Goldene Zeiten in Hollywood – und eine Melodie, die auch bei unseren sieben Welpen womöglich nicht mehr lange auf taube Ohren stößt.
Oh, those weepers, how they hypnotize!
Where’d ya get those eyes?
Louis Armstrong (1938)
»Di-da, da-da«, summe ich vor mich hin, als ich die Welpen an einem Morgen in der zweiten Lebenswoche aus der Wurfkiste nehme, um dieselbe frisch zu beziehen. Während ich die warme, wattierte Decke zusammenfalte und mich daran mache, das Desinfektionsmittel großzügig auf dem schwarz glänzenden Boden der Wurfkiste aufzubringen, schmatzen die sieben Welpen vergnügt an den Zitzen der Hündin, die lang ausgestreckt in dem weich gepolsterten Hundekorb daneben liegt. »Di-da, da-da«, summe ich wieder – und weil sich an diesem Morgen nur die fünf erwachsenen Hunde an meinem schiefen Gesang stören könnten, lasse ich dem irgendwann auch die passenden Worte folgen: »Jeepers Creepers, where’d ya get those peepers?«
Dass diese Melodie mir ausgerechnet an diesem Morgen in den Sinn gekommen ist, hat zwei Gründe. Der erste ist schnell erklärt: im ersten Tageslicht hat mir einer der Welpen durch schmale Augenschlitze entgegen geblinzelt. Der zweite macht es aber notwendig, ein wenig weiter ausholen.
Johnny Mercer war sechszundzwanzig Jahre alt, als er New York und den klimpernden Klavieren der Tin Pan Alley den Rücken zukehrte, und gemeinsam mit seiner Frau, einer ehemaligen Revuetänzerin, dem Ruf der 1929 gegründeten RKO Radio Pictures folgte und nach Hollywood zog. Als kleinstes der fünf großen Filmstudios hatte RKO in den ersten Jahren trotz einiger Achtungserfolge – der 1933 in der New Yorker Radio City Music Hall uraufgeführte King Kong und die weiße Frau war einer davon – mit finanziellen Problemen zu kämpfen, sich mit der Verpflichtung der beiden Revuestars Fred Astaire und Ginger Rogers aber auf dem Gebiet des Tanzfilms etabliert. Kein Wunder also, dass es dem Studio nach einem vielversprechenden Songwriter verlangte – und Johnny Mercer auf Empfehlung von Bing Crosby der Richtige zu sein schien.
Im Sommer 1935 zogen die Mercers also um – und saßen bald darauf in einem dunklen Kinosaal des Grauman’s Chinese Theatre. Auf der Leinwand gab ein junger Henry Fonda in dem Film The Farmer Takes a Wife sein Debüt. Das Drehbuch hatte dem Schauspieler als Hinweis auf die einfache Herkunft seiner Rolle wiederholt den Ausruf »Jeepers Creepers!« in den Mund gelegt – eine zur damaligen Zeit weit verbreitete Verballhornung von »Jesus Christ!« –, und wohl, weil die vier rhythmischen Silben in Johnny Mercers Ohren nur noch eine Melodie zu brauchen schienen, schrieb er dieselben nieder, kaum, dass er das Filmtheater verlassen hatte.
Es sollte aber noch bis 1938 dauern, bis er sie verwenden konnte. Zwischenzeitlich war Mercer von RKO Radio Pictures zu Warner Bros. gewechselt, wo er mit dem Komponisten Richard Whiting zusammenarbeitete. Als jener auf dem Höhepunkt seiner Karriere unerwartet an einem Herzinfarkt verstarb, schloss er sich mit Harry Warren zusammen, der gerade damit beauftragt war, die Musik für die Filmkomödie Going Places zu schreiben. Louis Armstrong sollte darin den Pfleger eines Rennpferdes spielen, das sich nur reiten ließ, wenn eine bestimmte Melodie auf der Trompete gespielt wurde – und weil eben jene im Refrain nach vier Silben verlangte, kam nicht nur das besagte Rennpferd durch Mercer zu seinem Namen: »Jeepers Creepers, where’d ya get those peepers?«
Als Züchter mögen es zwar keine Rennpferde sein, die durch mich gezähmt und gebändigt werden wollen – womöglich stößt die besänftigende Melodie aber auch bei sieben Border Collie Welpen nicht auf taube Ohren. Der Wechsel von der zweiten zur dritten Lebenswoche wäre auf jeden Fall kein schlechter Zeitpunkt, um es damit zu versuchen: etwa zeitgleich mit der Sehfähigkeit setzt bei den Welpen auch die Hörfähigkeit ein. Und wer schon einmal einen Wurf aufgezogen hat, der weiß, dass sich die ungestüme Lust aufs Leben nun kaum noch bändigen lässt.
© Johannes Willwacher