30|04|2017 – Wartet auf die Morgenrunde: Nell
30|04|2017 – War­tet auf die Mor­gen­run­de: Nell 

Spaziergang ist gleich raus und Ruhe? Weit gefehlt! Dreieinhalb Border Collies – und fünf Fragen, die wirklich niemand mehr hören will.

Die Woche hat sie­ben Tage. Das sind vier­zehn Spa­zier­gän­ge, min­des­tens, und damit vier­zehn Gele­gen­hei­ten, sich mit ande­ren Spa­zier­gän­gern aus­ein­an­der­zu­set­zen. Wäh­rend man vie­le davon zwar viel­leicht nur ein ein­zi­ges Mal trifft, wie­der­ho­len sich die Gesprä­che doch auf­fal­lend oft und gibt es Fra­gen, die immer wie­der gestellt wer­den. Und weil Ran­king­shows sich noch immer selt­sam hoher Beliebt­heit erfreu­en, im Fol­gen­den nun also unse­re eige­ne: Fünf Fra­gen, die wirk­lich nie­mand mehr hören will.

1. Drei! Wie süß! Sind das Geschwister?

Zuge­ge­ben, der Gedan­ke ist nicht nur des­halb nahe­lie­gend, weil Hun­de der glei­chen Ras­se grund­sätz­lich eine gewis­se Ähn­lich­keit auf­wei­sen. Er wird von gut auf­ge­leg­ten und – auch hier fin­det sich eine gewis­se äußer­li­che Ähn­lich­keit – zumeist in flot­tes Beige geklei­de­ten Spa­zier­gän­gern viel­leicht auch des­halb immer wie­der vor­ge­bracht, weil die­se sich – ich ver­all­ge­mei­ne­re – in ihrer Frei­zeit ger­ne der Lösung kom­ple­xer Sach­ver­hal­te wid­men. Weil das Heft mit den beson­ders kniff­li­gen Sudo­ku-Rät­seln aber zuhau­se blei­ben muss­te, löst man eben kur­zer­hand das Rät­sel vier­bei­ni­ger Ver­wandt­schafts­ver­hält­nis­se. Mal sind die drei Bor­der Col­lies Geschwis­ter, mal sind sie Vater-Mut­ter-Kind – wobei die zuge­dach­ten Rol­len hier regel­mä­ßig wech­seln und jeder der drei Hun­de mal jede Rol­le aus­fül­len darf. Ich habe mir schon oft­mals die Fra­ge gestellt, ob man anhand die­ser oder jener Deu­tung nicht Rück­schlüs­se auf den Cha­rak­ter oder die psy­chi­sche Gesund­heit des zwei­bei­ni­gen Gegen­übers anstel­len kann, und mir vor­ge­nom­men, dass – soll­te ich tat­säch­lich ein­mal ein Buch schrei­ben (will hei­ßen: ein Buch, dem nicht das glei­che Schick­sal beschie­den ist, wie den halb­ga­ren Ent­wür­fen, die in der obers­ten Schreib­tisch­schub­la­de ver­gil­ben) – das ein durch­aus geeig­ne­ter Aus­gangs­punkt sein könn­te. Ror­schach mit Hun­den, sozu­sa­gen. Wie süß!

2. Sind das … (Australian Shepherds, Münsterländer, Husky-Mischlinge)?

Neben den besag­ten, zwar freund­li­chen, mit Hun­den aber nur mäßig ver­trau­ten Spa­zier­gän­gern in Beige, sind es vor allen Din­gen Men­schen, die einer zwei­ten Grup­pe ange­hö­ren, die mir mit schö­ner Regel­mä­ßig­keit begeg­nen und mich immer wie­der mit offe­nem Mund stau­nen las­sen: die selbst­er­nann­ten Hun­de­ex­per­ten (das wird man­cher viel­leicht auch aus eige­ner Erfah­rung bestä­ti­gen kön­nen) war­ten gefühlt hin­ter jeder Weg­bie­gung dar­auf, ihre durch jah­re­lan­ge Erfah­rung geschul­te Ein­schät­zung abge­ben zu dür­fen. »Oos Anne­gret hätt’ frö­her aach su e Hond­che gehot«, heißt es dann zunächst, um nach einer Kunst­pau­se schließ­lich die ent­spre­chen­de Ras­se im Brust­ton tiefs­ter Über­zeu­gung her­aus­zu­po­sau­nen, »dat ös en Müns­ter­län­der, en schür­nes Dier!« Mit etwas weni­ger Lokal­ko­lo­rit wer­den aus den drei rein­ras­si­gen Bor­der Col­lies aber viel­leicht auch drei Aus­tra­li­an She­p­herds (»Nein, Bor­der Col­lies haben viel spit­ze­re Schnau­zen, Rein­hold, das erkennt man doch sofort! She­p­herds sind schwarz-weiß, Bor­der Col­lies anders­far­big. Mur­mel, heißt das, Rein­hold. Mur­mel!«), drei Hus­ky-Mixe (»Schau, wie sich die Rute krin­gelt, das sind Schlit-ten-hun-de, die brau­chen ganz viel Aus­lauf!«) oder drei sons­ti­ge, gut gelun­ge­ne Misch­lin­ge (»Da ist ganz bestimmt ein Sen­nen­hund oder Spitz mit drin!«). Wider­spruch? Zwecklos.

