Auf den Hund gekommen
»Warum Border Collies?«, werde ich immer wieder gefragt. Über den Hund, der alles verändert hat – und warum ich der Rasse seit 20 Jahren treu geblieben bin.
Ein ganzes Leben für den Hund? Das sind große Worte. Aber angesichts der Tatsache, dass das erste Wort, das meine brabbelnden Lippen verließ (man möge mir nachsehen, dass ich mich selbst nur sehr vage daran erinnern kann), nicht Mama oder Papa, sondern Zira gewesen sein soll – die Schäferhündin meines Großvaters – liegt die Vermutung nahe, dass Hunde in meinem Leben schon von Anfang an eine wichtige, vielleicht sogar die wichtigste Rolle gespielt haben. Es gab Schäferhunde, Cocker Spaniel, Mischlinge von Hirtenhund und Rehpinscher und einen – bisweilen bissigen – Golden Retriever. Und einen Border Collie, der alles verändert hat.
Wahrscheinlich wird das jeder von seinem Hund behaupten: Es hat nie einen besseren gegeben. Das besagte »Beste« hat für mich, völlig unerwartet, an einem trüben Novemberabend vor mehr als zwanzig Jahren begonnen – mit der zuvor getroffenen Entscheidung meiner Eltern, die Lücke, die der Tod unseres Retrievers hinterlassen hatte, mit einem Zeitungsinserat zu füllen. Jenes Zeitungsinserat war sechzehn Wochen alt, ängstlich, tricolor mottled und – da mit dem Namen, den er von seinem Züchter bekommen hatte (»Bram von der Leimkaul«) niemand wirklich etwas anfangen konnte, vorerst namenlos.
Linus, also
Auf Linus, wie ich vorschlug, konnten sich sowohl meine Eltern, als auch meine, mitunter etwas schwer zu überzeugende, jüngere Schwester einigen – Linus, also. Dieser wurde, in den Tagen, Monaten, Jahren darauf, nicht nur zum Joggingpartner, Ohrabschlecker, Superhelden, Tennisballverstecker, Hasenhüter, Tannenzapfenzerbeißer und besten Freund, sondern auch zum Kitt, der die seltsame Konstruktion, die man landläufig gerne »Familie« nennt, auf die Distanz zusammenhielt.
Am einem Sonntag im April wachte meine Mutter acht Jahre später mitten in der Nacht auf und stolperte im Dunkeln vom Schlafzimmer ins Bad, es muss halb drei gewesen sein. Dort, irgendwo im Dunkel, ein Ächzen. Um halb sechs saß sie mit einem Hund, der sich nicht nur nicht auf den Beinen, sondern auch nichts bei sich behalten konnte, im Auto und steuerte die Tierklinik an – denkend, dass diesem der eine oder andere beim Spiel zu gut gehütete und im üblichen Übermut verschluckte Stein im Magen quer saß. Gegen halb acht klingelte mein Telefon und meine Mutter erzählte, dass sich der Kreislauf erst stabilisieren müsse, bevor der Stein am Nachmittag operativ entfernt werden könne. Das sei nicht weiter bedenklich, ein alltäglicher Eingriff – also kein Grund, sich Sorgen zu machen. Als am späten Nachmittag aber noch immer kein Bescheid der Klinik vorlag, war es nur naheliegend sich doch zu sorgen, ob wirklich alles gut verlaufen sei. Gegen halb acht am Abend sagte eine Stimme am anderen Ende der Leitung, dass Linus gestorben sei, erzählte dem tauben Gefühl in meinem Bauch etwas von einem Milztumor, von Metastasen im Magen und einem plötzlichen Atemstillstand, der dem Arzt in seiner Entscheidung zur Spritze zu greifen zuvorgekommen sei.
So traurig diese Geschichte auch sein mag, so plötzlich – vom einen auf den anderen Tag – eine Lücke in unserem Familienleben klaffte, bin ich doch vor allen Dingen dankbar für diesen Hund, für dieses erstaunliche, eigensinnige Lebewesen, das so viele Leben um so viel reicher gemacht hat. Und eigentlich, so kann ich heute sagen, war diese Geschichte auch erst der Anfang. Es wird zwar kein Hund mehr so sein wie dieser – aber der Border Collie, das »schwarz-weiße Virus«, lässt mich nicht mehr los.
To keep a long story short: Wenige Monate nach dem Tod von Linus zog Nell bei uns ein. Der Einzug von Nell krempelte sowohl mein, als auch das Leben meines Partners vollkommen um. Waren es erst nur Samstage, die man auf dem Hundeplatz verbrachte, um dem Welpen die nötige Erziehung angedeihen zu lassen, gesellten sich schon bald Hundeausstellungen, Agility und das Basistraining zur Vorbereitung auf die Begleithundprüfung hinzu – heimlich gefolgt von der Überlegung, ob es nicht seltsam sei, dass man seinen Bekanntenkreis neuerdings in Hundemenschen und Andersartige unterschied. Dass die Andersartigen gerne lächeln ist mir im Übrigen mittlerweile ziemlich egal – sie kennen ja nicht meinen Hund …
Falls auch Sie jetzt lächeln sollten wünsche ich Ihnen, von Hundemensch zu Hundemensch, weiterhin viel Spaß auf unseren Seiten: Es gibt nur eines, das schöner ist, als ein Border Collie – zwei, drei oder vier Border Collies.