Ein Gefühl, als hätte das Leben all seine Farben veloren: zur Erinnerung an Edda, die uns heute – ganz plötzlich und unerwartet – für immer verlassen hat.

»In no time you will feel almost fine«, singt Tori Amos und die Büh­nen­schein­wer­fer flam­men auf, tau­chen den Zuschau­er­raum des Opern­hau­ses in alle Far­ben des Son­nen­un­ter­gangs. Ich sit­ze auf dem Rang, gleich hin­ter der Balus­tra­de, und obwohl mir der Blick in die Tie­fe eigent­lich Angst machen müss­te, spü­re ich in die­sem Moment kei­ne – spü­re zum ers­ten Mal seit einer gefühl­ten Ewig­keit nur mich selbst. Das mag an der hal­ben Vali­um lie­gen, die ich zwei Stun­den zuvor ein­ge­nom­men habe, um mich über­haupt aus der Tür der Dach­ge­schoss­woh­nung im Wies­ba­de­ner West­end wagen zu kön­nen. Das mag aber auch an die­sen Zei­len lie­gen, die über zwei­tau­send Köp­fe hin­weg, durch vier­tau­send Ohren hin­durch klin­gen: »Nimm’ den Kopf hoch, setz’ eine rosa­ro­te Bril­le auf, und im Hand­um­dre­hen wirst du dich fast gut, fast rosig füh­len«. Es ist ein war­mer Juni­abend. Im Jahr 2007.

Als fünf Jah­re dar­auf unse­re ers­ten Wel­pen gebo­ren wer­den, erin­ne­re ich mich an die­ses Gefühl. Ich erin­ne­re mich, dass es manch­mal kaum mehr als zwei Tak­te Musik braucht, um die Din­ge in einem ande­ren Licht sehen, sich selbst vom Boden auf­raf­fen und wei­ter­ma­chen zu kön­nen. Dass sich alles wie­der gut und rosig anfüh­len kann, wenn man es nur zulässt, und dass das Leben trotz all sei­ner Her­aus­for­de­run­gen vol­ler Hoff­nung und Schön­heit ist. Einen der Wel­pen – eine braun-wei­ße Hün­din – benen­ne ich des­halb nach die­sem Lied.

Edda hat nie­man­dem eine Wahl gelas­sen. Nie. Sie hat jeden dazu gezwun­gen wie­der auf­zu­ste­hen und das Leben zu umar­men, ganz egal, wie schwer der Tag war oder wie tief der Schmerz saß. Viel­leicht fühlt es sich heu­te auch des­halb so an, als hät­te das Leben all sei­ne Far­ben ver­lo­ren – weil wir mit Edda heu­te nicht nur einen Hund ver­lo­ren haben. Sie war Trost und Ansporn, sie war Freu­de und Her­aus­for­de­rung. Sie war ein Ver­spre­chen. Sie war nie­mals gleich­gül­tig. Sie war immer da.

Wir sind unend­lich traurig.

Welpe mit Stofftier
13|11|2012 – 02|06|2024

© Johannes Willwacher