24|10|2012 – Son­nen­schein und schö­ne Töne

Lei­ses Kna­cken, der Bogen streift das E – und über fei­nem Staub, der schim­mernd im herbst­li­chen Schein des Nach­mit­tags schwebt, schwillt schließ­lich die Pré­lude an. Erst in sich gekehrt, bei­na­he ver­hal­ten, tau­meln die Töne bald schwin­deln­den Höhen ent­ge­gen – in den Ril­len knis­tert der Staub von acht­zig Jah­ren. Wäh­rend Casa­ls den Bogen tän­zelnd von Pré­lude zu Alle­man­de diri­giert, dreht und wen­det sich der Hund, der – zurück im Jetzt – genüss­lich vor dem Laut­spre­cher liegt und sich die laue Son­ne auf den run­den Bauch schei­nen lässt, mit einem Seuf­zen auf die ande­re Sei­te. »Mühe­los«, meint der Mensch, »mühe­los sieht anders aus« und lässt das Maß­band mit einem mit­füh­len­den Blick in der Hosen­ta­sche ver­schwin­den. Gut zwölf Zen­ti­me­ter mehr sind es, so viel steht fest – zwölf mehr als vor sechs Wochen. Wer will es Hund da noch ver­übeln, dass – zufrie­de­nes Schnar­chen – es statt zwei gro­ßer nun drei klei­ne Mahl­zei­ten, statt der lan­gen Spa­zier­gän­ge nun ger­ne Muße­stun­den zu Cel­lo­klän­gen sein dür­fen? Letz­te­res, wann immer sich die Nadel in die Ril­le senkt und das sono­re Schwin­gen der Sai­ten erklingt – alle Vie­re von sich gestreckt, das Vibrie­ren der Die­len als Verstärker.

Ich möch­te bezwei­feln, dass mei­nem Hund bekannt ist, was man – im Hin­blick auf die Ent­wick­lung des Unge­bo­re­nen – über den Genuss klas­si­scher Musik sagt. Gleich­wohl der Nut­zen nicht bewie­sen und wis­sen­schaft­lich äußerst umstrit­ten ist: Soll­ten die Wel­pen spä­ter mit außer­or­dent­li­cher Intel­li­genz geseg­net sein, muss ich wohl nicht nur mein Urteil revi­die­ren, son­dern auch in Fra­ge stel­len, inwie­fern mich selbst der müt­ter­li­che Musik­ge­schmack prä­na­tal pro­gram­miert hat. Ist die Vor­lie­be mei­ner Gene­ra­ti­on für schwe­di­sche Möbel­häu­ser letz­ten Endes dem »Water­loo« der sieb­zi­ger Jah­re zu ver­dan­ken? And I have met my desti­ny in quite a simi­lar way …

Noch drei Wochen bis zum errech­ne­ten Geburts­ter­min, die Wurf­kis­te steht.

© Johannes Willwacher