Drei Wochen Schottland mit fünf Border Collies: Highlands und Lochs, Schlösser und Burgen, Inseln und Strände an der schottischen Westküste.

For the­re, among the flowers and grasses,
only the might­ier move­ment sounds and passes;
only winds and rivers, life and death.
Robert Lou­is Stevenson
(1850–1894)

Hinkommen

Wer mit Hund nach Schott­land reist, muss wäh­len. Neben den kur­zen Fähr­ver­bin­dun­gen, die die bri­ti­sche Insel mit Calais oder Dun­ker­que ver­bin­den, bie­tet sich auch die – mit einer Dau­er von 16 Stun­den – deut­lich län­ge­re Über­fahrt von Ams­ter­dam nach New­cast­le an. Letz­te­re hat zwar den Vor­teil, dass mit dem Auto nur noch eine Weg­stre­cke von vier bis fünf Stun­den bis in die High­lands zu fah­ren ist – in den Kabi­nen, die für Hun­de­be­sit­zer vor­ge­se­hen sind, sind aber maxi­mal zwei Hun­de erlaubt. Wer mit mehr Hun­den reist, dem bleibt also kaum etwas ande­res übrig, als die gut 1.000 Kilo­me­ter lan­ge Stre­cke quer durch das Ver­ei­nig­te König­reich mit dem Auto zu bewäl­ti­gen – und im bes­ten Fall eine Über­nach­tung ein­zu­pla­nen, damit es für Mensch und Hund nicht zu anstren­gend wird.

Vor der Ein­rei­se ist zu beach­ten, dass der Hund nicht nur eine gül­ti­ge Toll­wut­imp­fung besitzt, son­dern auch einer durch den Tier­arzt im Impf­aus­weis doku­men­tier­ten Band­wurm­be­hand­lung unter­zo­gen wor­den ist, die min­des­tens einen, höchs­tens fünf Tag zurück­lie­gen darf. Wer mit mehr als nur einem Hund rei­sen möch­te, soll­te dar­über hin­aus beach­ten, dass die Höchst­zahl der mit­rei­sen­den Hun­de auf fünf limi­tiert ist. Die Impf­päs­se und Chip­num­mern wer­den bei der Ein­rei­se kon­trol­liert – es ist also peni­bel auf die Ein­hal­tung der Vor­schrif­ten zu ach­ten, möch­te man nicht ris­kie­ren, abge­wie­sen zu wer­den oder den Hund – so wie in frü­he­ren Zei­ten – in Qua­ran­tä­ne zu schi­cken. Die aktu­el­len Ein­rei­se­be­stim­mun­gen sowie ein Doku­ment, mit dem schrift­lich erklärt wer­den muss, dass der Hund in Groß­bri­tan­ni­en nicht zum Ver­kauf ange­bo­ten wer­den soll, fin­den sich auf der Web­site der bri­ti­schen Regie­rung.

Sunday and Monday, 21st and 22nd May

Maida's Cottage in Ford, Lochgilphead
Maida’s Cot­ta­ge in Ford, Lochgilphead

Es ist kaum ver­wun­der­lich, dass es aus­ge­rech­net ein Schot­te war, der die Regen­ja­cke erfun­den hat. War­um der aus Glas­gow stam­men­de Che­mi­ker Charles Mac­in­tosh sich 1824 das Patent auf das – den Trä­ger gegen Wind und Wet­ter wapp­nen­de – Tex­til schüt­zen ließ, leuch­tet auch uns näm­lich schon am ers­ten Urlaubs­tag ein. Kaum, dass wir die schma­le, sich an den Ufern des Loch Lomond ent­lang win­den­de Stra­ße hin­ter uns gelas­sen haben, begrü­ßen uns die wol­ken­ver­han­ge­nen süd­li­chen High­lands schon mit dem ers­ten kräf­ti­gen Regen­guss. Wie Pis­to­len­schüs­se pras­seln die Trop­fen gegen die Wind­schutz­schei­be und las­sen selbst die Hun­de, die einen Groß­teil der bei­den ver­gan­ge­nen Tage schla­fend im Heck ver­bracht haben, auf­ge­regt ihre Nasen gegen die Schei­ben drü­cken. Bis wir gut eine Stun­de spä­ter in unse­rem Urlaubs­do­mi­zil ange­kom­men sind, das sich auf einer Anhö­he ober­halb des klei­nen, kaum mehr als ein­hun­dert Ein­woh­ner zäh­len­den Wei­lers Ford – unweit des Loch Awe – in der Coun­cil Area Argyll and Bute an der schot­ti­schen West­küs­te befin­det, hat es aber schon wie­der auf­ge­klart, und hin­ter dem Gat­ter, mit dem die geschot­ter­te Zufahrt ver­sperrt ist, erwar­ten uns drei Scha­fe, die sich erst durch das Gebell der Hun­de dazu bewe­gen las­sen, ihren Son­nen­platz auf­zu­ge­ben. 

