Goldene Zeiten in Hollywood – und eine Melodie, die auch bei unseren sieben Welpen womöglich nicht mehr lange auf taube Ohren stößt.

»Di-da, da-da«, sum­me ich vor mich hin, als ich die Wel­pen an einem Mor­gen in der zwei­ten Lebens­wo­che aus der Wurf­kis­te neh­me, um die­sel­be frisch zu bezie­hen. Wäh­rend ich die war­me, wat­tier­te Decke zusam­men­fal­te und mich dar­an mache, das Des­in­fek­ti­ons­mit­tel groß­zü­gig auf dem schwarz glän­zen­den Boden der Wurf­kis­te auf­zu­brin­gen, schmat­zen die sie­ben Wel­pen ver­gnügt an den Zit­zen der Hün­din, die lang aus­ge­streckt in dem weich gepols­ter­ten Hun­de­korb dane­ben liegt. »Di-da, da-da«, sum­me ich wie­der – und weil sich an die­sem Mor­gen nur die fünf erwach­se­nen Hun­de an mei­nem schie­fen Gesang stö­ren könn­ten, las­se ich dem irgend­wann auch die pas­sen­den Wor­te fol­gen: »Jeepers Cree­pers, where’d ya get tho­se pee­pers?« 

Dass die­se Melo­die mir aus­ge­rech­net an die­sem Mor­gen in den Sinn gekom­men ist, hat zwei Grün­de. Der ers­te ist schnell erklärt: im ers­ten Tages­licht hat mir einer der Wel­pen durch schma­le Augen­schlit­ze ent­ge­gen geblin­zelt. Der zwei­te macht es aber not­wen­dig, ein wenig wei­ter ausholen.

Zwei der vier Rüden unseres J-Wurfs
18|01|2024 – Zwei der vier Rüden unse­res J-Wurfs

John­ny Mer­cer war sechs­zund­zwan­zig Jah­re alt, als er New York und den klim­pern­den Kla­vie­ren der Tin Pan Alley den Rücken zukehr­te, und gemein­sam mit sei­ner Frau, einer ehe­ma­li­gen Revue­tän­ze­rin, dem Ruf der 1929 gegrün­de­ten RKO Radio Pic­tures folg­te und nach Hol­ly­wood zog. Als kleins­tes der fünf gro­ßen Film­stu­di­os hat­te RKO in den ers­ten Jah­ren trotz eini­ger Ach­tungs­er­fol­ge – der 1933 in der New Yor­ker Radio City Music Hall urauf­ge­führ­te King Kong und die wei­ße Frau war einer davon – mit finan­zi­el­len Pro­ble­men zu kämp­fen, sich mit der Ver­pflich­tung der bei­den Revue­stars Fred Astaire und Gin­ger Rogers aber auf dem Gebiet des Tanz­films eta­bliert. Kein Wun­der also, dass es dem Stu­dio nach einem viel­ver­spre­chen­den Song­wri­ter ver­lang­te – und John­ny Mer­cer auf Emp­feh­lung von Bing Crosby der Rich­ti­ge zu sein schien.

Im Som­mer 1935 zogen die Mer­cers also um – und saßen bald dar­auf in einem dunk­len Kino­saal des Grauman’s Chi­ne­se Theat­re. Auf der Lein­wand gab ein jun­ger Hen­ry Fon­da in dem Film The Far­mer Takes a Wife sein Debüt. Das Dreh­buch hat­te dem Schau­spie­ler als Hin­weis auf die ein­fa­che Her­kunft sei­ner Rol­le wie­der­holt den Aus­ruf »Jeepers Cree­pers!« in den Mund gelegt – eine zur dama­li­gen Zeit weit ver­brei­te­te Ver­ball­hor­nung von »Jesus Christ!« –, und wohl, weil die vier rhyth­mi­schen Sil­ben in John­ny Mer­cers Ohren nur noch eine Melo­die zu brau­chen schie­nen, schrieb er die­sel­ben nie­der, kaum, dass er das Film­thea­ter ver­las­sen hat­te. 

Zwei der vier Rüden unseres J-Wurfs
18|01|2024 – Zwei der vier Rüden unse­res J-Wurfs

Es soll­te aber noch bis 1938 dau­ern, bis er sie ver­wen­den konn­te. Zwi­schen­zeit­lich war Mer­cer von RKO Radio Pic­tures zu War­ner Bros. gewech­selt, wo er mit dem Kom­po­nis­ten Richard Whiting zusam­men­ar­bei­te­te. Als jener auf dem Höhe­punkt sei­ner Kar­rie­re uner­war­tet an einem Herz­in­farkt ver­starb, schloss er sich mit Har­ry War­ren zusam­men, der gera­de damit beauf­tragt war, die Musik für die Film­ko­mö­die Going Places zu schrei­ben. Lou­is Arm­strong soll­te dar­in den Pfle­ger eines Renn­pfer­des spie­len, das sich nur rei­ten ließ, wenn eine bestimm­te Melo­die auf der Trom­pe­te gespielt wur­de – und weil eben jene im Refrain nach vier Sil­ben ver­lang­te, kam nicht nur das besag­te Renn­pferd durch Mer­cer zu sei­nem Namen: »Jeepers Cree­pers, where’d ya get tho­se peepers?«

Als Züch­ter mögen es zwar kei­ne Renn­pfer­de sein, die durch mich gezähmt und gebän­digt wer­den wol­len – womög­lich stößt die besänf­ti­gen­de Melo­die aber auch bei sie­ben Bor­der Col­lie Wel­pen nicht auf tau­be Ohren. Der Wech­sel von der zwei­ten zur drit­ten Lebens­wo­che wäre auf jeden Fall kein schlech­ter Zeit­punkt, um es damit zu ver­su­chen: etwa zeit­gleich mit der Seh­fä­hig­keit setzt bei den Wel­pen auch die Hör­fä­hig­keit ein. Und wer schon ein­mal  einen Wurf auf­ge­zo­gen hat, der weiß, dass sich die unge­stü­me Lust aufs Leben nun kaum noch bän­di­gen lässt.

Das zweite Fotoshooting …

… und was in der Wurfkiste passiert.

© Johannes Willwacher