Die Geburt: Über Sekunden, die die Welt verändern. Über Vertrautheit ohne Vorgeschichte – und Liebe auf den ersten Blick.
Cause, baby, when I heard you
for the first time, I knew
we were meant to be as one.
Kylie Minogue (2001)
Er wusste nicht, wie lange es dauerte. Ob es Sekunden waren oder Minuten oder ob sein Gehirn sich einfach weigerte, die Zeit mitzuzählen. Der Bass vibrierte durch seinen Brustkorb, Stroboskoplichter ließen die Bewegungen um ihn herum in Einzelbilder zerfallen. Und dann – ein Blick, ein Sekundenbruchteil, in dem alles stillzustehen schien.
Er wusste, dass das unmöglich war. Dass das Gehirn in Bruchteilen von Sekunden Gesichter analysierte, Muster erkannte, Erinnerungen abglich. Dass das Gefühl, jemanden zu kennen, oft nur ein Trugschluss war, ein Trick des Geistes. Und doch – als ihr Blick sich zwischen den zuckenden Lichtern verfing, als er sich durch die Menge bewegte, fühlte es sich nicht nach Zufall an.
Später würde er nachlesen, dass das Gehirn Dopamin ausschüttet, wenn etwas Neues und Aufregendes geschieht. Dass das Verliebtsein sich wie ein Feuerwerk im Kopf entfaltet, unkontrollierbar, rauschhaft. Aber in diesem Moment dachte er nur: Da bist du ja.

In den ersten Sekunden entscheidet das Gehirn, ob etwas vertraut ist oder fremd, ob es bleibt oder vergeht. Die Welpen werden geboren, noch blind, noch taub, und doch wissen sie sofort, wo sie hingehören. Sie riechen, sie tasten, sie suchen – und sie finden. Das erste Ankommen ist kein Zufall, kein Versuch. Es ist Instinkt. Der erste Geruch der Mutter, die Wärme, die Zunge, die sie trocken leckt. Der erste Ruf der Welt, noch ohne Worte, aber mit einer Gewissheit, die stärker ist als jeder bewusste Gedanke: Da bist du ja.
Ich habe mir gerade erst den Schlaf aus den Augen gerieben, als der erste Welpe geboren wird – keine zehn Minuten sind zwischen Blasensprung und Geburt vergangen. Eng aneinander gekuschelt liegen Dirk und Karma auf dem schmalen Gästebett – für den Umzug in die Wurfkiste ist es zu spät. Die erstgeborene Hündin wird also noch an Ort und Stelle von den Fruchthüllen befreit und abgenabelt, bevor der zweite Welpe – eine weitere Hündin – zwanzig Minuten später zur Welt kommt. Diesmal übernimmt Karma schon alles selbst – genauso beim dritten, vierten und fünften Welpen, die in den nächsten zwei Stunden nicht weniger mühelos geboren werden. Unsere Aufgaben beschränken sich darauf, zu loben und zu bestätigen, die Welpen zu wiegen – und das Laken zu wechseln, wenn es zu nass geworden ist. Vielleicht auch darauf, zu schauen, zu staunen – uns zu verlieben. Weil man das Herz – oft genug – schon beim ersten Blick an einen Welpen verliert.
01:55 Uhr: Welpe No. 1 – Hündin, 278 Gramm
02:20 Uhr: Welpe No. 2 – Hündin, 280 Gramm
02:40 Uhr: Welpe No. 3 – Rüde, 292 Gramm
03:50 Uhr: Welpe No. 4 – Rüde, 306 Gramm
04:15 Uhr: Welpe No. 5 – Hündin, 350 Gramm
What is Love?
Liebe – ein Gefühl, das jeder kennt und doch niemand ganz erklären kann. Ist sie Chemie oder Schicksal? Berechnung oder Rätsel? Ein Impuls oder eine Entscheidung? In unserem Wurftagebuch erkunden wir die Liebe in all ihren Facetten – von der ersten Nachricht in einer Dating-App bis zum letzten Versprechen eines gemeinsamen Lebens. Vielleicht findest du dich wieder. Vielleicht entdeckst du eine neue Art, über Liebe nachzudenken. Vielleicht zeigt sich die Wahrheit irgendwo zwischen den Zeilen.
© Johannes Willwacher