Unsere Border Collie Welpen in der fünften Lebenswoche: über morgendliche Gesänge, große Schwestern und die Frage, wann man die ersten Entscheidungen trifft.

Good Morning Starshine

Der Him­mel sieht aus, als habe jemand einen buschi­gen Pin­sel genom­men und mit locke­rer Hand zuerst rote, dann oran­ge Far­be in das stump­fe Blau getupft, als ich mit einem Korb vol­ler Wel­pen aus der Tür zum Gar­ten tre­te. Viel Zeit, um das mor­gend­li­che Far­ben­spiel zu bewun­dern, bleibt mir indes­sen nicht. Weil es den ers­ten Wel­pen bereits gelun­gen ist, sich an den Sei­ten des Korbs hoch­zu­zie­hen, und zwei mit schau­keln­den Köp­fen schon über den schma­len Rand schau­en, muss ich mich beei­len. Schnell brin­ge ich also das kur­ze Weg­stück bis zum Wel­pen­aus­lauf hin­ter mich, der auf­grund der som­mer­li­chen Hit­ze wie­der ein­mal im Schat­ten der bei­den mäch­ti­gen Kirsch­bäu­me auf­ge­baut wor­den ist, set­ze den Korb sicher am Boden ab und schließ­lich einen nach dem ande­ren Wel­pen ins Gras. Sogleich begin­nen drei sich zu lösen – alle Sechs haben noch fest geschla­fen, als ich weni­ge Minu­ten zuvor mit dem zusam­men­ge­fal­te­ten Korb ins Wel­pen­zim­mer getre­ten bin –, und weil nach einer Wei­le alle sechs Wel­pen irgend­wo auf dem aus­ge­brann­ten Grün krei­seln, las­se ich die ers­te Mahl­zeit, die ich schon frü­her vor­be­rei­tet habe, noch ein wenig län­ger zum Aus­küh­len auf dem Gar­ten­tisch stehen.

Nach­dem die Wel­pen ihre Mahl­zeit been­det haben – viel ist nach der Nacht nicht übrig geblie­ben, bloß ein dün­ner Strei­fen ein­ge­trock­ne­ter Brei klebt noch an den Rän­dern des sil­ber­nen Napfs –, tischt die Mut­ter­hün­din schließ­lich den Nach­tisch auf. Wäh­rend die sechs­te Lebens­wo­che der Wel­pen zum Ziel hat, die Wel­pen end­gül­tig zu ent­wöh­nen, läuft in der Fünf­ten zumeist bei­des noch par­al­lel. Ich nut­ze die Zeit, um schnell noch die Pfüt­zen im Nacht­aus­lauf auf­zu­wi­schen – bei Zwei­en hat die Bla­se in der Nacht wohl so stark gedrückt, dass der Weg bis zur Wel­pen­toi­let­te zu weit gewe­sen ist –, dann kann auch ich mich end­lich zu den Wel­pen setzen.

Wenn man berück­sich­tigt, dass nur eine schma­le Hecke aus Hasel­nuss­sträu­chern den Gar­ten vom Geh­weg trennt, und jedes Wort, das auf der einen oder ande­ren Sei­te gespro­chen wird, schnell einen unfrei­wil­li­gen Zuhö­rer fin­det, mag das, was in Fol­ge aus dem Aus­lauf zu hören ist, fast wun­der­lich schei­nen. Quiet­schen und Prus­ten, Pfei­fen und Röh­ren, Rülp­sen, das sich in ste­tem Wech­sel mit einem lei­sen Sum­men befin­det – und mit­ten­drin ein hoch gewach­se­ner, etwa vier­zig­jäh­ri­ger Mann, der »Mau­si«, »Mie­ze­kat­ze« und mehr zusam­men­hang­lo­ses Zeug brab­belt. Als kurz dar­auf die ers­te Pas­san­tin hin­ter dem grü­nen Gar­ten­tor ste­hen bleibt, um nach­zu­schau­en, wer da so schreck­lich schief singt, hebe ich nur kurz den Kopf. Und sage: »Guten Mor­gen!«

Dance little Sister

Border Collie Welpen
17|08|2022 – Unse­re Wel­pen in der fünf­ten Lebenswoche

Zwei Wel­pen zer­ren mit spit­zen Zäh­nen an ihrer wei­ßen Mäh­ne, ein drit­ter hat sich von hin­ten ange­schickt, ihren Rücken zu bestei­gen. Wäh­rend das sei­dig flie­ßen­de Fell auf ihrem Rücken es dem Letz­te­ren aber schier unmög­lich macht, die lie­gen­de Hün­din zu erklim­men, er als­bald das Gleich­ge­wicht ver­liert und hin­ten über pur­zelt, wehrt Halo die bei­den ande­ren geschickt mit ihrer Schnau­ze ab. Weil das die bei­den Wel­pen aber nur noch mehr anspornt, und sie die ein­jäh­ri­ge Bor­der Col­lie Hün­din immer fre­cher zu atta­ckie­ren begin­nen, springt die­sel­be schließ­lich brum­mend auf, und wirft die bei­den Hitz­köp­fe – einen links, einen rechts – mit einem erneu­ten Hieb ihrer Schnau­ze um.

