Die fünfte Trächtigkeitswoche: über sommerliche Hitze und verdiente Abkühlung – und die brennende Liebe einer Hündin zu heißem Beton.

Im Hof steht die Hit­ze. Seit­dem die Son­ne am Mor­gen über den Hügel gekro­chen ist, der sich durch die dich­ten, grü­nen Kro­nen der Laub­bäu­me im unte­ren Gar­ten gera­de noch erken­nen lässt, hat sich auch das Mau­er­werk dahin­ter mit som­mer­li­cher Glut auf­ge­la­den. Von den vier Hun­den ist nur einer auf den Bei­nen – lang­sam schleicht Halo einer Rau­pe hin­ter­her, die unbe­irrt über den hei­ßen Beton kriecht –, und auch aus den Bäu­men las­sen sich sich nur die Stim­men der Els­tern ver­neh­men, die im Geäst zwi­schen den rei­fen Kir­schen sit­zen. Nell hat sich vor Stun­den schon in die Kuh­le zurück­ge­zo­gen, die sie am Fuß des alten Zwetsch­ge­n­baums aus­ge­ho­ben hat, und nur dann und wann hebt sie den Kopf, um den Stim­men zu lau­schen, die vom Geh­weg hin­ter der Hecke zu ihr her­über wehen. Wäh­rend jene Zion für gewöhn­lich dazu ver­an­las­sen, auf­ge­regt hin­ter dem Gar­ten­zaun auf und ab zu lau­fen, spitzt er dies­mal bloß müde die Ohren, und ver­zich­tet – mit einem lang­ge­zo­ge­nen Gäh­nen – den küh­len Lie­ge­platz in der Wasch­kü­che zu ver­las­sen. Hei­di, die bis­lang mit geschlos­se­nen Augen in der pral­len Son­ne gele­gen hat, ist aber mit einem Mal auf den Bei­nen. Das Gebell, das sie anstimmt, kaum dass sie den Gar­ten­zaun erreicht hat, hat aber nur wenig mit den Laut­äu­ße­run­gen gemein, die ich sonst von der Hün­din ken­ne. Statt zu bel­len lässt sie näm­lich ein Gur­ren ver­neh­men, das ganz und gar nicht zu ihrer Erschei­nung pas­sen will. Lachend rufe ich sie zurück und kurz dar­auf liegt sie schon wie­der zu mei­nen Füßen, das schwar­ze Fell glänzt in der Son­ne. »Wer es bei den aktu­el­len Tem­pe­ra­tu­ren nicht vor­zieht, im Schat­ten zu lie­gen«, sage ich vor mich hin, »der muss zwei­fels­oh­ne träch­tig sein«. 

Brennende Liebe zu heissem Beton

Ähn­lich wie bei ihren vor­an­ge­gan­ge­nen Wür­fen, hat sich Hei­di in den ers­ten vier Wochen der Träch­tig­keit aber auch dies­mal kaum etwas anmer­ken las­sen. Abge­se­hen von den Zit­zen, die sich irgend­wann zwi­schen der drit­ten und vier­ten Träch­tig­keits­wo­che auf­zu­rich­ten begon­nen haben, sind die ver­läss­li­chen Anzei­chen bei ihr wie­der ein­mal aus­ge­blie­ben. Statt der Übel­keit und Fress­un­lust, die sich bei den meis­ten Hün­din­nen zum Ende der drit­ten Träch­tig­keits­wo­che – dem Zeit­punkt der Nida­ti­on – bemerk­bar macht, ist sie bloß durch die bren­nen­de Lie­be zum hei­ßen Beton auf­ge­fal­len. Und auch den Aus­fluss, der – mal glas­klar, mal mil­chig trüb – als sichers­tes Zei­chen für einen geglück­ten Deck­akt gilt, habe ich erst nach der Bestä­ti­gung der Träch­tig­keit durch den Ultra­schall bemer­ken dür­fen. 

Trächtige Border Collie Hündin im Garten
16|06|2022 – Hei­di in der fünf­ten Trächtigkeitswoche

Weil es auch am Abend noch immer nicht küh­ler gewor­den ist, muss die Abküh­lung im Was­ser erfol­gen. Kur­zer­hand wird des­halb alles, das vier Pfo­ten hat, ins Auto gepackt, und zum nächst­ge­le­ge­nen Bade­see gefah­ren. Das kur­ze Weg­stück, das vom Park­platz auf der Anhö­he bis zum See noch zurück­ge­legt wer­den muss, ist schnell bewäl­tigt. Kaum zehn Minu­ten sind wir gelau­fen, als sich die spie­geln­de Was­ser­flä­che end­lich durch die umste­hen­den Bäu­men erbli­cken lässt, und kaum einen Augen­blick spä­ter ste­hen alle vier Hun­de schon klatsch­nass im seich­ten Was­ser. Wäh­rend Hei­di sich ein wenig abseits hält – ähn­lich, wie bei den Spie­len der Hun­de im hei­mi­schen Gar­ten –, scheint es für die Übri­gen kein Hal­ten mehr zu geben. Das Was­ser spritzt und die Pfo­ten rudern, mit einem Hecht­sprung vom Ufer wird einem vor­aus­ei­len­den Hund nach­ge­setzt – und weil selbst die Frö­sche in den Bin­sen dem nur Bewun­de­rung ent­ge­gen­brin­gen kön­nen, ist statt dem Qua­ken nur noch aus­ge­las­se­nens Bel­len zu hören. »Wenn man sich Hei­di so anschaut«, sagt Dirk mit einem Blick auf die Hün­din, die sich gera­de zurück ans Ufer gekämpft und auf dem schat­ti­gen Wie­sen­weg aus­gie­big geschüt­telt hat, »dann hat man doch den Ein­druck, dass sie schon merk­lich run­der gewor­den ist«. Ich fol­ge sei­nem Blick, wäh­rend ich mit hoch­ge­krem­pel­ten Hosen­bei­nen durch das fla­che Was­ser wate, schüt­te­le dann aber ganz ent­schie­den den Kopf: »Das kann nur täu­schen!« Am Mor­gen erst habe ich den Bauch und die Tail­le der Hün­din ver­mes­sen, und die Maße – die ich bei jeder Träch­tig­keit wöchent­lich neh­me – sorg­sam auf­no­tiert. »Ein­und­sech­zig Zen­ti­me­ter am Bauch, vier­und­fünf­zig in der Tail­le«, gebe ich also zurück, »viel mehr als nas­ses Fell dürf­te hier noch nicht zu erken­nen sein«. Und viel­leicht, weil es trotz der Abküh­lung noch immer zu heiß für hit­zi­ge Gesprä­che ist, fol­gen kei­ner­lei Ein­wän­de darauf.

Trächtige Border Collie Hündin während der ersten Hitzewelle am Badesee
19|06|2022 – Hei­di in der fünf­ten Trächtigkeitswoche

© Johannes Willwacher