Die dritte Lebenswoche: Über das erste »Ich bin hier« – und den stillen Stolz, mit dem Welpen beginnen, sich im Spiegel der Welt selbst zu erkennen.
Es hatte Jahre gedauert, bis er sich selbst im Spiegel ansah, ohne sich zu fragen, wer ihn dort eigentlich betrachtete. Er war viele gewesen – ein Kind, das versuchte, so zu sein, wie andere es wollten. Ein Jugendlicher, der sich in fremden Erwartungen zurechtbog. Ein junger Erwachsener, der sich zwischen Anpassung und Rebellion verlor. Doch Liebe, erkannte er irgendwann, begann nicht bei anderen. Sie begann bei ihm selbst.
Er lief durch die Straßen, den Kopf hoch, die Schultern gerade. Niemand musste ihn sehen, niemand musste ihn bewundern. Er war da, und das reichte. Er spürte die Wärme der Sonne auf seiner Haut, das Echo seiner Schritte auf dem Pflaster. In seinem Brustkorb schlug sein eigenes Herz – nicht für jemand anderen, nicht um sich zu beweisen. Einfach, weil es schlagen wollte.
Er hatte gelernt, dass Liebe nicht immer eine Beziehung bedeutete. Dass Stolz nicht bedeutete, laut zu sein, sondern einfach aufzuhören, sich zu verstecken. Dass sich selbst zu lieben manchmal der schwierigste, aber wichtigste Akt war. Und als er in ein Schaufenster blickte und sich selbst darin erkannte – wirklich erkannte – wusste er, dass er endlich angekommen war.

In der dritten Woche beginnen die Welpen, die Welt nicht nur zu sehen, sondern auch auf sie zu antworten. Die Augen sind offen, die Ohren nehmen erste Geräusche auf, und die ersten Schritte führen hinaus aus der Wärme des engsten Kreises. Wacklig zwar, oft noch ein Fallen vor dem Gehen – und doch schon Ausdruck eines Willens, sich selbst zu bewegen, sich selbst zu tragen.
Sie suchen Nähe, ja – aber sie beginnen auch, sich selbst zu finden. In ihrem Blick liegt zum ersten Mal ein Erkennen, in ihrer Stimme ein Ruf, der nicht nur nach der Mutter geht, sondern nach der Welt. Forscher sprechen hier vom Beginn der sozialen Prägungsphase: jenem Zeitfenster, in dem Welpen lernen, dass sie nicht nur empfangen, sondern auch auslösen können. In dieser Phase realisieren sie: »Ich kann bewegen. Ich kann folgen.« – und im nächsten Atemzug beobachten sie: »Ich werde gehört. Ich bin Antworten wert.« Was jetzt geschieht, wird Teil ihres Wesens – das Vertrauen, dass ein Laut beantwortet wird, dass eine Bewegung Wirkung hat, dass Nähe erwidert werden kann.

Studien belegen zudem: Welpen, die in dieser frühen Phase neuen Reizen begegnen – ungewohnten Geräuschen, wechselnden Untergründen, kleinen Herausforderungen –, entwickeln mehr Resilienz, weniger Schreckhaftigkeit und größere Lernfreude. Auch wenn manches davon im Erwachsenenalter verblasst, bleibt der erste Funke spürbar, als stilles Fundament, auf dem späteres Vertrauen wachsen kann.
Vielleicht ist es das, was die dritte Lebenswoche ausmacht: ein erster zarter Stolz. Nicht laut, nicht demonstrativ, sondern still und unerschütterlich. Ein »Ich bin hier« – wacklig auf vier Pfoten, aber doch schon ganz sie selbst.
Das 2. Fotoshooting
Die 2. Lebenswoche
What is Love?
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© Johannes Willwacher