Sieben Border Collie Welpen, sieben unterschiedliche Charaktere: über Stärken und Schwächen – und weitere große und kleine Talente.
I Gotta Go I Wanna Blow I Gotta Go
Count Basie (1938)
Es beginnt am Klavier, mit einem Ostinato im schnellen Zweiertakt. Die hohen Becken und der Bass folgen, dann setzen die Saxophone ein. Die Bläserakkorde sind kurz und akzentuiert – beinahe abgehackt –, und leiten zum achttaktigen Solo des Altsaxophons über. Wieder schließt sich daran das Stakkato der Bläsergruppe an, die das Solo diesmal aber an das Klavier übergibt. Unterstützend steigt die Gitarre ein, bevor die Trompete schließlich das schon eingeführte Riff übernimmt. Darauf folgt wieder das Saxophon, dessen Improvisation diesmal von Einwürfen der Posaunen begleitet wird. Die letzten Takte werden von der Klarinette dominiert, die Posaunen knurren dazu – und während die Band immer ausgelassener swingt, kommt das Stück ganz unvermittelt zum Ende.
Als Count Basie 1938 »Jumping at the Woodside« aufnimmt, besteht sein Orchester aus vierzehn Musikern. Er selbst sitzt am Klavier. Vier Trompeter, zwei Posaunisten, vier Saxophonisten und jeweils ein Gitarrist, Bassist und Schlagzeuger komplettieren die Band. Von der Urbesetzung sind neben Basie zum Zeitpunkt der Aufnahme bloß vier Musiker verblieben – Jack Washington und Lester Young an den Saxophonen, Walter Page am Bass und Joe Jones am Schlagzeug –, und auch Young wird die Band kaum zwei Jahre später wutentbrannt verlassen, weil er sich vom Bandleader nicht nötigen lassen will, an einem Freitag dem 13. aufzutreten.
Dem Song, der am 19. August 1938 in den New Yorker Decca Studios aufgenommen wird, hört man davon aber natürlich nichts an. Ganz im Gegenteil, ergibt sich aus den beständig wechselnden Soli und den immer wieder neu arrangierten Riffs ein überzeugendes Ganzes. Die Riffs mögen während der wochenlangen Proben im Keller des Harlemer Woodside Hotel zwar auswendig gelernt worden sein, dem Song fehlt es dadurch aber dennoch nicht an Spontanität: Musiker, die aufeinander eingespielt sind, spielen sich auch viel leichter frei.
Das darf vielleicht auch für unsere siebenköpfige Band in ihrer siebten Lebenswoche gelten. Nicht nur, weil das unbeholfene Geklimper der ersten Gehversuche mit den Wochen immer sicherer geworden ist, sondern auch, weil sich die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen immer deutlicher haben ablesen lassen. Damit jeder sein Instrument überzeugend zu spielen versteht – und auch nach der Zeit in der Band als Solist überzeugen kann –, ist insbesondere in den letzten Wochen der Welpenaufzucht ein aufmerksamer Bandleader gefragt: bei einem Welpen, der mit Vorliebe zu laut spielt, muss durch die Züchterin oder den Züchter genauso eingegriffen werden, wie bei einem Welpen, der sein Instrument bloß schüchtern festhält und so tut, als würde er spielen. Aber wie gelingt das?
Die Spaziergänge, die mit jedem einzelnen Welpen im Garten unternommen werden, sind genauso wie die Ausflüge in die nähere Umgebung nicht nur schön, sondern auch zweckmäßig. Die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen lassen sich nämlich viel deutlicher beobachten, wenn er sich abseits der Geschwister und außerhalb der gewohnten Umgebung bewegt. Zeigt er sich selbstbewusst oder ängstlich? Folgt er dem Menschen aufmerksam nach oder bloß seinen eigenen Interessen? Reagiert er auf Zuruf? Lässt er sich leicht zum gemeinsamen Spiel motivieren? Ist er fokussiert und verständig, wenn er mit neuen Aufgaben konfrontiert wird? Muss sein Selbstbewusstsein ausgebremst oder weiter aufgebaut werden?
Kaum mehr, als sieben Tage bleiben noch, bis die kleine Band sich auflösen wird. Am kommenden Wochenende schon werden die ersten Welpen unsere Zuchtstätte verlassen. Der gemeinsame Ausflug auf den Hundeplatz ist deshalb für alle ein letztes, lehrreiches Abenteuer, bevor es in der achten Lebenswoche daran geht, die Koffer zu packen. Nicht wutentbrannt, so wie Lester Young. Nein, mit unbändiger Lust aufs Leben.
© Johannes Willwacher