Die dritte Trächtigkeitswoche: Nell, der Napf und ein bisschen Nausea
Die drit­te Träch­tig­keits­wo­che: Nell, der Napf und ein biss­chen Nausea

Drei Wochen, zuweilen leichte Übelkeit und eine Border Collie Hündin, die mit krauser Lefze um ihren Napf herum schleicht: Neues im Wurftagebuch.

Es ist Mitt­woch, kurz vor zehn, und wäh­rend die Hun­de sich nach der Mor­gen­run­de über ihre Näp­fe her­ma­chen, habe ich es mir mit einer Tas­se Kaf­fee am Küchen­tisch bequem gemacht. Der Wind weht dicke Schnee­flo­cken gegen das Fens­ter in mei­nem Rücken – wenn ich über das Schmat­zen der Hun­de hin­weg lau­sche, kann ich es lei­se pras­seln hören, und wenn dann und wann ein Licht­strahl durch die wild auf­ge­peitsch­ten Wol­ken fällt, selbst die schau­keln­den Äste des Kirsch­baums auf den Die­len tan­zen sehen.

Zwei Schlu­cke Kaf­fee schaf­fe ich, bis Ida mich wis­sen lässt, dass ihr Früh­stück wohl kaum so üppig gewe­sen sein kann, wie das der bei­den ande­ren, und sie sich – viel­leicht auch als Aner­ken­nung für beson­ders has­ti­ges Schlin­gen – einen Nach­schlag ver­dient hat. Dazu schiebt sie ihre Schnau­ze zwi­schen mei­ne Knie und lässt die Ohren flat­tern. Ich strei­che über ihren Kopf, wische gleich­wohl den Essens­wunsch bei­sei­te, und nip­pe an mei­nem Kaf­fee. Das wei­ße Por­zel­lan, durch das sich ein fei­ner Riss zieht, ist mit einem Bor­der Col­lie bedruckt, der mich mit hell­wa­chem Blick beob­ach­tet. »Bei­na­he so wie du«, sage ich zu dem Hund zwi­schen mei­nen Knien, und stel­le die Tas­se ab.

An jedem ande­ren Tag wäre es Nell gewe­sen, die als Zwei­te ihr Früh­stück been­det, erst ihren und dann die Näp­fe der bei­den ande­ren aus­leckt, kei­nen Krü­mel übrig lässt und mit der Nase auch noch die Die­len rings um die weiß-blau­en Scha­len nach Fut­ter­res­ten absucht. An die­sem Mor­gen aber ist es Zion, der als Zwei­ter den Kopf hebt und sich anschickt, die Run­de zu machen – Nell kaut noch immer. Gemäch­lich pickt sie einen Bro­cken nach dem ande­ren aus dem Napf, knackt die Kro­ket­te mit gekräu­sel­ter Lef­ze, kaut und schluckt. Nach Genuss sieht das nicht aus. »Schmeckt’s uns heu­te nicht?«, fra­ge ich mit heim­li­cher Freude.

Die ver­än­der­ten Ansprü­che des Kör­pers, die in der drit­ten Träch­tig­keits­wo­che mit dem Ein­nis­ten der Embryo­nen in den Gebär­mut­ter­hör­nern ein­her­ge­hen (18. bis 20. Tag), brin­gen nicht sel­ten Ver­hal­tens­än­de­run­gen mit sich, die sich auch im All­tag schnell bemerk­bar machen: wäh­rend die ers­ten bei­den Wochen der Träch­tig­keit oft­mals ohne sicht­ba­re Anzei­chen ver­ge­hen, fal­len nun ein gestei­ger­tes Schlaf- und Ruhe­be­dürf­nis sowie eine, mit­un­ter bis zur voll­stän­di­gen Ver­wei­ge­rung aus­ge­präg­te, Fut­ter­mä­ke­lig­keit auf. Die Embryo­nen sind nun etwa vier Mil­li­me­ter groß – nicht nur der Kopf hat begon­nen sich zu ent­wi­ckeln, auch die Bei­ne sind bereits in win­zi­gen Knos­pen angelegt.

Auch an den fol­gen­den Tagen bie­tet sich zur Früh­stücks­zeit das glei­che Bild – allein dass sich Nell bereits wäh­rend der Mor­gen­run­de über­ge­ben muss, kommt noch hin­zu. Ich den­ke an Schnee­flo­cken und schau­keln­de Äste – an Din­ge, von denen man weiß, dass sie da sind, auch wenn man sie selbst gar nicht sieht –, schaue der schwarz-wei­ßen Hün­din zu, wie sie sich wie­der und wie­der über ihren Napf beugt, und grinse.

© Johannes Willwacher