Portraitaufnahme einer Border Collie Hündin mit einem Burberry Schal
18|03|2023 – Hap­py Bir­th­day, Heidi!

Für unsere Heidi zu ihrem sechsten Geburtstag: was Castingshows mit Hundeausstellungen gemein haben – und warum es für beides einen besonderen Namen braucht.

Kaum, dass ich den Namen aus­ge­spro­chen habe, bereue ich es auch schon. Kurz scheint es, als sei das Bild der Video­kon­fe­renz ein­ge­fro­ren und die bei­den Teil­neh­me­rin­nen, die eben noch geschäf­tig hin­ter ihren Schreib­ti­schen saßen, in der Bewe­gung erstarrt, dann aber räus­pert sich schließ­lich die Ers­te und die Zwei­te lässt ein ver­stör­tes »Aha!« fol­gen. Die Hün­din, die den ange­reg­ten Aus­tausch nur weni­ge Augen­bli­cke zuvor unter­bro­chen hat – die­sel­be, die bereits minu­ten­lang schwanz­we­delnd um mei­ne Bei­ne her­um geschli­chen war, bevor sie sich über die Leh­ne des Pols­ter­stuhls in das Blick­feld schob –, lässt sich davon aber nicht irri­tie­ren. Zün­gelnd streckt sie sich mir noch ein wenig wei­ter ent­ge­gen, wäh­rend mei­ne bei­den mensch­li­chen Gesprächs­part­ne­rin­nen sich auf dem Bild­schirm ein gequäl­tes Lächeln abrin­gen – und viel­leicht, weil jeg­li­che Kri­tik an der Hün­din genau­so ober­fläch­lich abzu­per­len scheint, wie an ihrer oft kri­ti­sier­ten Namens­pa­tin, lächelt sie schließ­lich völ­lig unge­hal­ten zurück. »Hei­di, run­ter«, sage ich mit Nach­druck, was aber nichts dar­an ändert, dass mir ihr Name gera­de nur wider­stre­bend über die Lip­pen gehen will. »Hei­di Klum, also«, greift eine der bei­den Frau­en noch ein­mal mei­ne Ant­wort auf die Fra­ge nach der Her­kunft des Namens der Hün­din auf, »darf man die noch gut finden?«

»Sie grinst gera­de­zu dümm­lich. […] Das ist nicht Avant­gar­de, das ist Wer­bung« (in: »Wolf­gang Joop geht auf Hei­di Klum los«, Bild­zei­tung vom 12.02.2009). »Die war nie in Paris. Die ken­nen wir nicht« (Karl Lager­feld, in: Johan­nes B. Ker­ner vom 09.06.2009). Von Beginn an war nicht nur die Kri­tik an der von Hei­di Klum mode­rier­ten Cas­ting­show Germany’s Next Top­mo­del beson­ders laut, son­dern auch ihre Per­son selbst stand immer wie­der im Mit­tel­punkt der­sel­ben. Den Sexis­mus, den das For­mat repro­du­ziert – die Fixie­rung auf das Äuße­re und die aus­beu­te­ri­sche Selbst­op­ti­mie­rung –, hat Klum aber genau­so wenig erfun­den, wie den ästhe­ti­schen Impe­ra­tiv, nach dem die jun­gen Frau­en bewer­tet wer­den. Ihr ist es viel­mehr gelun­gen, die real exis­tie­ren­den gesell­schaft­li­chen Anfor­de­run­gen an jun­ge Frau­en auf­zu­grei­fen – sei schön und gehor­che –, und in ein medi­en­taug­li­ches Mil­lio­nen­ge­schäft zu ver­wan­deln. Das kann man streng genom­men gar nicht gut fin­den. Konn­te man nie. Und trotz­dem trägt die sechs­jäh­ri­ge Hün­din genau die­sen Namen. 

Ein Erklä­rungs­an­satz könn­te der bereits erwähn­te, ästhe­ti­sche Impe­ra­tiv sein – eben jene unum­stöß­li­che Fest­le­gung, was als schön anzu­se­hen ist –, der bei nähe­rem Betrach­ten auch zu der Lebens­wirk­lich­keit aller Züch­ter und Züch­te­rin­nen gehört. Allein, dass den­sel­ben nicht nur eine, son­dern – in Gestalt ver­schie­dens­ter Zucht­rich­ter – vie­le Hei­di Klums erklä­ren, dass am Ende nur eine Germany’s Next Top­mo­del wer­den kann. Und dass es sich bei den Kri­ti­kern, die nach jeder Hun­de­aus­stel­lung nur dar­auf war­ten, die Sie­ger für die öffent­li­che Zur­schau­stel­lung von Domi­nanz und Demü­ti­gung abzu­stra­fen (vgl. Yi-Fu Tuan, in: »Domi­nan­ce and Affec­tion: The Making of Pets«, Yale Uni­ver­si­ty Press 1984, S. 169f), um Anti­spe­zie­sis­ten han­delt: »Wenigs­tens hier soll es gelin­gen, die eige­ne Mis­si­on, die Welt sich nach dem eige­nen Gut­dün­ken ein­zu­rich­ten. Die Per­sön­lich­keit, rigi­de auf die eige­nen Vor­stel­lun­gen ein­ge­engt, tram­pelt die Bedürf­nis­se der Tie­re nie­der. Als Befehls­emp­fän­ger haben sie zu parie­ren (Han­na Rheinz, in: Eine tie­ri­sche Lie­be – Zur Psy­cho­lo­gie der Bezie­hung zwi­schen Mensch und Tier«, Kösel 1994, S. 140). Das Tier als Objekt, redu­ziert auf das äuße­re Erschei­nungs­bild. In ähn­li­cher Wei­se hät­te die Kri­tik sich auch der Cas­ting­show wid­men kön­nen. 

Da braucht es schon den ent­spre­chen­den Namen, um bestehen zu kön­nen. Des­halb: Hap­py Bir­th­day, Heidi!

© Johannes Willwacher