Erste Mahlzeit für Welpen, Border Collie Welpen
05|04|2021 – Impres­sio­nen aus dem Welpenzimmer

Raus aus der Wurfkiste, rein ins Leben – die vierte Woche mit unseren Welpen: der erste Brei, die ersten Bisse – und was es mehr zu berichten gibt.

Die Gemeinschaft des Futterringes

Züch­ter zu sein stel­len sich vie­le ganz schön vor. Tat­säch­lich ist es oft aber ganz schön ner­vig. Gera­de, weil man sich als Züch­ter ganz schnell auf irgend­wel­chen Mai­ling­lis­ten wie­der­fin­det und sich täg­lich einer Flut von Wer­be­mails erweh­ren muss. Gut die Hälf­te davon stammt von Fut­ter­mit­tel­her­stel­lern unter­schied­lichs­ter Pro­ve­ni­enz. Frost­fleisch aus Polen, Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel aus Däne­mark, Kno­chen und Kau­ar­ti­kel aus dem Vor­arl­berg – und neben den Exo­ten noch eine gan­ze Rei­he mehr an bun­des­deut­schen Anbie­tern, die ihr »beson­ders art­ge­rech­tes« Fut­ter an den Mann, die Frau, den Hund zu brin­gen ver­su­chen. Gro­ße Mar­ken, klei­ne Mar­ken, kei­ne Mar­ken. Alles dabei.

Das glei­che Bild bie­tet sich übri­gens auch in den sozia­len Netz­wer­ken: wie oft man mich – oder bes­ser: mei­ne Hun­de – schon über Insta­gram zum »zwang­lo­sen Test­essen« ein­la­den woll­te, kann ich längst nicht mehr bezif­fern. Dabei geht es mir als Züch­ter aber eigent­lich nicht anders, als den meis­ten Hun­de­be­sit­zern: das, was der Hund in den Napf bekommt, ist wohl­über­legt. Und: dar­über dis­ku­tiert man nicht.

Was für die Füt­te­rung unse­rer erwach­se­nen Hun­de gilt, darf auch für die ers­te Zufüt­te­rung unse­rer Wel­pen gel­ten, die in der Regel zu Beginn der vier­ten Lebens­wo­che von stat­ten geht: was sich bewährt hat, darf auch wei­ter­hin so blei­ben. Bei uns sieht der Spei­se­plan für die Wel­pen des­halb anfangs einen dün­nen Brei aus hand­war­mer Zie­gen­milch vor, der nach und nach mit einem hoch­wer­ti­gen, fein pürier­ten Wel­pen­fut­ter ange­rei­chert wird. Zie­gen­milch des­halb, weil Kon­sis­tenz und Zusam­men­set­zung der Mut­ter­milch der Hün­din ähneln, und sie im Gegen­satz zur her­kömm­li­chen Kuh­milch auch her­vor­ra­gend ver­tra­gen wird. Letz­te­re führt nicht sel­ten zu schwe­ren und anhal­ten­den Durch­fäl­len. Fei­nes Tatar, das von vie­len ande­ren Züch­tern als ers­te fes­te Mahl­zeit ange­bo­ten wird, hät­te gegen­über dem Brei zwar den Vor­teil, dass es weit weni­ger klebt. Aber: was sich bewährt hat, das ändert man nicht. Und durch den kleb­ri­gen Brei, der sich nach einem Ritt durch den Fut­ter­ring auch Stun­den spä­ter noch von den Hin­ter­köp­fen der Geschwis­ter lecken lässt, haben die Wel­pen letzt­end­lich auch viel län­ger etwas davon.

Aua!

Border Collie Welpen
06|04|2021 – Impres­sio­nen aus dem Welpenzimmer

»Dass Mut­ter Natur nur weib­lich sein kann, offen­bart allein schon der Umstand, dass ein Hun­de­wel­pe zahn­los gebo­ren wird«, den­ke ich, als ich wie­der ein­mal bei den Wel­pen sit­ze, »Vater Natur hät­te soweit gar nicht gedacht, dem Wel­pen von vorn­her­ein sein Milch­ge­biss ver­passt und sich spä­ter nur gewun­dert, war­um die Hün­din die Wel­pen nicht trin­ken las­sen will«.

