Die achte Lebenswoche: Über Hände, die tragen, und Hände, die loslassen – und warum Fürsorge vielleicht auch in den Genen liegt.
You’ve stolen my love,
do not desert me.
Queen (1975)
Er hatte sich auf vieles vorbereitet. Auf durchwachte Nächte, auf das Gewicht von Verantwortung, auf eine Liebe, die so groß war, dass sie ihm Angst machte. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so klein sein würde. So klein, dass sie in eine einzige Hand passte.
Er betrachtete sie, als wäre sie ein Rätsel, das er nicht lösen konnte. Ihr Gesicht zerknittert, die Finger winzig, ein ganzes Universum an Möglichkeiten in einem einzigen Atemzug. Sie kannte ihn noch nicht, aber ihr Körper wusste bereits, dass er da war. Dass er die Stimme war, die sie im Bauch gehört hatte. Dass er nach ihr roch und sie nach ihm.
Er hatte einmal gelesen, dass Babys instinktiv nach Nähe suchen. Dass das Bedürfnis nach Geborgenheit in der DNA gespeichert ist, weitergegeben von Generation zu Generation. Dass Liebe kein Konzept ist, sondern ein Reflex. Als sie seine Hand umklammerte – nicht bewusst, nur weil ihre Muskeln es so vorgaben – fühlte es sich trotzdem an wie eine Entscheidung.
Er wusste nicht, wer sie sein würde, in zehn, zwanzig Jahren. Aber er wusste, dass sie immer nach Hause kommen konnte. Dass etwas in ihr ihn immer erkennen würde, egal, wie weit sie sich entfernte. Dass es Dinge gab, die man nicht erlernen musste, weil sie schon immer da waren.

Du hast mich gesehen, bevor ich mich kannte. Hast mich gehalten, bevor ich stehen konnte. Hast gewusst, dass ich gehen werde – und mich trotzdem geliebt. Die letzte Woche ist angebrochen.
Acht Wochen sind vergangen. Acht Wochen voller Anfänge: Augen, die sich öffneten, Stimmen, die zum ersten Mal riefen, Schritte, die wacklig begannen und bald schon mutig wurden. Acht Wochen, in denen aus blinden, tastenden Welpen kleine Persönlichkeiten geworden sind – laut oder leise, fordernd oder gelassen, jeder schon ganz er selbst.
Und nun stehen sie da, die Welpen. Fertig und doch noch ganz am Anfang. Bereit, die vertraute Welt zu verlassen – und zu denen zu gehen, die auf sie warten. Für uns ist es der schwerste Teil: loszulassen. Für sie ist es der natürlichste. Sie kennen keine Angst vor der Zukunft, nur die Gewissheit, dass überall Hände sein werden, die sie halten. Jeder Welpe hat sein Zuhause. Jeder hat seine Menschen, seine Zukunft – und seinen Namen, der ihn von nun an rufen wird.
Manchmal denke ich: Fürsorge ist die älteste Form der Liebe. Sie ist nicht erfunden, nicht gelernt, sondern eingeschrieben – in Gene, in Instinkte, in die Art, wie ein Lebewesen den anderen ansieht. Ohne sie hätte kein Welpe überlebt, keine Linie Bestand gehabt. Und so tragen auch diese kleinen Körper das uralte Programm in sich: sich binden, Nähe suchen, gehalten werden wollen. Es ist Genetik, gewiss. Aber es fühlt sich an wie Liebe.
Vielleicht ist das die Wahrheit, die alle Lieder über Liebe meinen: dass sie nicht aufhört, wenn der Moment endet. Dass sie nicht verschwindet, wenn ein Welpe aus der Tür getragen wird. Sie bleibt – als Abdruck in der Erinnerung, als Spur im Herzschlag, als etwas, das stärker ist als Entfernung.
Die letzte Woche ist angebrochen. Und mit ihr die Gewissheit: Was in acht Wochen gewachsen ist, bleibt.
Das 8. Fotoshooting
Die 8. Lebenswoche
What is Love?
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© Johannes Willwacher