Maida’s Cot­ta­ge ist eines von drei Feri­en­häu­sern, das zum Auch­i­nell­an Estate gehört. Nicht nur Scha­fe leben auf der Farm, die von Gil­li­an und ihrer Fami­lie seit 2019 bewirt­schaf­tet wird, auch Pfer­de und Rin­der las­sen sich auf den satt­grü­nen Wei­den erbli­cken, die sich von unse­rem Cot­ta­ge bis ins Tal erstre­cken. Dort fin­den sich in unmit­tel­ba­rer Nähe zum Wohn­haus der Fami­lie die bei­den ande­ren, grö­ße­ren Feri­en­häu­ser. Maida’s Cot­ta­ge, das nach der Vor­be­sit­ze­rin der Farm benannt wor­den ist, und gera­de groß genug scheint, um uns und den fünf Hun­den für drei Wochen ein Zuhau­se zu geben, liegt allei­ne. Hin­ter dem Haus, das von einem klei­nen Gar­ten umge­ben ist, der zu allen Sei­ten ein­ge­zäunt ist, erhebt sich der Dun Dubh – ein bei­na­he kugel­run­der Hügel, auf dem die Scha­fe in den Som­mer­mo­na­ten gra­sen –, von dem sich weit über die Land­schaft und die bei­den angren­zen­den Lochs – an den lang­ge­streck­ten Loch Awe schließt sich im Tal der klei­ne­re Loch Eder­line an – schau­en lässt. Weil uns allen die Anstren­gun­gen der Anrei­se noch in den Kno­chen ste­cken, die uns nach der Über­fahrt von Calais nach Dover fast 1.000 Kilo­me­ter durch das Ver­ei­nig­te König­reich geführt hat, ent­schei­den wir auch, uns am dar­auf­fol­gen­den Tag damit zu begnü­gen, die nähe­re Umge­bung zu erkun­den. Nach der Lamm­zeit im April wim­melt es auf den Wei­den nur so von Mut­ter­scha­fen mit ihren Läm­mern – ein Grund, war­um der Auf­stieg zum Dun Dubh für die fünf Hun­de gleich dop­pelt auf­re­gend wird.

Tuesday, 23rd May

Border Collie in den schottischen Highlands
Nell

Der Mor­gen beginnt trüb. Der Geruch von Regen hängt in der Luft. Weil es vor dem Haus noch zu frisch ist – und sich die schwär­men­den Mücken in den frü­hen Mor­gen­stun­den als beson­ders hart­nä­ckig erwei­sen –, sit­ze ich mit mei­nem Kaf­fee am Fens­ter und blät­te­re in einem mit­ge­brach­ten, eng bedruck­ten Band, der sich mit der Geschich­te Schott­lands beschäf­tigt. In der frü­hen Sied­lungs­ge­schich­te nimmt der Wes­ten eine Son­der­stel­lung ein, denn im Gegen­satz zu den übri­gen, zum Groß­teil von Pik­ten und Angeln besie­del­ten Gebie­ten, leb­te ent­lang der west­li­chen Küs­te und auf den vor­ge­la­ger­ten Inseln eine gälisch-stäm­mi­ge Bevöl­ke­rung, die der Über­lie­fe­rung nach aus Irland ein­ge­wan­dert war. Davon zeugt nicht nur der Land­schafts­na­me Argyll, der sich als gäli­sches Küs­ten­land über­set­zen lässt, son­dern auch die Spur von Sied­lun­gen und Bau­wer­ken, die ihren Ursprung im König­reich der Dál Ría­ta haben. Zwei davon – Dunol­lie Cast­le und Dun­staff­na­ge Cast­le, die von Mit­glie­dern des Clan Mac­Dou­gall im zwölf­ten oder drei­zehn­ten Jahr­hun­dert auf den Grund­mau­ern frü­he­rer Befes­ti­gungsan­lan­gen errich­tet wur­den – wol­len wir trotz des trü­ben Wet­ters heu­te besu­chen.  

