Liegen, gehen und fressen: was unsere Hunde uns Menschen schon immer zu lehren versuchen. Unserem B-Wurf zum neunten Geburtstag.
Would you lie with me and just forget the world?
Snow Patrol (2006)
Vor vielen Jahren lebte – weil es die Geschichte so will – ein Hund am Hof des Königs. Weil beides – der Hund und die Geschichte – aber nicht wenige dazu veranlassen wird, wild mit den Augen zu rollen, und sich manch einer vielleicht sogar einzuwenden bemüßigt sehen wird, dass Hunde doch an allen Königshöfen zu den Jagdgesellschaften gehörten und einer – de omnibus dubitandum – somit kaum so besonders gewesen sein dürfte, dass seine Geschichte überliefert worden ist, möchte ich gleich zu Beginn einwenden, dass es sich bei diesem tatsächlich um ein ganz besonderes Exemplar seiner Spezies gehandelt hat.
Besonders, weil jener Hund weder hübsch, noch nützlich war – er also weder dazu taugte, die berittenen Gesellschaften des Königs bei der Fuchsjagd zu begleiten, noch die Gesellschaft der Hofdamen durch sein angenehmes Äußeres zu erfreuen. »Was für ein garstiges Tier«, hatten im Laufe der Jahre deshalb nicht wenige der feinen Damen ausgerufen, wenn sie den Hund im Schatten der hohlen Eiche liegen sahen, die er sich im Garten des Königs zur Wohnstatt auserkoren hatte, »sein struppiges Fell hat die Farbe von Fäulnis und Tod«. Den Hund selbst aber störte diese Abscheu nicht weiter. Ganz im Gegenteil, schien er ganz besonders glücklich zu sein. Und weil das Glück des einen dem anderen auch in vergangenen Tagen noch nie lange verborgen geblieben ist, stand eines Morgens der König selbst unter der hohlen Eiche, um sich zu dem Hund hinunter zu beugen.
»Der Hund sage uns«, hob der König an zu sprechen, »was ihn so glücklich macht«, die schwere Krone auf seinem Haupt hielt er dabei mit beiden Händen umfasst, »es verlangt uns danach, in gleicher Weise zufrieden zu sein!« Der Hund leckte sich bloß die Pfoten, setzte dann aber ein mildes Lächeln auf und sagte: »Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Und wenn ich fresse, dann fresse ich«. Betreten richtete sich der König auf. »Wir tun nichts anderes, wollen aber dennoch niemals glücklich sein«, gab der König in Empörung zurück, »der Hund verrate uns also sein Geheimnis und treibe keinen Spott mit uns!« Ruhig wiederholte der Hund seine Worte: »Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Und wenn ich fresse, dann fresse ich«. Weil er aber den wachsenden Unmut des Königs zu spüren begann, fügte er nach einer Weile hinzu: »Dass auch ihr liegt und geht und esst, steht außer Frage, denn allem, was lebt, verlangt es nach Ruhe, Bewegung und Nahrung. Doch während ihr liegt, denkt ihr schon ans Aufstehen, während ihr aufsteht an den Weg, den ihr nehmen werdet, und seid ihr erst auf dem Weg, überlegt ihr, was auf den Tisch kommen wird«. Der König schwieg. »Nie bleiben eure Gedanken an dem Ort, an dem ihr euch befindet«, seufzte der Hund und richtete seinen Blick auf das dichte Blätterdach, das ihn durch einen Spalt ein Stück des Himmels erhaschen ließ, »immer tragt ihr die Vergangenheit und Zukunft mit euch herum, und vergesst, im Hier und Jetzt zu leben«. Der König wandte sich um und ging, der Hund blieb an Ort und Stelle liegen. Und weil nicht nur der König den Hund nicht verstanden hat – tatsächlich haben beide bloß geschwiegen –, sind die meisten Hunde bis zum heutigen Tag unverstanden geblieben.
Frei nach einer buddhistischen Parabel
Neun Jahre – und der Wunsch, dass sich eure Menschen nicht nur zu eurem heutigen Geburtstag die Zeit nehmen, um mit euch ein Stück des Himmels zu erhaschen. Lasst euch feiern: Twix, Joey, Iska, Buddy und Pepper. Und an Beau einen Gruß über die Wolken.
© Johannes Willwacher