Ein bisschen Jazz – und Juni im Januar, oder: wie ein Welpe beim Züchter zu seinem Namen kommt.
It always is spring in my heart with you in my arms.
Bing Crosby (1934)
Nach dem Tod des US-amerikanischen Sängers und Schauspielers Bing Crosby machte sich seine zweite Frau daran, den Nachlass ihres verstorbenen Ehemanns zu ordnen. Keine leichte Aufgabe, denn das weiß getünchte Anwesen, das das Paar in den Hügeln von Hillsborough, Kalifornien, bewohnt hatte, bot mit über zwanzig Zimmern reichlich Platz. Platz zum Leben, genauso, wie Platz um Gelebtes abzulegen. Wie viele Schränke die junge Witwe – der 1903 geborene Crosby war fast dreißig Jahre älter als sie – dabei auszumisten hatte, ist nicht bekannt. Bekannt ist aber, dass sie in einem jener Schränke auf die Kopie eines Films stieß, den ihr Mann 1934 für Paramount Pictures gedreht hatte, und der fast ein halbes Jahrhundert lang als verschollen galt: »Here is my heart«.
Bing Crosby spielt darin einen berühmten Sänger, der sich als mittelloser Kellner in das Leben einer Adelsfamilie einschleicht, die für den Sommer in einem feinen Hotel in Monte Carlo abgestiegen ist. Dass er sich dabei in die Prinzessin verliebt, erstaunt genauso wenig, wie der Umstand, dass er den einen oder anderen Schlager zum Besten gibt, um dieselbe zu umwerben. Er schamponiert den Schoßhund der Adeligen, singt ein Duett mit dem Grammophon – und als er den falschen Namen endlich ablegt, hat er nicht nur das Herz der Prinzessin gewonnen, sondern auch das Hotel gekauft.
Auch Alfred Savoir, der Autor des zugrundeliegenden Bühnenstücks La Grande Duchesse et le garçon d’étage, das 1924 in einem Pariser Boulevardtheater uraufgeführt wurde, trug einen falschen Namen. 1883 wurde er als Alfred Poznański in eine jüdische Fabrikantenfamilie geboren, die sich in Lódz niedergelassen und es zu einigem Wohlstand gebracht hatte. Er verstarb 1934 noch vor der Uraufführung des Films.
Wer sich beim Lesen der vorangegangenen Zeilen am Kopf gekratzt und gefragt hat, was das mit Welpen zu tun und in einem Wurftagebuch zu suchen hat, wird womöglich über eine Erklärung dankbar sein. Während die Welpenaufzucht dem Züchter in den ersten Lebenswochen zumeist nur wenig abverlangt – die Ernährung und Pflege der Welpen wird noch von der Hündin übernommen, so dass sich die Aufgabe des Züchters im Hintergrund abspielt –, müssen die Namen, unter denen die Welpen in den Papieren eingetragen werden sollen, bis zum Ende der dritten Lebenswoche stehen. Namen – falsche und richtige Namen – und welche Geschichten und Werdegänge sich damit verbinden lassen, gehören in den ersten Lebenswochen also zu den Dingen, mit denen der Züchter sich beschäftigt.
June in January – eines der Lieder, das Bing Crosby in dem besagten Film anstimmt – gehört zu diesen Namen. Ob dieser sich als passend erweist, oder ob die künftigen Besitzer des so benannten Welpen entscheiden, denselben in einem von vielen Schränken abzulegen, wird die Zeit beweisen müssen. Für den Moment aber ist es ein bisschen Jazz – und Juni im Januar. Was braucht das Herz mehr?
© Johannes Willwacher