Border Collie Welpen in der 7. Lebenswoche
26|04|2021 – Broad­me­a­dows High Hopes

Die Welpenaufzucht in der siebten Lebenswoche: was den Züchter ängstigt und was die Welpen – und warum man gut daran tut, beidem beizeiten beizukommen.

Bullshit

Vie­len Men­schen fällt es schwer, mor­gens auf­zu­ste­hen. Vie­le brau­chen einen Wecker, um nicht zu ver­schla­fen. Wäh­rend auch mei­ne bes­se­re Hälf­te zu denen gehört, für die ein Leben ohne die Schlum­mer­tas­te undenk­bar wäre, habe ich ein ganz ande­res Pro­blem: mei­ne inne­re Uhr funk­tio­niert viel zu gut und weckt mich zuver­läs­sig stets zur sel­ben Zeit. Oder auch: eine hal­be Stun­de früher.

Am Sonn­tag­mor­gen war es des­halb nicht ein­mal vier Uhr, als ich auf­wach­te. Als das Dis­play des Smart­phones auf­flamm­te, fiel mir aber nicht nur die Uhr­zeit ins Auge, auch eine grün umran­de­te Nach­richt for­der­te mei­ne Auf­merk­sam­keit. »Habe in Inter­net gefun­den«, stand da in schlech­tem Deutsch zu lesen. »Wann Wel­pen gebo­ren?«, woll­te die dem Namen nach deut­sche Schrei­be­rin außer­dem wis­sen. Kei­ne Anre­de, kein Gruß. »Eine Wel­pen­an­fra­ge per Whats­App zu ver­schi­cken ist allein ja schon blöd«, dach­te ich mir, »aber sowas?« Weil es mich selbst aber erst ein­mal nach einem star­ken Kaf­fee und die Wel­pen kurz dar­auf nach mei­ner Für­sor­ge ver­lang­te, beließ ich es vor­erst dabei.

Eine gute Stun­de spä­ter – nach­dem ich die Wel­pen gefüt­tert und in den Aus­lauf gebracht, mir beim Put­zen des Wel­pen­zim­mers außer­dem den zwei­ten Teil des Bor­der Col­lie Pod­casts ange­hört hat­te, für den ich in der ver­gan­ge­nen Woche Rede und Ant­wort stand – folg­te eine zwei­te Nach­richt. Wie­der vom glei­chen Absen­der, wie­der in dem glei­chen gebro­che­nen Deutsch. »Wann Wurf­pla­nung«, lau­te­te dies­mal der Text, »haben Zeit, kom­me vor­bei«. Das ließ mich doch hell­hö­rig wer­den. Nicht wegen der for­schen Nach­fra­ge. Oder der schlech­ten Gram­ma­tik. Viel eher wegen der Kom­bi­na­ti­on von bei­dem – und dem Gedan­ken an den wei­ßen Kas­ten­wa­gen, der zur­zeit in vie­len Züch­ter­köp­fen sei­ne Run­den dreht. Frü­her hat die Mafia Schutz­geld erpresst. Heu­te ent­führt sie Hunde.

»Viel­leicht funk­tio­niert nicht nur dei­ne inne­re Uhr beson­ders gut«, dach­te ich mir, als ich den Kon­takt dar­auf­hin blo­ckier­te. »Mag sein, dass du jeman­dem auf­grund der Umstän­de ganz schreck­lich Unrecht tust, aber viel­leicht hast du auch ein ein­ge­bau­tes Bull­shit-Radar?« Wäre nicht undenk­bar. Bei den Wel­pen weiß ich schließ­lich auch schon im Vor­aus, ob sie mir gleich auf die Flie­sen kacken.

Der Garten des Künstlers

Border Collie Welpen in der 7. Lebenswoche
27|04|2021 – Broad­me­a­dows Hig­her Love

Wenn Dirk sich am Mor­gen mit den Hun­den auf den Weg macht, um die ers­te Run­de über die Fel­der zu dre­hen, gehe auch ich mit den Wel­pen spa­zie­ren. Unse­re Spa­zier­gän­ge mögen im Ver­gleich mit denen der Gro­ßen zwar ziem­lich kurz sein, haben es dafür aber in sich. Mit den Augen eines Wel­pen wird aus einem gepfleg­ten Vor­gar­ten ganz schnell ein undurch­dring­li­cher Dschun­gel – was wohl ins­be­son­de­re für den unse­ren gilt.

Streng­ge­nom­men gehö­ren bloß die obe­ren 1.000 Qua­drat­me­ter des Gar­tens zu unse­rem Grund­stück. Das eben­so gro­ßen, sich unmit­tel­bar anschlie­ßen­de Gar­ten­grund­stück haben wir vor Jah­ren von einem mitt­ler­wei­le ver­stor­be­nen Künst­ler gepach­tet, der vor allem durch die von ihm erfun­de­nen Feu­er­plas­ti­ken bekannt ist. Weil der Pacht­ver­trag nur für die Dau­er von zehn Jah­ren gilt und es für uns noch immer frag­lich ist, ob wir das Grund­stück zum Ende der Lauf­zeit kau­fen kön­nen, haben wir nur weni­ge Ener­gien in die Gar­ten­ge­stal­tung gesteckt. Das maro­de Gewächs­haus steht noch immer und auch die Bäu­me, Hecken und Büsche wer­den nur not­dürf­tig zurück­ge­schnit­ten. Auf den einen oder ande­ren mag das nach­läs­sig wir­ken. Für die Wel­pen sind die ver­wun­sche­nen Pfa­de, die sich zwi­schen den Wei­den und den Wild­kir­schen hin­durch­zie­hen, aber ein ein­zi­ges Abenteuer.