Dass die nadel­fei­nen Bei­ßer­chen, die ab der drit­ten Lebens­wo­che der Wel­pen durch­zu­bre­chen begin­nen, nicht bloß Schmer­zen ver­ur­sa­chen, son­dern auch noch ziem­lich vor­be­halt­los ein­ge­setzt wer­den, führt des­halb zumeist erst im Lau­fe der vier­ten Lebens­wo­che dazu, dass sich die Hün­din mehr und mehr von den Wel­pen zurück­zieht. Hat sie bis dahin beim Säu­gen oft so lan­ge aus­ge­harrt, bis auch der letz­te Wel­pe satt von ihren Zit­zen abge­las­sen hat, lässt sich nun immer häu­fi­ger beob­ach­ten, dass sie das Gan­ze schon nach weni­gen Minu­ten abbricht. Wer schon ein­mal mit nack­ten Füßen bei einem Wurf knapp vier Wochen alter Wel­pen geses­sen hat, der kann wohl nach­füh­len, war­um das so ist.

Das Wel­pen­ge­biss mag im Gegen­satz zu dem des erwach­se­nen Hun­des nur aus 28 Zäh­nen bestehen – beim voll­zah­ni­gen, erwach­se­nen Hund soll­ten sich 42 Zäh­ne zäh­len las­sen –, weil ein Wel­pe sei­ne Umwelt aber pri­mär mit dem Maul erkun­det und im Spiel in alles hin­ein­zu­bei­ßen ver­sucht, was sei­ne Auf­merk­sam­keit weckt, tut auch das ganz schön weh. Bis der Wel­pe gelernt hat, zwi­schen unbe­leb­ten Gegen­stän­den und sol­chen zu unter­schei­den, bei denen sich in Fol­ge einer Beiß­at­ta­cke eine Schmerz­re­ak­ti­on ver­neh­men lässt, dau­ert es eine Wei­le. Als Züch­ter begin­ne ich des­halb schon in der vier­ten Lebens­wo­che der Wel­pen, gezielt an der Beiß­hem­mung zu arbei­ten. Die nack­ten Füße habe ich dem­nach auch nicht ohne Grund genannt.

Fol­ge­rich­tig sprin­ge ich auch dies­mal auf, als sich ein Wel­pe an mei­nem gro­ßen Zeh zu schaf­fen macht. Ich sprin­ge auf und gehe, so wie es auch die Geschwis­ter tun wür­den, wenn sich ein Fang­zahn in ihren Ohren, Bei­nen oder Ruten ver­fängt. »Vater Natur mag zwar von nix eine Ahnung haben«, sage ich aus siche­rer Distanz, »sei­ne Zehen mag er aber trotz­dem behal­ten«. Der Wel­pe denkt der­weil wahr­schein­lich: »Ein Aua hät­te auch gereicht!«

Geld, nur Geld

Border Collie Welpen mit Mutterhündin
07|04|2021 – Impres­sio­nen aus dem Welpenzimmer

Ich glau­be, auch der Letz­te hat mitt­ler­wei­le mit­be­kom­men, dass die Wel­pen­prei­se im Zuge der Pan­de­mie durch die Decke gegan­gen sind. In bei­na­he jedem Hun­de­fo­rum wer­den die unver­schäm­ten Prei­se dis­ku­tiert, die der­zeit von Züch­tern und ande­ren für einen Wel­pen auf­ge­ru­fen wer­den. 2.500 Euro für einen Bor­der Col­lie Wel­pen, mit oder ohne Papie­ren? Das ist längst kei­ne Sel­ten­heit mehr. Und auch dar­über hin­aus schei­nen dem Preis­wu­cher kei­ne Gren­zen gesetzt.

