Über Ausgesprochenes und Unausgesprochenes – und über eine Border Collie Hündin, die allen Widrigkeiten zum Trotz heute ihren siebten Geburtstag feiert.
It’s amazing how you
can speak right to my heart.
Without saying a word,
you can light up the dark.
Für dich ist es ein Tag wie jeder andere. Einer, der damit beginnt, dass du in dem großen Hundekorb aufwachst, der im Wohnzimmer unter dem Fenster zum Garten steht, dich langsam streckst, um schließlich zwei Schritte zu gehen, deine Schnauze auf die breite Lehne des Sofas zu legen, und mit einem Schwanzwedeln zu verkünden, dass der Tag begonnen hat. Meistens ist es dann kurz nach fünf – und meistens sitze ich bereits mit einer Tasse Kaffee in der Hand auf dem Sofa, gähne vielleicht, oder reibe mir den Schlaf aus den Augen, während die andere Hand dich hinter den Ohren krault, deinen Kopf tätschelt, dich mit einem angedeuteten »Mein-linker-linker-Platz-ist-frei« auffordert, es dir neben mir gemütlich zu machen. Was du an jedem Morgen tust – weil die erste Stunde des Tages immer nur dir gehört. Ich trinke drei Tassen Kaffee. Du bekommst dreitausend Streicheleinheiten. Von dem, was darauf folgt – in der Stunde bis die drei anderen Hunde für gewöhnlich aufstehen –, von den Handtüchern, Eichhörnchen und Mäusen, schreibe ich lieber nichts, weil Dirk ohnehin behauptet, ich sei zu nachsichtig mit dir, ließe dir viel zu viele Albernheiten durchgehen. Damit hat er zwar Recht – und ich tue es gerne –, aber das muss er ja nicht wissen.
Für dich ist es ein Tag wie jeder andere – weil du ein Hund bist, und du dein Leben nicht in Geburtstagen, vielleicht nur in Spaziergängen, Tannenzapfen oder Gummibärchen misst. Für mich ist dein siebter Geburtstag ein Tag, von dem ich im vergangenen Jahr oftmals dachte, dass wir ihn nicht erleben, niemals feiern werden. Und auch wenn du heute morgen vor mir sitzt und ich dir einen Kuss auf die feuchte Nase drücke, geschieht das nicht ohne Zweifel, ohne Angst – nicht ohne den Gedanken, dich zu verlieren. Wegen der Krankheit, die dich nun dein halbes Leben lang begleitet, wegen dem, was vom Krebs übrig geblieben ist, was vielleicht längst unbemerkt zwischen Herz und Lunge weiter gewachsen ist. Wenn man jeden Tag in dem Bewusstsein beginnt, dass er der letzte sein könnte, macht das aber nicht nur Angst. Es macht auch jeden Tag besonders. Deinen Geburtstag umso mehr.
Ich könnte noch viel mehr schreiben. Über dich, über alles, was ich durch dich gelernt habe – über mich selbst, über andere Menschen, über das, was manche erwarten und selbst nicht einhalten können, über eine gesunde Zucht, über Verantwortung, Versprechungen, Enttäuschungen, über das Leben und den Tod. Stattdessen bin ich bloß dankbar. Dankbar, dass du mir in diesem Moment gegenübersitzt, ein Stück deiner Zunge zwischen den Zähnen eingeklemmt. Dankbar, dass dieser Moment andauert. Für dich, Ida.
You say it best when you
say nothing at all.
© Johannes Willwacher