Weil der Mut­ter­hün­din früh mor­gens der Sinn noch nicht nach wil­den Spie­len steht, und sie es vor­zieht, den Wel­pen­aus­lauf nach dem mor­gend­li­chen Säu­gen schnell wie­der zu ver­las­sen, hat sich Halo nur zu ger­ne der hün­di­schen Früh­erzie­hung ange­nom­men. Oft­mals fällt ihr dabei zwar die Ent­schei­dung schwer, ob sie lie­ber mit den Wel­pen oder doch mit mir spie­len will – an den Umstand, dass ich ihr Mensch bin, erin­nert sie auch die Wel­pen dann und wann auf lie­be­vol­le Wei­se –, nichts­des­to­trotz ver­rät jede ihrer Regun­gen deut­lich, wie sehr sie das Zusam­men­sein mit ihren fast fünf Wochen alten Halb­ge­schwis­tern genießt.

Mir jagt dabei eine Gän­se­haut nach der ande­ren über den Rücken. Das weni­ger, weil es mor­gens um Sie­ben noch frisch ist und sich die Bett­wär­me im Gar­ten schleu­nig ver­liert, son­dern viel mehr, weil mich jede Regung der schwarz-wei­ßen Hün­din an jene erin­nert, die bei den meis­ten unse­rer vor­an­ge­gan­ge­nen Wür­fe neben mir im Wel­pen­aus­lauf saß. »Du ver­rätst dich«, sage ich, und strei­che Halo über den Kopf. Und dann schaut Ida mich an.

Time of the Season

18|08|2022 – Unse­re Wel­pen in der fünf­ten Lebenswoche

Wenn die fünf­te Lebens­wo­che der Wel­pen sich ihrem Ende zuneigt, wird es Zeit, die Wel­pen zum ers­ten Mal kri­tisch auf den Prüf­stand zu stel­len. Grund­le­gen­de Beob­ach­tun­gen, die eine ers­te Ein­schät­zung der Wesens­ent­wick­lung erlau­ben – wel­cher Wel­pe zeigt sich wie auf­ge­schlos­sen, oder wel­cher Wel­pe ist mehr oder min­der stark am Men­schen ori­en­tiert – mögen zwar auch frü­her schon dann und wann gemacht wor­den sein, vie­les offen­bart sich aber frü­hes­tens ab dem Zeit­punkt, ab dem die Wel­pen aktiv und mobil genug sind, um ihre Umwelt selb­stän­dig zu erkun­den. 

Als Züch­ter rich­te ich mei­nen Blick des­halb an der fünf­ten Lebens­wo­che nicht nur ver­stärkt auf das Mit­ein­an­der der Wel­pen – wo zeigt sich wel­ches Spiel­ver­hal­ten, ist das Mit­ein­an­der aus­ge­wo­gen oder wird ein pas­si­ve­rer Wel­pe immer wie­der von einem akti­ve­ren domi­niert –, son­dern ver­su­che auch, mir von jedem Ein­zel­nen einen mög­lichst umfas­sen­den Ein­druck zu ver­schaf­fen. Das ver­setzt mich nicht nur in die Lage, jeden ein­zel­nen Wel­pen in den fol­gen­den Wochen ganz indi­vi­du­ell zu för­dern – ins­be­son­de­re bei eher zurück­hal­ten­den Wel­pen habe ich den Anspruch, den Man­gel an Selbst­be­wusst­sein bis zur Abga­be best­mög­lich aus­zu­glei­chen –, son­dern hilft mir auch dabei, die Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, auf die bei jedem Wurf mit wach­sen­der Unge­duld gewar­tet wird: wel­cher Wel­pe wird wo sein Zuhau­se finden?

Neben mei­nen eige­nen Beob­ach­tun­gen habe ich gera­de also auch die Bemer­kun­gen unse­rer Wel­pen­in­ter­es­sen­ten im Hin­ter­kopf. Jene, die bereits beim ers­ten Tele­fo­nat oder dem ers­ten Mail­kon­takt gemacht wor­den sind genau­so wie jene, die beim dar­auf­fol­gen­den ers­ten Ken­nen­ler­nen ange­spro­chen wur­den. »Wel­che Plä­ne ver­folgt ihr mit eurem zukünf­ti­gen Hund? Wie schätzt ihr eure eige­nen Fähig­kei­ten ein? Wollt ihr den Hund aktiv im Hun­de­sport füh­ren, wollt ihr Aus­stel­lun­gen besu­chen oder denkt ihr viel­leicht sogar über eine Aus­bil­dung zum Assis­tenz­hund nach?« Das alles sind Fra­gen, die mich gegen­wär­tig beschäf­ti­gen. Und die mich zu die­ser oder jener Ent­schei­dung bewe­gen wer­den, wenn es Zeit dafür ist.

© Johannes Willwacher