Unser Weg führt uns dazu von Ford über Loch­gil­phead nach Oban – einem Küs­ten­städt­chen, das neben sei­nem Fähr­ha­fen vor allem für sei­ne 1794 gegrün­de­te Distil­lery bekannt ist. Dunol­lie Cast­le thront hoch über der Bucht auf einer grü­nen Anhö­he, der Fuß­weg zu der ver­fal­le­nen Rui­ne win­det sich durch einen weit­läu­fi­gen Park, der auch das 1745 erbau­te Dunol­lie House pas­siert, in dem heu­te ein Muse­um unter­ge­bracht ist. Weil die Hun­de im Auto war­ten, ver­zich­ten wir dar­auf, an der Füh­rung teil­zu­neh­men, die im Ein­tritts­preis von 9£ ent­hal­ten ist, und begnü­gen uns damit, den wei­ten Blick zu genie­ßen, der sich von dem – neben eini­gen Wehr­mau­ern – noch erhal­te­nen Wohn­turm bie­tet. »Biss­chen wenig Cast­le«, meint Dirk, als wir schliess­lich zurück zum Park­platz lau­fen, wird im nur vier Mei­len ent­fern­ten, an der Mün­dung des Loch Eti­ve in den Firth of Lor­ne gele­ge­nen Dun­beg aber gleich dafür ent­schä­digt. Dun­staff­na­ge Cast­le sieht aus, wie eine Rit­ter­burg. Oder bes­ser: so, wie ein Kind eine Rit­ter­burg malen wür­de. Trut­zi­ge Mau­ern, hohe Zin­nen – und ein Schloss­ge­spenst, das in den sich win­den­den Trep­pen­häu­sern spu­ken soll. Ein Grund mehr viel­leicht, war­um wir das alte Gemäu­er gleich mit zwei Vor­schul­klas­sen besu­chen, und das Trip­peln und Trap­peln von Kin­der­fü­ßen in Gum­mi­stie­feln die alten Holz­bö­den im Tor­haus zum Beben bringt. 

Dass auch wir mit Gum­mi­stie­feln gar nicht falsch gele­gen hät­ten, bemer­ken wir, als wir nach fast ein­stün­di­ger Fahrt am Nord­ufer des Loch Eti­ve ankom­men. Von der Stra­ße, die durch das Glen Coe ver­läuft, zweigt in süd­west­li­cher Rich­tung eine Sin­gle Track Road ab – ein schma­les Sträß­chen mit nur einem Fahr­strei­fen, das hier und da mit Hal­te­buch­ten auf­war­tet, um den ent­ge­gen­kom­men­den Ver­kehr pas­sie­ren zu las­sen –, zu bei­den Sei­ten erhe­ben sich hohe Ber­ge, deren Gip­fel in den regen­schwe­ren Wol­ken hän­gen. Wäh­rend James Bond die­sel­be Stra­ße in Sky­fall pas­siert hat, um zum Haus sei­ner Kind­heit zu gelan­gen, ist das Nord­ufer des Loch Eti­ve vor allem aus den Ver­fil­mun­gen der Har­ry Pot­ter-Rei­he bekannt. Auf Har­ry, Ron und Her­mi­ne tref­fen wir mit unse­ren Hun­den dort aller­dings nicht. Dafür aber ste­hen wir vor der kniff­li­gen Auf­ga­be, in den – zwar wet­ter­fes­ten, aber nicht was­ser­dich­ten – Wan­der­schu­hen tro­cke­nen Fußes über zahl­rei­chen Fluss­ar­me zu gelan­gen, die in den See mün­den. Und weil sich auch auf den Wie­sen dazwi­schen ein Was­ser­loch an das nächs­te reiht, bewe­gen wir uns auf der kur­zen Wan­de­rung mehr hüp­fend als lau­fend vor­wärts. Den fünf Hun­den ist das gleich. Wohl auch, weil es in jedem Was­ser­loch nur so von Kreb­sen wim­melt, und dem ein­la­den­den Duft von Morast und Meer kaum ein Vier­bei­ner wider­ste­hen kann.