Der Ers­te bleibt bei den Rha­bar­ber­blät­tern hän­gen, die sich wie mäch­ti­ge Ele­fan­ten­oh­ren über ihn erhe­ben. Der Zwei­te kratzt selbst­ver­ges­sen das Moos von dem beto­nier­ten Strei­fen, der sich mit­tig durch das längst auf­ge­ge­be­ne Gemü­se­beet zieht. Der Drit­te fin­det einen Zweig, der beim letz­ten Frost vom Apfel­baum abge­bro­chen ist, und der Vier­te reißt fröh­lich einen Löwen­zahn ab, um ihn mit Genuss zu zerkauen.

Bei jedem Spa­zier­gang beob­ach­te ich, dass die Wel­pen mehr Selbst­si­cher­heit gewin­nen. Dass sie gelas­se­ner auf die Umge­bung reagie­ren und nicht mehr zurück­schre­cken, wenn ein Blatt in der Bri­se weht. Ich beob­ach­te aber auch, dass mich kei­ner lan­ge aus den Augen lässt, und dass bei allen bloß ein Pfei­fen genügt, um sie auf­mer­ken zu las­sen. Das freu­di­ge Wedeln eines Wel­pen, der sich mutig durch die Wild­nis gekämpft und sei­nen Men­schen am Endes des Weges wie­der­ge­fun­den hat – gibt es irgend­ein schö­ne­res Gefühl?

Zauber, zauber – sauber!

Border Collie Welpen in der 7. Lebenswoche
28|04|2021 – Broad­me­a­dows Hallelujah

Wäh­rend der Wel­pen­auf­zucht habe ich fast täg­lich die Kame­ra in der Hand. Vom Tag der Geburt an ver­su­che ich so, mög­lichst viel zu doku­men­tie­ren. Zum einen, um die Auf­zucht für alle zukünf­ti­gen Besit­zer trans­pa­ren­ter zu gestal­ten. Zum ande­ren sol­len aber auch gera­de die­je­ni­gen an der Ent­wick­lung ihres Wel­pen teil­ha­ben kön­nen, für die auf­grund der Ent­fer­nung kein Besuch mög­lich ist. Durch die Ein­schrän­kun­gen, die seit Beginn der Pan­de­mie ins­be­son­de­re die Rei­se­frei­heit betref­fen, gilt das aktu­ell für fast alle inter­na­tio­na­len Interessenten.

Alles bekommt man natür­lich trotz­dem nicht zu sehen. Mich, unaus­ge­schla­fen in der Jog­ging­ho­se, bei­spiels­wei­se nicht. Und auch kein Foto vom Zustand des Wel­pen­zim­mers. Mor­gens, kurz nach sie­ben. Nach der letz­ten Wurm­kur. War­um man man­ches am Ende doch lie­ber für sich selbst behält, dürf­te auf der Hand lie­gen, schät­ze ich.

Bei ande­ren Din­gen ist das nicht ganz so offen­sicht­lich. Das ers­te Wan­nen­bad der Wel­pen gehört zum Bei­spiel dazu. Wäh­rend ein klitsch­nas­ser Wel­pe näm­lich weder so pein­lich ist, wie ein vier­zig­jäh­ri­ger Mann am frü­hen Mor­gen, und ein Schaum­bad grund­sätz­lich auch ein viel bes­se­res Motiv abgibt, als eine benutz­te Wel­pen­toi­let­te, schei­tert es hier allein am Prak­ti­schen. Wo vier Hän­de gebraucht wer­den, um einen Wel­pen in der Wan­ne zu hal­ten, ihn ein­zu­sei­fen und abzu­brau­sen, bleibt kei­ne für die Kame­ra frei. Wie nass alle betei­lig­ten Per­so­nen nach dem Baden von sechs Wel­pen sind, kann man sich aber wohl auch ohne das ent­spre­chen­de Bild vorstellen.

Zwin­gend not­wen­dig war das Wan­nen­bad – das, streng­ge­nom­men, tat­säch­lich schon das zwei­te war – für unse­re aktu­el­len Wel­pen zwar nicht. Weil das regel­mä­ßi­ge Baden und Föh­nen aber nicht bloß für die­je­ni­gen zur spä­te­ren Lebens­rea­li­tät gehö­ren wird, die sich im Aus­stel­lungs­ring wie­der­fin­den wer­den, war es wohl trotz­dem ange­bracht. Wegen Häns­chen und Hans – und allem, was Letz­te­rer nim­mer­mehr lernt. Damit ken­ne ich mich, dem Namen nach, ziem­lich gut aus.

© Johannes Willwacher