Raus aus der Wurfkiste, rein ins Leben – die vierte Woche mit unseren Welpen: der erste Brei, die ersten Bisse – und was es mehr zu berichten gibt.
Die Gemeinschaft des Futterringes
Züchter zu sein stellen sich viele ganz schön vor. Tatsächlich ist es oft aber ganz schön nervig. Gerade, weil man sich als Züchter ganz schnell auf irgendwelchen Mailinglisten wiederfindet und sich täglich einer Flut von Werbemails erwehren muss. Gut die Hälfte davon stammt von Futtermittelherstellern unterschiedlichster Provenienz. Frostfleisch aus Polen, Nahrungsergänzungsmittel aus Dänemark, Knochen und Kauartikel aus dem Vorarlberg – und neben den Exoten noch eine ganze Reihe mehr an bundesdeutschen Anbietern, die ihr »besonders artgerechtes« Futter an den Mann, die Frau, den Hund zu bringen versuchen. Große Marken, kleine Marken, keine Marken. Alles dabei.
Das gleiche Bild bietet sich übrigens auch in den sozialen Netzwerken: wie oft man mich – oder besser: meine Hunde – schon über Instagram zum »zwanglosen Testessen« einladen wollte, kann ich längst nicht mehr beziffern. Dabei geht es mir als Züchter aber eigentlich nicht anders, als den meisten Hundebesitzern: das, was der Hund in den Napf bekommt, ist wohlüberlegt. Und: darüber diskutiert man nicht.
Was für die Fütterung unserer erwachsenen Hunde gilt, darf auch für die erste Zufütterung unserer Welpen gelten, die in der Regel zu Beginn der vierten Lebenswoche von statten geht: was sich bewährt hat, darf auch weiterhin so bleiben. Bei uns sieht der Speiseplan für die Welpen deshalb anfangs einen dünnen Brei aus handwarmer Ziegenmilch vor, der nach und nach mit einem hochwertigen, fein pürierten Welpenfutter angereichert wird. Ziegenmilch deshalb, weil Konsistenz und Zusammensetzung der Muttermilch der Hündin ähneln, und sie im Gegensatz zur herkömmlichen Kuhmilch auch hervorragend vertragen wird. Letztere führt nicht selten zu schweren und anhaltenden Durchfällen. Feines Tatar, das von vielen anderen Züchtern als erste feste Mahlzeit angeboten wird, hätte gegenüber dem Brei zwar den Vorteil, dass es weit weniger klebt. Aber: was sich bewährt hat, das ändert man nicht. Und durch den klebrigen Brei, der sich nach einem Ritt durch den Futterring auch Stunden später noch von den Hinterköpfen der Geschwister lecken lässt, haben die Welpen letztendlich auch viel länger etwas davon.
Aua!
»Dass Mutter Natur nur weiblich sein kann, offenbart allein schon der Umstand, dass ein Hundewelpe zahnlos geboren wird«, denke ich, als ich wieder einmal bei den Welpen sitze, »Vater Natur hätte soweit gar nicht gedacht, dem Welpen von vornherein sein Milchgebiss verpasst und sich später nur gewundert, warum die Hündin die Welpen nicht trinken lassen will«.
Dass die nadelfeinen Beißerchen, die ab der dritten Lebenswoche der Welpen durchzubrechen beginnen, nicht bloß Schmerzen verursachen, sondern auch noch ziemlich vorbehaltlos eingesetzt werden, führt deshalb zumeist erst im Laufe der vierten Lebenswoche dazu, dass sich die Hündin mehr und mehr von den Welpen zurückzieht. Hat sie bis dahin beim Säugen oft so lange ausgeharrt, bis auch der letzte Welpe satt von ihren Zitzen abgelassen hat, lässt sich nun immer häufiger beobachten, dass sie das Ganze schon nach wenigen Minuten abbricht. Wer schon einmal mit nackten Füßen bei einem Wurf knapp vier Wochen alter Welpen gesessen hat, der kann wohl nachfühlen, warum das so ist.
Das Welpengebiss mag im Gegensatz zu dem des erwachsenen Hundes nur aus 28 Zähnen bestehen – beim vollzahnigen, erwachsenen Hund sollten sich 42 Zähne zählen lassen –, weil ein Welpe seine Umwelt aber primär mit dem Maul erkundet und im Spiel in alles hineinzubeißen versucht, was seine Aufmerksamkeit weckt, tut auch das ganz schön weh. Bis der Welpe gelernt hat, zwischen unbelebten Gegenständen und solchen zu unterscheiden, bei denen sich in Folge einer Beißattacke eine Schmerzreaktion vernehmen lässt, dauert es eine Weile. Als Züchter beginne ich deshalb schon in der vierten Lebenswoche der Welpen, gezielt an der Beißhemmung zu arbeiten. Die nackten Füße habe ich demnach auch nicht ohne Grund genannt.