3. Border Collies? Dann haben sie ja sonst keine Hobbies?

»Die brau­chen aber beson­ders viel Beschäf­ti­gung« ist wohl einer der Sät­ze, die jeder Besit­zer eines Bor­der Col­lies frü­her oder spä­ter zu hören bekommt. »Spa­zie­ren­ge­hen und Fahr­rad­fah­ren, min­des­tens fünf bis sechs Stun­den am Tag«, weiß das in Hun­de­din­gen bes­tens infor­mier­te Gegen­über unge­fragt zu berich­ten, »und Ball­spie­len kön­nen die bis zum Umfal­len«. Damit ist eigent­lich alles gesagt – denn auch wenn ein Bor­der Col­lie weder das eine, noch das ande­re braucht, bleibt doch ein Fun­ken Wahr­heit: ande­re Hob­bies – will hei­ßen: sol­che, die nichts mit dem Hund zu tun haben – braucht man wirk­lich nicht mehr.

4. Können Ihre denn auch … (Pfötchen geben, das Einmaleins)?

Jah­re­lang habe ich ver­wirrt drein­bli­cken­de Spa­zier­gän­ger dar­über auf­klä­ren müs­sen, was ein Bor­der Col­lie ist. Col­lies kann­ten immer­hin eini­ge – vor­ran­gig die­je­ni­gen, die in ihrer Kind­heit vor dem Schwarz-Weiß-Fern­se­her geses­sen und Las­sie dabei zuge­schaut hat­ten, wie sie sich vom einen ins nächs­te Aben­teu­er fiep­te –, aber selbst unter denen war die Ver­wir­rung groß: Bor­der hin oder her – Col­lies sehen nicht nur wie Las­sie aus, sie den­ken und han­deln auch wie Las­sie. Über die Ras­se auf­klä­ren muss ich heu­te nie­man­den mehr, ein klein wenig vom schlau­en Fern­seh­hund-Kli­schee ist aber doch geblie­ben: irgend­et­was Beson­de­res muss so ein schwarz-wei­ßer Hund schon kön­nen. Also: Was kön­nen die denn? »Ida«, ant­wor­te ich dar­auf ger­ne wahr­heits­ge­treu, »kann in einem Laub­wald einen ein­zel­nen Tan­nen­zap­fen fin­den«. Wor­auf mein Gegen­über in der Regel bloß schul­ter­zu­ckend erwi­dert: »Aha!« oder »Ahja?«, und dass das doch nun wirk­lich rein gar nichts Beson­de­res sei. Zuge­ge­ben ist es das wohl auch nicht – längst nicht so beson­ders, wie klei­ne Jun­gen aus tie­fen Brun­nen­schäch­ten zu ret­ten – und ganz sicher hät­te jeder der drei Bor­der Col­lies das eine oder ande­re publi­kums­wirk­sa­me Kunst­stück­chen parat, weil ich aber schlicht­weg kei­ne Lust dar­auf habe, fort­wäh­rend den Zir­kus­domp­teur zu geben, zucke ich selbst nur die Schul­tern und belas­se es dabei. Beson­ders hart­nä­cki­ge Fra­ge­stel­ler las­sen sich übri­gens her­vor­ra­gend mit einer der drei fol­gen­den Wen­dun­gen abbü­geln: »Ja, aber nur Mon­tags«, »Nur wenn sie gera­de nichts bes­se­res zu tun haben« oder »Nie­mals auf nüch­ter­nen Magen«.

5. Machen Sie Ihre los?

Was man als Hun­de­be­sit­zer an aller­ers­ter Stel­le kön­nen soll­te: den eige­nen Hund rich­tig ein­schät­zen. Gera­de wenn es um Hun­de­be­geg­nun­gen geht, bringt in unse­rem Rudel jeder Hund sei­ne eige­nen Vor­lie­ben und Abnei­gun­gen mit – was dazu führt, dass nicht jeder ent­ge­gen­kom­men­de Hund auch ein poten­ti­el­ler Spiel­part­ner ist. Nell hasst bei­spiel­wei­se schon von klein auf Schä­fer­hun­de, liebt aber mit bei­na­he über­trie­be­ner Innig­keit brau­ne Labra­dor­rü­den. Zion fin­det brau­ne Labra­dor­rü­den des­halb ziem­lich schei­ße – und die meis­ten übri­gen männ­li­chen Kon­kur­ren­ten auch. Auf Ida trifft zwar weder das eine, noch das ande­re zu, sie hat dafür aber die Ange­wohn­heit, jedem frem­den Hund von Wei­tem laut­stark mit­zu­tei­len, dass er sich ger­ne ver­pis­sen darf: »Wir sind schon zu dritt, wir brau­chen dich hier nicht!«. Wer mit wem und sowie­so, ent­schei­de ich des­halb ungern aus Zwang und auf Zuruf, rufe – weil man mit der Zeit eben doch bequem wird – im Zwei­fels­fall bloß zurück: »Zwin­ger­hus­ten«. Das zieht immer.

© Johannes Willwacher