Unsere fünf Border Collie Welpen sind drei Wochen alt – und während hier ein wenig gefüttert und dort ein wenig getrunken wird, denke ich über Karamellbonbons nach.
»Noch nicht einmal fünf«, denke ich, als Ellie mich am Dienstagmorgen mit einem unsanften Stups in den Nacken weckt. Während alle anderen Hunde noch tief und fest schlafen, ist die Mutterhündin auch an diesem Morgen schon viel länger auf den Beinen, sind die Welpen bereits gesäugt und geputzt, die Wurfkiste nach allen Regeln der Kunst umgegraben, und weil es die Gewohnheit so will, knurrt schließlich auch der Hündin der Magen – Zeit aufzustehen. Widerwillig drehe ich mich von der einen Seite auf die andere, zögere noch einen Moment, die Decke zurückzuschlagen, stehe dann aber doch zähneknirschend auf, um die Hündin in den Garten zu lassen und das erste Frühstück zu bereiten. Ich schaffe es kaum, die Kaffeemaschine zu befüllen, bis die Hündin ihre Angelegenheiten im Grünen erledigt hat und triefnass hinter mir sitzt – es regnet. Mit einem Handtuch säubere ich also erst einmal die Pfoten und das Gesäuge – für den Boden bleibt angesichts der drängelnden Hündin gerade keine Zeit –, bevor ich mich an die Zubereitung der Mahlzeit gebe. Zwei Esslöffel Milchpulver werden zusammen mit einem aufgeschlagenen Ei, etwas Quark und einem guten Schluck Ziegenmilch aufgerührt, bevor ich langsam einen Becher Trockenfutter unterhebe – zu langsam für Ellie, die längst lautstark drängelt und fiept. Ich verzichte also darauf, die noch zähflüssigen Reste vom Milchpulver mit der Gabel von den Seiten der Schale zu kratzen, stelle eben jene stattdessen mit einem Seufzen vor die hungrige Hündin hin. »Wenn ich nicht wüsste, dass du es brauchst, würdest du mir grade ganz schön auf die Nerven gehen«, sage ich, während die Hündin genüsslich schmatzt. Dass sie Hunger hat – haben muss –, steht außer Frage, denn in der dritten und vierten Lebenswoche der Welpen sind die Anforderungen an die Hündin besonders hoch.
Bei einer normalgewichtigen Border Collie Hündin kann davon ausgegangen werden, dass sie bis zum Absetzen der Welpen etwa 30 Liter Milch produzieren muss, um fünf Welpen zu ernähren (Rechenformel nach D. Grandjean und B.-M. Paragon, Le Point Vétérinaire, 1986*) – das entspricht in der dritten und vierten Lebenswoche der Welpen einer Spitzenleistung von 1,2 Litern pro Tag. Um 100 Milliliter Milch zu produzieren, benötigt die Hündin etwa 200 Kilocalorien. Zusätzlich zu ihrem Erhaltungsbedarf müssen der Hündin täglich also mindestens 2400 Kilocalorien zugeführt werden, um eine ordentliche Milchleistung zu gewährleisten und der Hündin nicht zu schaden. Das entspricht etwa der doppelten Futtermenge – oder in unserem Fall: vier üppigen Mahlzeiten pro Tag.
Mein eigener Wissenshunger ist damit aber nicht vollends gestillt, weshalb ich wenig später mit dem Smartphone in der Hand bei den Welpen liege, und herauszufinden versuche, wie sich die Milch der Hündin im Einzelnen zusammensetzt. Während Kuhmilch deutlich mehr Kohlenhydrate in Form von Milchzucker enthält, ist der Milchzuckeranteil in der Hundemilch mit lediglich 10% relativ gering – den Großteil machen Proteine (ca. 30%, davon jeweils zwei Drittel Kasein und ein Drittel Molkenprotein) und Fette (ca. 60%) aus. »Wäre das viele Fett nicht«, denke ich, »würde sich das beinahe wie die Nährwertangabe auf dem Eiweißshake lesen, den ich nach dem Sport regelmäßig zu mir nehme«, und setze kurz darauf in Gedanken hinzu, dass eben jener vor dem Genuss mindestens genauso ordentlich durchgeschüttelt werden will, wie die Zitzen der Hündin. Krafttraining wird auch nebenan betrieben – werden die Zitzen der Hündin von den saugen Welpen gezogen und getreten, wird sich beim Trinken verausgabt und auch der letzte Tropfen Milch gierig aufgesaugt.
Drei Wochen sind unsere fünf Welpen nun alt – und damit beinahe alt genug, um zum ersten Mal feste Nahrung zu sich zu nehmen. Bei früheren Würfen habe ich den Welpen oftmals schon um den 18. Lebenstag die erste Breimahlzeit angeboten, weil die Milchleistung der Hündin nachgelassen und sich die Welpengewichte nur wenig zufriedenstellend weiterentwickelt hatten. Bei unseren Fünfen kann ich mir damit aber noch ein paar Tage länger Zeit lassen – Ellie geht es gut, sie hat noch immer genügend Milch und die Welpen werden noch bei jeder Mahlzeit satt: fünf dicke, zufriedene Karamellbonbons. Die bestehen schließlich auch nur aus Milch und Zucker und Fett.
© Johannes Willwacher