Gezeichneter Border Collie Welpe
13|11|2025 – Unser A-Wurf fei­ert sei­nen 13. Geburtstag

Unserem A-Wurf zum 13. Geburtstag: Über Jahre, die vergehen, und Gewohnheiten, die bleiben – wie das leise Schmatzen im Schlaf und die Liebe im Alltag.

Alle guten Din­ge haben etwas Lässiges
und lie­gen wie die Kühe auf der Wiese.
Fried­rich Nietzsche

Ich habe Geburts­tag, in acht Tagen. Dass kurz nach zehn das Tele­fon klin­geln wird, weiß ich jetzt schon, und auch, wie der ers­te Satz lau­ten wird. »So alt wird ja kei­ne Kuh im Spes­sart«, wird mei­ne Kol­le­gin sagen, und ich mich wie in jedem Jahr fra­gen, woher sie das wis­sen will. Also, wie alt Kühe im Spes­sart so wer­den. 

Das ist aber nicht die ein­zi­ge Gele­gen­heit, bei der ich ziem­lich treff­si­cher vor­aus­sa­gen kann, was sie sagen wird. Wenn man jeman­den lan­ge genug kennt, dann kennt man auch jede Flos­kel, die der ande­re bevor­zugt ver­wen­det. Ein Bei­spiel? Der gro­ße Zei­ger der Uhr steht kurz vor der sechs und am Schreib­tisch gegen­über lässt sie geräusch­voll den Schlüs­sel­bund in ihre Hand­ta­sche fal­len: »So jung kom­men wir nicht mehr zusam­men«, wird sie sagen, wäh­rend der schwung­voll zurück­ge­scho­be­ne Büro­stuhl noch ein paar Extra­run­den dreht. Und: »Also!«, bevor die Tür sich end­gül­tig hin­ter ihr schließt. Um das zu wis­sen, muss ich nicht ein­mal wirk­lich am ande­ren Schreib­tisch sit­zen – der­sel­be kommt sich ziem­lich nutz­los vor, seit­dem ich ins Home Office umge­zo­gen bin –, es genügt, Frau Pro­fes­so­rin zwan­zig Jah­re lang beob­ach­tet zu haben, um ein­schät­zen zu kön­nen, wie sie wann agiert.

Durch die Rou­ti­nen, die unser Leben prä­gen, ver­ste­hen wir ein­an­der immer bes­ser. Das gilt nicht nur für Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, son­dern für jed­we­de Bezie­hung, die wir des­wei­te­ren pfle­gen. Nicht umsonst sagt man lang­jäh­ri­gen Paa­ren nach, dass sie die Sät­ze des ande­ren been­den kön­nen (»Nun fall mir nicht schon wie­der ins Wort, du alte Kuh!«), und nicht umsonst heißt es von alten Hun­den, dass sie kei­ne neu­en Tricks mehr ler­nen. Weil: sie eben schon alle Tricks ken­nen, die sie ken­nen müs­sen – und sie genau wis­sen, dass ihr Mensch ihnen auch gar nichts Neu­es mehr bei­brin­gen mag. Rou­ti­ne sorgt näm­lich nicht nur für mehr Ver­ständ­nis. Nein. Sie sorgt auch für Beha­gen. Zurück­leh­nen und ent­span­nen. Ganz ein­fach, weil ich dich ken­ne – dich gut fin­de und dich mag. Das gilt im Übri­gen auch für Wie­der­ho­lun­gen im Fernsehen.

Die Vor­stel­lung, dass sich alles wie­der­ho­len wird, hat etwas Beru­hi­gen­des. Nietz­sche – der sich zwi­schen die­sen Zei­len eigent­lich nicht ganz wohl­füh­len dürf­te, weil das ein­zig Spa­ßi­ge in sei­nem Leben die Enden sei­nes gezwir­bel­ten Bar­tes waren – nann­te das die »Ewi­ge Wie­der­kunft«. Alles, was wir tun, wird immer und immer wie­der in genau der­sel­ben Form gesche­hen. Ganz ehr­lich? Das klingt für mich weder abschre­ckend, noch bedau­erns­wert. Es klingt nach der Frei­heit, sich wie­der und wie­der in die Arme des schon Ver­trau­ten zu stür­zen. Mit der Zuver­sicht, dass man sich zumin­dest dar­auf ver­las­sen kann.

Genau wie auf ihn. Drei­zehn Jah­re sind es nun. Drei­zehn Jah­re, in denen ich ihn beob­ach­tet habe, sei­ne Rou­ti­nen und sei­ne klei­nen Marot­ten. Das erwar­tungs­vol­le Bel­len vor dem Spa­zier­gang. Das zufrie­de­ne Seuf­zen, wenn er sich nach einem lan­gen Tag auf sei­nen Platz sin­ken lässt. Und die­ses lei­se, fast unhör­ba­re Schmat­zen im Schlaf – als wür­de er in sei­nen Träu­men immer wie­der zu dem zurück­keh­ren, was er liebt.

Die ewi­ge Wie­der­kehr, so stel­le ich mir vor, muss für ihn ein Ver­spre­chen sein. Eines, das ihm sagt: Heu­te wird es genau­so gut wie ges­tern – und mor­gen min­des­tens eben­so schön. Und wäh­rend ich ihm sanft über die graue Schnau­ze strei­che, fra­ge ich mich, wie alt Kühe im Spes­sart denn nun wirk­lich werden.

© Johannes Willwacher