Wednesday, 24th May

Border Collie in den schottischen Highlands
Kar­ma und Halo

Kaum, dass sich die Ram­pen der Auto­fäh­re in Colin­trai­ve geschlos­sen haben, öff­nen sie sich auch schon wie­der: durch die Meer­enge, die die im Firth of Cly­de gele­ge­ne Insel Bute vom schot­ti­schen Fest­land trennt, wur­den in frü­he­ren Zei­ten auch Kühe getrie­ben. Von Letz­te­ren sehen wir so eini­ge, wäh­rend wir zu der an der Süd­spit­ze der Insel gele­ge­nen St Blane’s Cha­pel fah­ren. Men­schen dafür nur sehr weni­ge – was dar­an lie­gen mag, dass die knapp zwan­zig Kilo­me­ter lan­ge Insel kaum mehr, als 6.500 Ein­woh­ner zählt. Auch, als wir den Hügel erklom­men haben, auf dem sich die Rui­nen der im zwölf­ten Jahr­hun­dert erbau­ten Kapel­le befin­den, sind wir allei­ne. Nur die ver­wit­ter­ten Grab­stei­ne auf dem klei­nen, nach Geschlech­tern getrenn­ten Fried­hof leis­ten uns Gesell­schaft. 

In Kilch­at­tan Bay ange­kom­men, geht es zu Fuß wei­ter. Der West Island Way ist einer von weni­gen aus­ge­wie­se­nen Wan­der­we­gen auf den schot­ti­schen Inseln, und führt mit einer Gesamt­län­ge von etwa 50 Kilo­me­tern ein­mal um die Insel her­um. Wir haben uns mit den Hun­den nur die ers­te Etap­pe vor­ge­nom­men, die ihren End­punkt am Leucht­turm in der ein­sam gele­ge­nen Glen Callum Bay fin­det, und mit einer Geh­zeit von gut zwei Stun­den auch für die Ältes­te in unse­rem Rudel noch zu bewäl­ti­gen ist. Über stei­ni­gen Unter­grund win­det sich der Pfad immer an der Küs­te ent­lang, an den weni­gen grasbe­wach­se­nen Hän­gen wei­den Scha­fe. Nell, die bei den täg­li­chen Spa­zier­gän­gen sonst weit hin­ter den ande­ren zurück­bleibt, lässt bei­na­he ver­ges­sen, dass sie in der kom­men­den Woche bereits ihren vier­zehn­ten Geburts­tag fei­ert, und stürzt sich – in der stei­ni­gen Bucht am Leucht­turm ange­kom­men – gut gelaunt in die Flu­ten. Die übri­gen Hun­de tun es ihr gleich, und wir genie­ßen die Aus­sicht über das Meer – hin zu den Ber­gen der Isle of Arran, über der die dich­te Wol­ken­de­cke schon auf­ge­ris­sen ist.

»Mount Stuart House clo­ses at 4 pm«, heißt es es schließ­lich, als wir am frü­hen Nach­mit­tag bei dem neo­go­ti­schen Her­ren­haus aus rotem Sand­stein ankom­men, das als eines der schöns­ten in ganz Schott­land gilt, »but you can nevert­hel­ess enjoy the gar­dens«. Wäh­rend es uns also ver­sagt bleibt, die eklek­ti­schen Aus­bau­ten im Inne­ren zu bewun­dern – John Crich­ton-Stuart (1847–1900), der 3. Mar­quess of Bute, war ein Mann mit viel­sei­ti­gen Inter­es­sen –, tun wir, wie uns gehei­ßen. Die Gär­ten sind weit­läu­fig, der Rasen gepflegt. Und weil der Him­mel auch hier end­lich so blau ist, wie die schot­ti­sche Flag­ge, die hoch über dem Anwe­sen weht, sind wir auch damit ganz zufrie­den.   