Folgerichtig springe ich auch diesmal auf, als sich ein Welpe an meinem großen Zeh zu schaffen macht. Ich springe auf und gehe, so wie es auch die Geschwister tun würden, wenn sich ein Fangzahn in ihren Ohren, Beinen oder Ruten verfängt. »Vater Natur mag zwar von nix eine Ahnung haben«, sage ich aus sicherer Distanz, »seine Zehen mag er aber trotzdem behalten«. Der Welpe denkt derweil wahrscheinlich: »Ein Aua hätte auch gereicht!«
Geld, nur Geld
Ich glaube, auch der Letzte hat mittlerweile mitbekommen, dass die Welpenpreise im Zuge der Pandemie durch die Decke gegangen sind. In beinahe jedem Hundeforum werden die unverschämten Preise diskutiert, die derzeit von Züchtern und anderen für einen Welpen aufgerufen werden. 2.500 Euro für einen Border Collie Welpen, mit oder ohne Papieren? Das ist längst keine Seltenheit mehr. Und auch darüber hinaus scheinen dem Preiswucher keine Grenzen gesetzt.
Gestern habe ich aber erlebt, dass es auch das Gegenteil gibt: Preise, die manchem unter dem Druck von Angebot und Nachfrage zu niedrig erscheinen. In einem Telefonat mit der Besitzerin einer Nachzucht, die gerade ihren zweiten Wurf erwartet, habe ich von derselben nämlich das Folgende berichtet bekommen.
Verunsichert erzählte sie mir, dass sie von einer Züchterin aus dem süddeutschen Raum angerufen worden sei, die sie – um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen – bezichtigt habe, Preisdumping zu betreiben und ihre Welpen viel zu günstig zu verschleudern. An den Namen der besagten Züchterin aus dem Club für britische Hütehunde konnte sie sich in der Aufregung nicht mehr erinnern, sehr wohl aber daran, wie das Ganze zustande gekommen zu sein schien: eine Welpeninteressentin, die später auch bei der besagten Züchterin anfragen sollte, hatte sich bei ihr nach dem Kaufpreis für einen Welpen erkundigt – bis zu Beginn der Pandemie waren 1.200 Euro für einen reinrassigen Border Collie aus VDH-Zucht wohl auch ein nicht weiter ungewöhnlicher Preis. Einmal von der Welpeninteressentin auf die auffällige Preisdiskrepanz angesprochen, fand jene süddeutsche Züchterin das wohl gar nicht mehr lustig. Und griff prompt zum Telefon.
Ich habe mich angesichts dieses Erlebnisses gefragt, ob man als Züchter diesen Weg tatsächlich mitgehen und sich an Angebot und Nachfrage orientieren muss. Ob man sich wirklich denen zu beugen hat, bei denen die finanziellen Interessen weit über der Leidenschaft für die Rasse stehen.
Ich züchte, weil ich die Rasse liebe. Gleiches wird für die Besitzerin unserer Nachzucht gelten. Die Pandemie hat deshalb bei keinem von beiden einen Einfluss auf den Kaufpreis für einen Welpen gehabt: beide verlangen wir noch genauso viel – oder so wenig –, wie vor Corona. Auch wenn unser Kaufpreis ein wenig höher als der bei der Besitzerin unserer Nachzucht liegt: nein, 2.000 Euro und mehr muss kein Border Collie kosten.
Mancher wird nun entgegnen, dass man sich durch den höheren Kaufpreis bloß gegen solche abzusichern versucht, die sich günstig einen Welpen bei dem einen Züchter erschwindeln, um ihn dann für das Doppelte weiter zu verkaufen. Wer seine Interessenten nicht mit Bedacht auswählt – möchte ich dazu erwidern – und in seinen Kaufverträgen zu viele Fragen offen lässt, ist vielleicht darauf angewiesen, so zu agieren.
Nein, ich glaube, letztendlich ist es der zusätzliche Profit ist, der manchem zu gut gefällt. Ob eine Züchterin – eine, die man persönlich nicht einmal kennt – ihre Welpen zu günstig verkauft, könnte einem doch herzlich egal sein, wenn es nur um deren privates Risiko geht. Deshalb: es geht ums Geld. Und nur darum.
Und deshalb fremdschäme ich mich gerade ein bisschen. Sehr.
© Johannes Willwacher