Gefälschte Profile und gestohlene Fotos: warum auch Hundeliebhaber in den sozialen Netzwerken davon betroffen sind – und was sie dagegen tun können.

Glau­be nicht alles, was du im Inter­net siehst.
Gali­leo Gali­lei (1564–1642)

Auf Face­book nennt sie sich Lynn Buck­le. Dass sie dort eine Bor­der Col­lie-Grup­pe admi­nis­triert, der mehr als sieb­zehn­tau­send Men­schen ange­hö­ren, stellt nie­mand in Fra­ge. Viel­leicht, weil die Frau, die auf ihrem Pro­fil­bild zu sehen ist, über­schwäng­lich einen Bor­der Col­lie herzt. Oder weil sie in ihrer Bio­gra­fie angibt, ein Tier­heim in der Mar­ket Street von San Fran­cis­co zu betrei­ben. Jeden Tag pos­tet sie in der Grup­pe dut­zen­de Bil­der, und jeden Tag wer­den die­sel­ben von den Grup­pen­mit­glie­dern hun­dert­fach gelik­ed und min­des­tens genau­so oft geteilt. So jemand muss doch ein­fach echt sein. So jemand macht das doch alles nur, weil die Lie­be zum Ras­se­hund genau­so groß ist, wie bei einem selbst. 

Stolen Memories: Fakeprofile und gestohlene Fotos in den sozialen Netzwerken

Dass bei­na­he jedes Bild mit der glei­chen Über­schrift ver­se­hen ist, stellt also auch nie­mand in Fra­ge. »Per­fect shoot« schreibt sie, gefolgt von zwei Her­zen. Die weni­gen Bil­der, die sie mit mehr Wor­ten bedenkt, zei­gen T-Shirts und Tas­sen, Anhän­ger und Auf­kle­ber – alle­samt mit dem Kon­ter­fei eines Bor­der Col­lies ver­ziert. »I got it from here«, lässt sie alle Neu­gie­ri­gen bereit­wil­lig wis­sen. Der Link zum Online­shop wird auch gleich ser­viert. Dass der­sel­be sich eben­falls in der Mar­ket Street von San Fran­cis­co befin­det – so wie eine gan­ze Rei­he wei­te­rer Drop­ship­ping-Unter­neh­men –, könn­te ein Zufall sein. Ist es aber nicht. Aber auch das wird von den wenigs­ten Mit­glie­dern in Fra­ge gestellt.

Neben der Grup­pe von Lynn Buck­le gibt es noch wei­te­re, die sich eben­falls dem Bor­der Col­lie wid­men. Die Admi­nis­tra­to­ren dort mögen ande­re sein, mit ande­ren Namen und ande­ren Bio­gra­fien. Mit Lynn Buck­le haben aber auch Han­na Mer­cy, Dian­ne Mor­ris, Nor­ma Bak­er oder Lx Mari­ya etwas gemein­sam: Kei­ne davon gibt es wirk­lich – und alle Bil­der, die sie Tag für Tag pos­ten, wur­den in den sozia­len Netz­wer­ken von ande­ren Kon­ten geklaut. 

Stolen Memories: Fakeprofile und gestohlene Fotos in den sozialen Netzwerken

Wer sich tat­säch­lich hin­ter die­sen und ähn­li­chen Fake­pro­fi­len ver­birgt, lässt sich nur mut­ma­ßen. Wahr­schein­lich ist, dass die Urhe­ber auch hier in den Betrugs­fa­bri­ken zu fin­den sind, die von chi­ne­si­schen Gangs in Laos, Myan­mar und Kam­bo­dscha betrie­ben wer­den – soge­nann­ten Fraud Fac­to­ries. Über Mit­tels­män­ner wer­den dabei Men­schen aus Chi­na, Ban­gla­desch oder Indi­en ange­wor­ben. Das hohe Ein­kom­men, das den Arbeit­su­chen­den in Aus­sicht gestellt wird, ent­puppt sich aber als lee­res Ver­spre­chen. Statt­des­sen wer­den ihnen durch die Betrei­ber das Han­dy und der Pass abge­nom­men – und weil man­geln­der Arbeits­leis­tung mit Miss­hand­lung und Miss­brauch begeg­net wird, bleibt ihnen nichts ande­res übrig, als sich in das Sys­tem zu fügen. Das bedeu­tet, Fake­pro­fi­le auf Twit­ter, Face­book und Insta­gram anzu­le­gen, und Men­schen aus dem wohl­ha­ben­den Wes­ten zu ködern. Ent­we­der, um ihre Daten abzu­grei­fen oder um sie finan­zi­ell aus­zu­neh­men. Pig But­che­ring nennt sich das. Über­setzt: Schweineschlachten.