Thursday, 25th May

Wanderung um den Buachaille Etive Beag
Wan­de­rung um den Buachail­le Eti­ve Beag

Wer Urlaub mit Hund macht, steht oft schon bei der Pla­nung vor beson­de­ren Her­aus­for­de­run­gen. Das nicht nur, weil die Suche nach einer geeig­ne­ten, hun­de­freund­li­chen Unter­kunft ger­ne etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt, son­dern auch, weil alle Akti­vi­tä­ten auf das Alter, Tem­pe­ra­ment und Leis­tungs­ni­veau des Hun­des abge­stimmt wer­den wol­len. Nach­dem wir unser Feri­en­haus im ver­gan­ge­nen Herbst eher zufäl­lig ent­deckt und kurz­ent­schlos­sen gebucht hat­ten, waren vie­le Wochen Zeit, um Rei­se­füh­rer zu wäl­zen und Tages­tou­ren aus­zu­ar­bei­ten. Immer wie­der stell­te sich uns dabei aber die Fra­ge, wie viel einer vier­zehn­jäh­ri­gen Hün­din noch zuge­mu­tet wer­den kann, und ob es nicht grund­sätz­lich bes­ser wäre, Nell für die drei Wochen ander­wei­tig unter­zu­brin­gen. »Die kommt mit«, ent­schie­den wir schließ­lich, »wenn es gar nicht anders geht, wer­den vor Ort eben nur kur­ze Spa­zier­gän­ge unternommen«.

Dass die knapp fünf­stün­di­ge Tour, die wir uns für die­sen Tag im Glen Coe vor­ge­nom­men haben, kein kur­zer Spa­zier­gang wer­den wird, ver­rät schon ein Blick auf die Wan­der­kar­te, die wir am Aus­gangs­punkt der Wan­de­rung mit Blick auf den Buachail­le Eti­ve Beag aus­pa­cken, der süd­lich an die Three Sis­ters grenzt, und in den fol­gen­den Stun­den ein­mal umrun­det wer­den will. Auf hal­ber Stre­cke erwar­tet uns ein stei­ler Absteig. Die 500 Höhen­me­ter, die dabei zu bewäl­ti­gen sind, wol­len beim Auf­stieg zum Pass des Lai­rig Eil­de auf der rück­wär­ti­gen Berg­sei­te bei­na­he unmit­tel­bar wie­der erklom­men wer­den. Wir schau­en uns an – »Wenn es gar nicht anders geht …« –, lei­nen die Hun­de an und schla­gen den Weg ins Lai­rig Gar­tain ein. Schnell haben wir die unzäh­li­gen Aus­flüg­ler hin­ter uns gelas­sen, die sich damit begnü­gen, die wil­de Land­schaft am ers­ten Aus­sichts­punkt mit dem Smart­phone ein­zu­fan­gen. Danach kreu­zen nur noch sehr weni­ge Wan­de­rer den Weg, der sich in einem ste­ten Auf und Ab an einem glas­kla­ren Gebirgs­bach ent­lang zieht. Zahl­lo­se Was­ser­be­cken locken gera­de die bei­den Jüngs­ten in unse­rem Rudel dort immer wie­der die Hän­ge hin­un­ter – und oft­mals scheint sogar die Ältes­te zu über­le­gen, es den bei­den gleich zu tun. Statt­des­sen gibt sie sich aber damit zufrie­den, den Durst in dut­zen­den klei­nen Bächen zu stil­len, die sich von Tritt­stei­nen gesäumt in die Berg­flan­ke schnei­den – und setzt gut gelaunt ein Bein vor das ande­re. 

Nach zwei Stun­den kom­men wir am Pass an. Vor uns öff­net sich der Blick ins Tal, der Loch Eti­ve ist am Fuß der lang­ge­zo­ge­nen Berg­ket­te gera­de noch zu erken­nen. Steil steigt der Pfad nun in die Schlucht hin­ab. Weil wir bereits ahnen, wel­che Anstren­gun­gen uns der Rück­weg noch abver­lan­gen wird, ras­ten wir am Süd­hang des Stob Dubh, der in unse­rem Rücken auf­ragt, und genie­ßen die Aus­sicht. »Wit­hout the shepherd’s dog, the who­le of the open moun­tai­nous land in Scot­land would not be worth a six-pence«, kommt mir dabei James Hogg (1770–1835) – the Ettrick She­p­herd – in den Sinn. Was gleich­zei­tig vor­weg­nimmt, dass die drei Stun­den, die bis zum Aus­gangs­punkt der Wan­de­rung noch bewäl­tigt wer­den wol­len, uns deut­lich mehr anstren­gen, als jeden der fünf Bor­der Col­lies. »Zu har­ter, aus­dau­ern­der Arbeit fähig«, heißt es im Ras­se­stan­dard. »Bis ins hohe Alter«, möch­te ich ger­ne ergänzen.

