Mit sechs Welpen im Tagebau – und der Versuch, der Frage nachzuspüren, wie viel Arbeit denn nun wirklich in einem Border Collie steckt.
Working 9 to 5, what a way to make a living,
barely getting by, it’s all taking and no giving.
They just use your mind, and they never give you credit,
it’s enough to drive you crazy if you let it.
Dolly Parton (1980)
Was ist ein Border Collie? Ein Hütehund, zweifelsohne. Einer, bei dem Jahrhunderte wohl überlegter Selektion die Arbeitseigenschaften geschärft und sich Generationen von Züchtern bemüht haben, die natürlichen Anlagen an ihren Bedarf anzupassen. Das wache Auge, die ruhige und – verglichen mit anderen zur Gruppe der Hütehunde gehörenden Hunderassen – sensible Arbeitsweise sowie der unbedingte Gehorsam gegenüber seinem Menschen zeichnen den Border Collie im Besonderen aus. Daran haben auch knapp fünfzig Jahre Schönheitszucht nichts ändern können. Ist der Border Collie aber deshalb auch heute noch ein Hund, der ausschließlich in der Arbeit am Vieh seine Bestimmung – sein Glück – finden kann? Oder sind durch die veränderten Bedürfnisse der Jetztzeit ganz neue Bedingungen geschaffen worden, die nicht nur nach einem anderen Typ Hund, sondern auch nach einer anderen Herangehensweise des Züchters verlangen?
Bei wie vielen Vertretern der Rasse lässt sich überhaupt noch von einem Bedarf sprechen, der tatsächlich auf die tägliche Arbeit am Vieh ausgerichtet ist, und sich nicht bloß im gelegentlichen Training an der eigens dazu abgestellten Schafherde erübrigt? Überlegen Sie selbst: wie viele Berufsschäfer finden sich in ihrem Bekanntenkreis? Und wie viele Hundebesitzer, bei denen die Alltagstauglichkeit des Hundes im Vordergrund steht? Deshalb noch einmal die Frage: was ist ein Border Collie? Zweifelsohne ein Hund, der gearbeitet werden will. Bloß dass sich die Frage nach der Art dieser Arbeit längst nicht mehr so eindeutig beantworten lässt.
Zu unseren Welpeninteressenten sage ich deshalb grundsätzlich gerne, dass sie bei der Suche nach einem Border Collie Welpen immer gut beraten sind, sich den Züchter und dessen Hunde auch im Hinblick auf die Übereinstimmungen zum eigenen Lebensentwurf anzuschauen. Wie lebt der Züchter? Wie gestaltet sich dessen Alltag? Sind die Hunde in alle Lebensbereiche mit eingebunden? Werden sie am Vieh gearbeitet oder sportlich geführt? Welchen Stellenwert nimmt die tägliche Auslastung ein? Und welchen die Zeit, in der nichts passiert? Wer auf der Suche nach einem Border Collie Welpen ist – oder sich viel eher noch die grundsätzliche Frage stellt, ob die Rasse zu ihm passen könnte –, muss also zuvorderst einen ehrlichen Blick auf die eigene Arbeitsbereitschaft werfen. Und sich gut überlegen, welchen Aufgaben er gewachsen ist.
Dem Border Collie gewachsen zu sein, bedeutet nun aber nicht, sein komplettes Leben den Bedürfnissen des Hundes unterzuordnen, ihn jeden Tag zu immer neuen sportlichen Herausforderungen anzustacheln und ihn nach einem übervollen Stundenplan zu beschäftigen. Es bedeutet vielmehr, auch hier einen ehrlichen Blick zu riskieren. Einen, der sich am Hund selbst orientiert – nicht am eigenen Anspruch oder den eigenen Eitelkeiten –, und der ihm im Alltag auch das Allerwichtigste zugesteht: Zeit, bloß Hund sein zu dürfen. »Ein junger Border Collie muss im ersten Lebensjahr vor allen Dingen eines lernen«, gibt der erhobene Zeigefinger unseren Welpenkäufern deshalb immer auch mahnend mit auf den Weg: »Ruhe!«
Dass Ruhe allein nicht genügt, um dem Hund dauerhaft ein erfülltes Leben zu bieten, und bereits die ersten Lebensmonate des neuen Wegbegleiters sinnvoll genutzt werden wollen, dürfte sich von selbst verstehen. Ein Border Collie bei dem beispielsweise die frühe Bindungsarbeit vernachlässigt worden ist – der nie erfahren hat, wie schön es ist, gemeinsam mit seinem Menschen die Welt zu entdecken, und sich deshalb darauf verlagert hat, bloß eigene Entscheidungen zu treffen und den eigenen Launen zu folgen –, wird nur mit ungleich größeren Anstrengungen der freudige Arbeiter sein, den wir in ihm sehen wollen.
Denn: was ist ein Border Collie? Ein Arbeitshund, zweifelsohne. Einer, der gerne mit und für seinen Menschen arbeitet. Der alles tut, um sich dessen Aufmerksamkeit zu verdienen. Aber eben auch einer, der keine Nachlässigkeit duldet. Der Konsequenz und eine Aufgabe, keine Ausreden braucht. Ob der Hund aus der Show- oder aus der Arbeitslinie stammt, ist dabei zuletzt völlig egal. Denn ein Border Collie bleibt immer ein Border Collie. That‘ll do.
Die Fotos unserer Welpen sind im Industrie- und Erlebnispark Stöffel entstanden – einem stillgelegten Basaltwerk, das mit seinen gut erhaltenen Sieben, Rutschen und Transportbändern noch immer an das Arbeitsleben erinnert, das hier fast hundert Jahre lang geherrscht hat. Mein Dank gilt Martin Rudolph, dem Leiter des Stöffel-Parks, der das Welpen-Shooting für uns möglich gemacht hat.
© Johannes Willwacher