Ges­tern habe ich aber erlebt, dass es auch das Gegen­teil gibt: Prei­se, die man­chem unter dem Druck von Ange­bot und Nach­fra­ge zu nied­rig erschei­nen. In einem Tele­fo­nat mit der Besit­ze­rin einer Nach­zucht, die gera­de ihren zwei­ten Wurf erwar­tet, habe ich von der­sel­ben näm­lich das Fol­gen­de berich­tet bekommen.

Ver­un­si­chert erzähl­te sie mir, dass sie von einer Züch­te­rin aus dem süd­deut­schen Raum ange­ru­fen wor­den sei, die sie – um gleich mit der Tür ins Haus zu fal­len – bezich­tigt habe, Preis­dum­ping zu betrei­ben und ihre Wel­pen viel zu güns­tig zu ver­schleu­dern. An den Namen der besag­ten Züch­te­rin aus dem Club für bri­ti­sche Hüte­hun­de konn­te sie sich in der Auf­re­gung nicht mehr erin­nern, sehr wohl aber dar­an, wie das Gan­ze zustan­de gekom­men zu sein schien: eine Wel­pen­in­ter­es­sen­tin, die spä­ter auch bei der besag­ten Züch­te­rin anfra­gen soll­te, hat­te sich bei ihr nach dem Kauf­preis für einen Wel­pen erkun­digt – bis zu Beginn der Pan­de­mie waren 1.200 Euro für einen rein­ras­si­gen Bor­der Col­lie aus VDH-Zucht wohl auch ein nicht wei­ter unge­wöhn­li­cher Preis. Ein­mal von der Wel­pen­in­ter­es­sen­tin auf die auf­fäl­li­ge Preis­dis­kre­panz ange­spro­chen, fand jene süd­deut­sche Züch­te­rin das wohl gar nicht mehr lus­tig. Und griff prompt zum Telefon.

Ich habe mich ange­sichts die­ses Erleb­nis­ses gefragt, ob man als Züch­ter die­sen Weg tat­säch­lich mit­ge­hen und sich an Ange­bot und Nach­fra­ge ori­en­tie­ren muss. Ob man sich wirk­lich denen zu beu­gen hat, bei denen die finan­zi­el­len Inter­es­sen weit über der Lei­den­schaft für die Ras­se stehen.

Ich züch­te, weil ich die Ras­se lie­be. Glei­ches wird für die Besit­ze­rin unse­rer Nach­zucht gel­ten. Die Pan­de­mie hat des­halb bei kei­nem von bei­den einen Ein­fluss auf den Kauf­preis für einen Wel­pen gehabt: bei­de ver­lan­gen wir noch genau­so viel – oder so wenig –, wie vor Coro­na. Auch wenn unser Kauf­preis ein wenig höher als der bei der Besit­ze­rin unse­rer Nach­zucht liegt: nein, 2.000 Euro und mehr muss kein Bor­der Col­lie kosten.

Man­cher wird nun ent­geg­nen, dass man sich durch den höhe­ren Kauf­preis bloß gegen sol­che abzu­si­chern ver­sucht, die sich güns­tig einen Wel­pen bei dem einen Züch­ter erschwin­deln, um ihn dann für das Dop­pel­te wei­ter zu ver­kau­fen. Wer sei­ne Inter­es­sen­ten nicht mit Bedacht aus­wählt – möch­te ich dazu erwi­dern – und in sei­nen Kauf­ver­trä­gen zu vie­le Fra­gen offen lässt, ist viel­leicht dar­auf ange­wie­sen, so zu agieren.

Nein, ich glau­be, letzt­end­lich ist es der zusätz­li­che Pro­fit ist, der man­chem zu gut gefällt. Ob eine Züch­te­rin – eine, die man per­sön­lich nicht ein­mal kennt – ihre Wel­pen zu güns­tig ver­kauft, könn­te einem doch herz­lich egal sein, wenn es nur um deren pri­va­tes Risi­ko geht. Des­halb: es geht ums Geld. Und nur darum.

Und des­halb fremd­schä­me ich mich gera­de ein biss­chen. Sehr.

© Johannes Willwacher