Drei Wochen alte Border Collie Welpen
29|03|2021 – Impres­sio­nen aus dem Welpenzimmer

Die dritte Lebenswoche unserer Border Collie Welpen: über erste Schritte, feuchte Flecken und bittere Pillen, die es gerade zu schlucken gilt.

Erste Schritte

Seit der Geburt der Wel­pen schon habe ich Dirk in den Ohren gele­gen, dass das schwar­ze Git­ter, mit dem das Wel­pen­zim­mer in der drit­ten Lebens­wo­che in zwei Hälf­ten geteilt wer­den soll, noch bereit­ge­stellt wer­den muss. Zu Beginn der drit­ten Woche aber steht es noch immer in dem Ver­schlag, in den es Dirk nach dem Aus­zug der letz­ten Wel­pen ver­frach­tet hat: in der letz­ten Ecke, hin­ter einem Rei­fen­sta­pel, die Schub­kar­re und der Kugel­grill noch davor. Obschon ich ihn wie­der und wie­der dar­an erin­nert habe, dass die Wel­pen mit dem Über­gang, der sich zwi­schen der zwei­ten und drit­ten Lebens­wo­che voll­zieht, drin­gend mehr Raum benö­ti­gen: »Du machst das doch noch, oder?« Was letzt­end­lich aber nur beweist, dass mir in unse­rer Bezie­hung die Rol­le der ner­vi­gen Ehe­frau zukommt. Egal! Selbst­be­wusst ans Werk!

Selbst­be­wusst­sein spielt frag­los auch bei den Wel­pen eine Rol­le – im wört­lichs­ten aller Sin­ne. Sobald sich die Augen und Ohren zu öff­nen begin­nen, setzt eine rasan­te Ent­wick­lung ein: mit jedem Tag wer­den nicht nur die moto­ri­schen Fähig­kei­ten bes­ser – das Auf­rich­ten wird allein schon durch die Hün­din for­ciert, die zum Säu­gen nun immer häu­fi­ger sitzt, als sich zu legen –, auch die Umge­bung wird zuneh­mend bewusst wahr­ge­nom­men. Anfäng­lich beschränkt sich die Wahr­neh­mung auf den eige­nen Kör­per – immer wie­der lässt sich beob­ach­ten, wie die Wel­pen die eige­nen Pfo­ten betrach­ten, sie bele­cken und vor­sich­tig in die zahn­lo­sen Schnau­zen neh­men –, bald schon kön­nen aber auch ers­te zag­haf­te Inter­ak­tio­nen unter den Geschwis­tern beob­ach­tet wer­den. Von da an dau­ert es nur noch weni­ge Tage, bis die Wurf­kis­te zu klein ist. Des­halb: das Gitter.

Am Nach­mit­tag fin­de ich schließ­lich die Zeit, um die acht Git­ter­wän­de aus ihrer inni­gen Umar­mung zu befrei­en. Vier davon neh­me ich mir mit Lap­pen und Sei­fen­was­ser vor – mehr las­sen sich in gera­der Linie im Wel­pen­zim­mer ohne­hin nicht auf­stel­len –, die Übri­gen blei­ben drau­ßen. Zurück drin­nen hebt ein Wel­pe den Kopf, als er mich her­ein­kom­men sieht – und lässt die win­zi­ge Rute wedeln. »Nur Bewusst­sein kann etwas auf die­ser Welt ver­än­dern«, sage ich und läch­le. Etwas sehen, etwas tun. Das ist schon die gan­ze Geschichte.

Ich war’s nicht!

Drei Wochen alte Border Collie Welpen
30|03|2021 – Impres­sio­nen aus dem Welpenzimmer

»Dein Ein­satz in allen Ehren«, sage ich der Hün­din zuge­wandt, als ich mich über den Rand der Wurf­kis­te beu­ge, »aber kannst du nicht erst ein­mal die Wel­pen fer­tig trin­ken las­sen, bevor du dei­ne haus­frau­li­chen Pflich­ten erfüllst?« Obschon die Hün­din kurz davon ablässt, das gepunk­te­te Vet­bed abzu­le­cken, scheint sie mein Ein­wand nur wenig beein­druckt zu haben: das Groß­rei­ne­ma­chen geht – der fei­nen Nase fol­gend – sogleich in die nächs­te Run­de. Wäh­rend die Bor­der Col­lie Wel­pen nach und nach begrei­fen, dass die eben erst begon­ne­ne Mahl­zeit unver­hofft Bei­ne bekom­men hat, und sich alle Sechs aus Lei­bes­kräf­ten in die Höhe zu stem­men ver­su­chen, wid­met sich die Zun­ge der Hün­din also einem zwei­ten Fleck, der sich kreis­rund und feucht in das Fleece gefres­sen hat. Falls sich jemand fragt: ich war’s nicht!