Stolen Memories: Fakeprofile und gestohlene Fotos in den sozialen Netzwerken

Hun­de­lieb­ha­ber kön­nen davon in mehr­fa­cher Hin­sicht betrof­fen sein. Am schmerz­haf­tes­ten, viel­leicht, indem sie auf die betrü­ge­ri­schen Ange­bo­te in den Grup­pen her­ein­fal­len und Pro­duk­te bestel­len, die sie nie­mals erhal­ten wer­den. Doch auch die Bil­der, die von frem­den Kon­ten gestoh­len wer­den, um Auf­merk­sam­keit und Reich­wei­te zu gene­rie­ren, blei­ben für die Rech­te­inha­ber ein Ärger­nis. Nicht zuletzt, weil Urhe­ber­rechts­ver­let­zun­gen durch die Online­diens­te nur unzu­rei­chend ver­folgt wer­den, und es Nut­ze­rin­nen und Nut­zern unnö­tig schwer gemacht wird, auf etwa­ige Ver­stö­ße hin­zu­wei­sen. 

Meta hält zwar die Mög­lich­keit vor, rechts­wid­ri­ge Inhal­te zu mel­den, ver­langt zur Mel­dung geis­ti­ger Eigen­tums­rech­te jedoch das Aus­fül­len eines kom­pli­zier­ten For­mu­lars, vor dem nicht weni­ge zurück­schre­cken. Gelingt es den­noch, einen Ver­stoß erfolg­reich zu mel­den, sehen sich Nut­ze­rin­nen und Nut­zer aber oft­mals damit kon­fron­tiert, dass Meta den Fake­pro­fi­len selbst nichts ent­ge­gen­zu­set­zen weiß, und es des­halb nur eine Fra­ge der Zeit ist, bis das geklau­te Bild an ande­rer Stel­le erneut erscheint. In den Gemein­schafts­stan­dards des Online­netz­werks wird zwar dar­über infor­miert, dass mehr­ma­li­ge Ver­stö­ße zur Sper­rung und Löschung eines Pro­fils füh­ren kön­nen, umge­setzt wird das aber meis­tens nicht. Die­ser Man­gel an effek­ti­ven Maß­nah­men zur Bekämp­fung von Urhe­ber­rechts­ver­let­zun­gen ver­stärkt das Gefühl der Ohn­macht und Frus­tra­ti­on bei den Rech­te­inha­bern, wäh­rend Betrü­ger wie Lynn Buck­le wei­ter­hin unge­stört agie­ren können.

Stolen Memories: Fakeprofile und gestohlene Fotos in den sozialen Netzwerken

Freund­schafts­an­fra­gen und Fol­lower soll­ten des­halb immer sorg­sam geprüft und ver­däch­ti­ge Akti­vi­tä­ten kon­se­quent gemel­det wer­den. Nicht bloß im eige­nen Inter­es­se, son­dern auch, um die Inte­gri­tät des Online-Raums zu wah­ren. Das mag Zeit kos­ten und sinn­los erschei­nen, bleibt aber die ein­zi­ge Mög­lich­keit, um das Netz­werk als Raum für einen offe­nen Aus­tausch zu erhal­ten. 

Laut offi­zi­el­len Anga­ben ist Face­book im vier­ten Quar­tal 2023 gegen 691 Mil­lio­nen Fake­pro­fi­le vor­ge­gan­gen. Lynn Buck­le und die ande­ren aber sind immer noch da. 

Auch wir sind davon immer wie­der betrof­fen – und ver­brin­gen wöchent­lich vie­le Stun­den damit, Urhe­ber­rechts­ver­stö­ße an Face­book und Insta­gram zu mel­den. Im Bei­trag sehen Sie die zehn am häu­figs­ten gestoh­le­nen – und unrecht­mä­ßig von Drit­ten gepos­te­ten – Fotos.

© Johannes Willwacher