Friday and Saturday, 26th and 27th May

Neist Point Lighthouse auf der Isle of Skye
Neist Point Light­house auf der Isle of Skye

Wer meint, dass nur das unbe­stän­di­ge, schot­ti­sche Wet­ter dazu taugt, die eige­ne Geduld her­aus­zu­for­dern, liegt falsch. Tat­säch­lich stellt der Stra­ßen­ver­kehr in Schott­land eine noch grö­ße­re Her­aus­for­de­rung dar. Was auf der Land­kar­te nach einem Kat­zen­sprung aus­sieht, braucht durch die gewun­de­ne Stre­cken­füh­rung min­des­tens dop­pelt so lang. Und weil selbst die grö­ße­ren Stra­ßen im bes­ten Fall unse­ren deut­schen Land­stra­ßen ent­spre­chen, tut man gut dar­an, ein wenig mehr Zeit ein­zu­pla­nen. 

Das wird auch uns wie­der ein­mal bewusst, als wir uns am Frei­tag­mit­tag auf den Weg zur Isle of Skye machen, die wir mit den Hun­den über das Wochen­en­de erkun­den wol­len. Weil die Fahrt­zeit für die knapp 250 Kilo­me­ter selbst bei guten Bedin­gun­gen fast fünf Stun­den beträgt, und die größ­te Insel der Inne­ren Hebri­den mit zu vie­len Natur­schön­hei­ten auf­war­tet, um alle an nur einem Tag abklap­pern zu kön­nen, haben wir für unse­ren Auf­ent­halt vor­aus­schau­end ein wei­te­res Feri­en­haus gebucht, das sich etwa zwei Mei­len süd­lich von Dun­ve­gan fin­det – dem Stamm­sitz des Clan McLeod. Wir packen also das Nötigs­te für die kom­men­den Tage ein und fol­gen der Stra­ße nach Nor­den. Von Oban nach Fort Wil­liam, vor­bei am noch schnee­be­deck­ten Ben Nevis und durch das men­schen­lee­re Glen Shiel. Am Loch Duich, der sich gleich dar­an anschließt, legen wir eine kur­ze Pau­se am Eilean Donan Cast­le ein – vie­len wohl als Heim­statt des unsterb­li­chen Con­nor McLeod aus dem Film High­lan­der (1986) bekannt –, bevor es über die Skye Bridge wei­ter auf die Insel geht. Nach einer guten Stun­de haben wir die 80 Kilo­me­ter lan­ge Insel bei­na­he zur Hälf­te umrun­det und kom­men – fast ein­ein­halb Stun­den spä­ter als gedacht – am Blos­som Cot­ta­ge an. Regen zieht auf, die Wol­ken hän­gen tief: »Las­sen wir es genug für heu­te sein«.

Der Regen, der in den Mor­gen­stun­den ein­setzt, lässt erst am spä­ten Nach­mit­tag nach. Statt die geplan­te Wan­de­rung durch den Qui­raing in Angriff zu neh­men – einen Land­strich auf der Halb­in­sel Trot­ter­nish, der sich durch bizar­re Fels­for­ma­tio­nen aus­zeich­net, die durch gewal­ti­ge Erd­rut­sche ent­stan­den sind –, ver­brin­gen wir also noch eini­ge unfrei­wil­li­ge Stun­den mehr im Feri­en­haus. Einen Spa­zier­gang zum Leucht­turm von Neist Point, der auf einer von stei­len Klip­pen gesäum­ten Land­zun­ge am west­li­chen Ende der Isle of Skye thront, und zum Coral Beach – einem der weni­gen wei­ßen Strän­de der Insel – schaf­fen wir bis zum frü­hen Abend aber doch noch.


© Johannes Willwacher