In den ers­ten zwei Wochen der Wel­pen­auf­zucht wird der Absatz von Kot und Urin durch das Bele­cken der Hün­din ange­regt. Selb­stän­dig lösen kön­nen sich die Wel­pen noch nicht. Folg­lich bleibt – weil alle Hin­ter­las­sen­schaf­ten umge­hend von der Hün­din auf­ge­nom­men wer­den – auch die Wurf­kis­te sau­ber. Im Lau­fe der drit­ten Lebens­wo­che ändert sich das aber: durch die ver­bes­ser­ten moto­ri­schen Fähig­kei­ten gewin­nen die Wel­pen auch zuneh­mend Kon­trol­le über Bla­se und Darm – und nicht sel­ten kann man beob­ach­ten, dass sich ein Wel­pe nach dem Auf­wa­chen erst ein­mal auf­fäl­lig streckt. Weil Hun­de von Natur aus sehr rein­li­che Lebe­we­sen sind – auch wenn man­cher Art­ge­nos­se einen völ­lig ande­ren Ein­druck erwe­cken mag –, ist hier wie­der die Hün­din gefor­dert, um das Wurf­la­ger sau­ber zu hal­ten. Aber nicht nur die – auch die Wel­pen selbst suchen schon bewusst nach Wegen, um nicht ins Bett machen zu müs­sen. Die Lösung? Ein Löse­platz muss her!

Zwei Bögen blau gerän­der­ter Zell­stoff lie­gen seit dem Mor­gen vor dem Zugang der Wurf­kis­te. Dass die Toi­let­ten­gän­ge noch nicht zuver­läs­sig funk­tio­nie­ren, vie­les noch ein­ge­übt und ver­in­ner­licht wer­den will, ver­steht sich von selbst. Aber schon am Abend fällt mir einer der Wel­pen auf, der sich auf­rap­pelt, ziel­si­cher auf den Aus­gang der Wurf­kis­te zusteu­ert und sein Geschäft auf dem Zell­stoff ver­rich­tet. Und alle so: Ahh!

Bevorzugt bei Vollmond

Drei Wochen alte Border Collie Welpen
31|03|2021 – Impres­sio­nen aus dem Welpenzimmer

Am Mitt­woch­mor­gen wer­de ich schon früh von einem schrei­en­den Wel­pen geweckt. Als ich das Licht anknip­se, sehe ich den­sel­ben zwi­schen dem Bett und dem Hun­de­körb­chen sit­zen, die im Git­ter­aus­lauf gleich an die Wurf­kis­te gren­zen. Auch die übri­gen Wel­pen heben schläf­rig den Blick. »Wenn du schon zu nacht­schla­fen­der Zeit allei­ne Spa­zie­ren gehen musst, dann merk’ dir doch den Weg, den du gegan­gen bist«, wis­pe­re ich dem Wel­pen zu, der sich in mei­ner Hand sogleich zu beru­hi­gen beginnt. Wäh­rend sich der Schrei­hals nur einen Augen­blick spä­ter schon wie­der zum Schla­fen zusam­men­ge­rollt hat, ver­su­che ich ver­geb­lich die Augen zuzu­drü­cken. »Wenn wach, dann wach«, den­ke ich und ste­he miss­mu­tig auf. Es ist kurz vor vier.

Wäh­rend der Wel­pen­zeit ist es nicht unge­wöhn­lich, dass ich so früh auf den Bei­nen bin. In den neun Wochen der Wel­pen­auf­zucht bekommt wohl kaum ein Züch­ter den Schlaf, der eigent­lich nötig ist. »Aus der Not eine Tugend machen«, meint der Volks­mund dazu. Und genau das mache ich dann auch. Mit einem Kaf­fee in der Hand, dem Mac­book auf dem Schoß – und den unend­li­chen Wei­ten unge­zähl­ter Hun­de­fo­ren vor mir.

»Wurm­lar­ven ver­meh­ren sich bevor­zugt bei Voll­mond«, lese ich in dem einen. Und dass es sich emp­fiehlt, »Wel­pen frü­hes­tens in der sechs­ten Lebens­wo­che erst­ma­lig zu ent­wur­men«. Im nächs­ten Bei­trag wird geschil­dert, wie sich im Hand­um­dre­hen natür­li­che Kräu­ter­pil­len her­stel­len las­sen, die dem Hund zwi­schen zwei Fas­ten­ta­gen zu ver­ab­rei­chen sind. Im Letz­ten wird schließ­lich die Wir­kung von Kokos­öl dis­ku­tiert, das auch jun­gen Wel­pen schon gege­ben wer­den kann. »Alles ande­re stört die Ent­wick­lung der ora­len Tole­ranz!« Wüten­der Smi­ley, drei Ausrufezeichen.

Unse­re Wel­pen wer­den zu Beginn der drit­ten Lebens­wo­che erst­ma­lig ent­wurmt. Denn auch wenn die Mut­ter­hün­din ihre letz­te Wurm­kur erst im letz­ten Drit­tel der Träch­tig­keit bekom­men hat, ist es nicht unwahr­schein­lich, dass sich die Wel­pen bereits über die Mut­ter­milch infi­ziert haben. Nur bei nach­ge­wie­se­nen Befall zu ent­wur­men, emp­fiehlt sich bei den Wel­pen nicht. Die ver­ant­wort­lichs­te Wahl bleibt also, ihnen mit der Pipet­te zu Lei­be zu rücken – sonst wird nachts bald aus ganz ande­ren Grün­den geschrien.

© Johannes Willwacher