Mustern, nach Bedeutungen, die sie übersehen hatte. Ihr Linguistik-Professor hatte einmal gesagt: »Sprache ist nicht nur ein Mittel, sie ist eine Welt.« Sie verstand erst jetzt, was er damit gemeint hatte. Liebe war eine Welt, die sie gemeinsam erschaffen hatten – eine Welt aus Worten, die mit jedem gelesenen Brief wieder kurz lebendig wurde.
Manchmal ist Liebe ein Wort, das noch nicht ausgesprochen wurde. Ein Herzschlag, so leise, dass er kaum wahrgenommen wird. Ein Blick, der sich abwendet, weil er noch nicht sicher ist, ob er bleiben darf. In diesem frühen Stadium ist das Leben noch ein Geheimnis, eine Ahnung, die nur in Fragmenten existiert. Aber selbst die leisesten Versprechen formen die Welt, noch bevor sie gehört werden. Der Beginn einer Liebesgeschichte.
Wie beschreibt man jemandem die Welt, der noch nichts gesehen, nichts gehört, nichts geschmeckt oder gerochen hat? Dessen eigene Welt nur aus dem dröhnenden Herzschlag der Mutter besteht. Und aus sanften Wellen, die die winzigen Pfoten umspülen? Noch gibt es keine Stimmen, keine vertrauten Geräusche, nur das gedämpfte Rauschen des Blutes, das stetige Pochen, das schon immer da gewesen ist. Wie beschreibt man einem Welpen das, was ihn erwartet? Was kennt er schon, außer diesem warmen Gefühl? Das … auch schon immer da gewesen ist. Und in das er hineingeboren werden wird. Liebe.
Die Hündin wirkt erschöpft. In der achten Trächtigkeitswoche trägt sie nicht nur Leben, sondern Last. Sechs zusätzliche Kilo sind zu viel für einen einzigen Körper – selbst für einen, der so zuverlässig, so selbstverständlich gibt. Sie findet kaum noch Ruhe. Alles drängt, alles schiebt, und nichts lässt sich mehr übersehen: In ihrem Bauch tobt das neue Leben, tastet, tritt, dreht sich. Manchmal liegt sie da, seufzt und schaut, als wüsste sie, dass das nur der Anfang ist. Und doch trägt sie es – nicht klaglos, aber ohne Widerstand. Mit einem Ausdruck im Blick, der sagt: Ich weiß, wofür.
Manchmal braucht es keine neuen Worte. Keine Botschaften, keine Briefe. Weil alles schon gesagt worden ist. Nicht mit Tinte, nicht auf Papier. Mit jeder Regung, mit jedem Herzschlag.
What is Love?
Liebe – ein Gefühl, das jeder kennt und doch niemand ganz erklären kann. Ist sie Chemie oder Schicksal? Berechnung oder Rätsel? Ein Impuls oder eine Entscheidung? In unserem Wurftagebuch erkunden wir die Liebe in all ihren Facetten – von der ersten Nachricht in einer Dating-App bis zum letzten Versprechen eines gemeinsamen Lebens. Vielleicht findest du dich wieder. Vielleicht entdeckst du eine neue Art, über Liebe nachzudenken. Vielleicht zeigt sich die Wahrheit irgendwo zwischen den Zeilen.
© Johannes Willwacher