Die erste Lebenswoche: Über Verbindungen, die sich in Haut und Herz schreiben. Und über das große Ganze, das mit kleinen Berührungen beginnt.
I got you under my skin.
Madonna (2003)
Es war nicht das erste Mal, dass sie sich begegneten. Vielleicht auch nicht das zweite oder dritte. Aber es war das erste Mal, dass sie es bemerkten. Dass die Welt für einen Moment stillstand, während sie gleichzeitig nach demselben zerlesenen Exemplar von »Der Fremde« in der Unibibliothek griffen. Ein kurzes Zögern, ein Lächeln, eine Entschuldigung, die fast überflüssig schien.
»Ich habe das Gefühl, wir kennen uns schon lange«, sagte eine von ihnen, als sie sich eine Woche später auf dem Campus wieder trafen. Die andere lachte, aber es war kein Widerspruch.
Sie wusste nicht, warum sie so sicher war. Warum die Stimme der anderen ihr vertraut vorkam, warum sich jede Berührung so anfühlte, als hätte sie sie bereits gespürt. Vielleicht war es nur eine Erinnerung aus einem früheren Leben, vielleicht nur eine Geschichte, die ihr Gehirn zusammensetzte, um Sinn zu stiften. Oder vielleicht war es das, was die Bücher meinten, wenn sie von Seelenverwandtschaft sprachen.
Später, als sie nebeneinander lagen und sich ansahen, ohne ein Wort zu sagen, dachte sie: Vielleicht gibt es Dinge, die nicht erklärt werden müssen.

Ein unsichtbares Band, das schon existiert, bevor es spürbar wird. Eine Verbindung, die sich formt, noch bevor sie verstanden wird. Die Welpen sind kaum auf der Welt, beginnen diese aber trotzdem schon zu erkunden. Sie kriechen blind, ziellos – und doch treffsicher. Sie finden die Wärme der Mutter, ihre Milch, den Rhythmus ihres Atems. Doch nicht nur die Mutter ist es, die sie prägt. Auch die Hände, die sie für einen Moment halten, sie streicheln, ihre winzigen Pfoten berühren. Frühe Berührungen, die das Nervensystem herausfordern, es anregen, es wachsen lassen. Noch ist alles weich, unbestimmt, ohne klare Grenzen. Aber etwas in ihnen weiß bereits, dass die Welt nicht nur aus dem besteht, was sie selbst sind – sondern auch aus denen, die sie halten.
Wissenschaftlich lässt sich dieser Effekt längst belegen. Bereits in den ersten zwei Lebenswochen reagiert das zentrale Nervensystem der Welpen auf gezielte Reize: leichte Stressimpulse, die gezielt gesetzt werden – etwa durch das Halten in verschiedenen Positionen oder das kurzzeitige Berühren der Pfoten mit einem Wattestäbchen. Diese sogenannte »early neurological stimulation« wurde ursprünglich im militärischen Kontext entwickelt und später vielfach bestätigt: Frühzeitig stimulierte Welpen zeigen langfristig bessere Stressresistenz, ein stabileres Immunsystem und oft auch gesteigerte Lernfähigkeit.
Doch jenseits aller Studien bleibt etwas, das sich schwer messen lässt: die Ahnung von Berührung, das Vertrauen in eine Welt, die sie nicht erschreckt, sondern empfängt.
Vielleicht ist es das, was wir spüren, wenn wir jemanden treffen, den wir noch nie gesehen haben – und trotzdem wissen, dass wir ihm begegnet sind. Vielleicht ist Erinnerung nicht immer Erinnerung, sondern Wiedererkennen. Und vielleicht gibt es Verbindungen, die nicht entstehen, sondern schon da sind – lange bevor wir sie benennen können.
Das 1. Fotoshooting
Die 1. Lebenswoche
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© Johannes Willwacher