Die zweite Lebenswoche unserer Welpen: Von Augen, die sich öffnen, vom ersten Licht, das sie sehen – und von dem, was Menschen darin zu erkennen meinen.
I feel it in my fingers,
I feel it in my toes.
The Troggs (1967)
Ihre Gespräche drehten sich oft um das, was andere sagen würden. Sie hatten ihre Liebe in der Gesellschaft abgelegt, im dichten Netz der Erwartungen, in den Augen der anderen. Was war Liebe, wenn sie nicht von der Gemeinschaft geteilt und gesehen wurde?
Er merkte es zuerst, als sie in der Schlange vor dem Club standen. Die Art, wie sich Blicke auf sie legten – neugierig, prüfend, manchmal abschätzend. Die Art, wie ein Mann neben ihnen zu seinem Freund flüsterte, bevor beide lachten. Er tat, als hörte er es nicht, aber sein Körper spannte sich unmerklich an. Sie ließ seine Hand los, nur für einen Moment.
Es war nicht nur, dass man ihr anmerkte, dass sie nicht als Frau geboren worden war. Es war auch, dass ihre Stimme, wenn sie aufgeregt war, in einen Akzent glitt, der sie noch fremder erscheinen ließ. Er hatte nie darüber nachgedacht – bis er merkte, dass andere es taten. Dass sie den Kopf drehten, wenn sie lachte. Für ihn war es immer nur ihr Lachen gewesen – für andere ein Etikett.
»Die Liebe ist überall«, sagte sie später, als sie nebeneinander auf dem Bett lagen, ihre Hände auf der Matratze weit genug auseinander, dass sie sich nicht berührten. Er nickte, aber es fühlte sich nicht so an. Manchmal fragte er sich, ob sie das, was sie hatten, nur dann zeigen konnten, wenn niemand hinsah. Ob es Liebe war, wenn sie sich im Dunkeln fanden, aber im Hellen loslassen mussten.

Auch für die Welpen beginnt Identität mit einem Blick. Oder genauer: mit einem Gefühl, das dem Blick vorausgeht. In der zweiten Lebenswoche öffnen sie die Augen – und entdecken, dass die Welt nicht nur aus Wärme, Geruch und Herzschlag besteht. Was sie sehen, ist zunächst unscharf, kaum mehr als Licht und Schatten, vielleicht ein milchiges Grau. Aber das, was wichtig ist, kennen sie längst. Erst nach und nach wird sich ihr Blick schärfen, wird das, was sie seit der Geburt umgeben hat, Form annehmen.
Bald werden sie feststellen, dass die Welt größer ist, als sie dachten. Dass es neben der Mutter und den Geschwistern auch noch diese merkwürdigen Zweibeiner gibt, die wild entschlossen sind, ihre Welt mitzugestalten. Die sie auf den Rücken drehen, sanft ihre Pfoten berühren, mit ihnen sprechen, obwohl sie noch gar nicht antworten können. Vielleicht ist es das, was Identität am Anfang ausmacht: nicht zu wissen, wie man gesehen wird – nur zu spüren, dass man gemeint ist. So, wie man ist. Nicht so, wie man sein soll.
Schon jetzt zeigen sich Unterschiede, wenn man sie hoch nimmt. Der eine liegt still und schwer in der Hand, der andere windet sich, als müsse er sofort wieder zurück. Manche suchen die Wärme und pressen sich an die Finger, andere öffnen das Maul und protestieren lautstark, als wollten sie die ganze Welt auf ihre Lage aufmerksam machen. Es sind nur Sekunden – und doch erzählen sie Geschichten, die sich mit jeder Woche weiter entfalten werden.
Für den Züchter beginnt hier die eigentliche Arbeit: Denn am Ende ist es diese frühe, leise Kenntnis, die entscheidet, in welche Hände ein Welpe kommt – und ob er dort findet, was er schon jetzt sucht.
Das 2. Fotoshooting
Die 2. Lebenswoche
What is Love?
Liebe – ein Gefühl, das jeder kennt und doch niemand ganz erklären kann. Ist sie Chemie oder Schicksal? Berechnung oder Rätsel? Ein Impuls oder eine Entscheidung? In unserem Wurftagebuch erkunden wir die Liebe in all ihren Facetten – von der ersten Nachricht in einer Dating-App bis zum letzten Versprechen eines gemeinsamen Lebens. Vielleicht findest du dich wieder. Vielleicht entdeckst du eine neue Art, über Liebe nachzudenken. Vielleicht zeigt sich die Wahrheit irgendwo zwischen den Zeilen.
© Johannes Willwacher