Border Collie am Strand
Lou (Broad­me­a­dows A-Punk) im Sardinien-Urlaub

Wie fühlt es sich an, bei sommerlichen Temperaturen in einem überhitzten Auto eingesperrt zu sein? Ein Selbstversuch, der niemandem anzuraten ist.

Kaum zehn Minu­ten sind ver­gan­gen, seit­dem ich die Bei­fah­rer­tür hin­ter mir geschlos­sen und das digi­ta­le Ther­mo­me­ter auf dem Arma­tu­ren­brett vor mir abge­stellt habe. Zehn Minu­ten, in denen die Tem­pe­ra­tur im Innen­raum des dun­kel­grau­en Volks­wa­gens, der auf dem son­nen­be­schie­ne­nen Geh­weg vor dem Gar­ten­zaun parkt, um mehr als zehn Grad ange­stie­gen ist. Wäh­rend die Außen­tem­pe­ra­tur an die­sem Mon­tag­mor­gen bei mil­den 22 Grad liegt und der Wind, der frisch vom Wald her­über weht, für zusätz­li­che Abküh­lung sorgt, misst das Ther­mo­me­ter im unbe­lüf­te­ten Inne­ren des Fahr­zeugs bereits 36 Grad. Mir kommt es aber jetzt schon viel hei­ßer vor.

Ange­strengt wische ich mir den Schweiß von der Stirn. Auch das T-Shirt, das ich tra­ge, ist längst durch­ge­schwitzt. Die Luft, die ich mir mit der fla­chen Hand zufäch­le, ist warm und schwer, bringt kaum noch Abküh­lung, und auch beim Atmen mer­ke ich, das mir die Hit­ze immer grö­ße­re Anstren­gung abver­langt. Das sol­len tat­säch­lich erst zehn Minu­ten gewe­sen sein? Ich über­le­ge kurz den Selbst­ver­such abzu­bre­chen, gebe dann aber doch dem Gedan­ken den Vor­zug, dass ein so kur­zer Zeit­raum kaum aus­reicht, um nach­emp­fin­den zu kön­nen, was man­cher Hund in einem über­hitz­ten Auto durch­lei­den muss. Für ein paar schnel­le Besor­gun­gen, für die noch immer vie­le Vier­bei­ner gedan­ken­los im Fahr­zeug zurück­ge­las­sen wer­den, sind zehn Minu­ten näm­lich äußerst knapp bemes­sen: vom Betre­ten des Super­markts bis zum Bezah­len sind selbst bei einem klei­nen Ein­kauf – ganz gleich zu wel­cher Tages­zeit – nicht sel­ten zwan­zig Minu­ten und mehr ver­gan­gen. Der Gedan­ke an wei­te­re zehn Minu­ten wür­de mich schlu­cken las­sen, wenn ich es noch könn­te – aber auch das fällt mir mitt­ler­wei­le schwer.

Nach zwan­zig Minu­ten hat das Ther­mo­me­ter die 40 Grad-Mar­ke längst über­schrit­ten – damit ist auch mei­ne per­sön­li­che Schmerz­gren­ze erreicht: mein Gesicht und mei­ne Ohren glü­hen, den Herz­schlag spü­re ich dumpf bis unter die Schä­del­de­cke – und als ich mich vor­beu­ge um nach dem Tür­öff­ner zu grei­fen, löst allein die­se lang­sa­me Bewe­gung einen Dreh­schwin­del aus. »Wie qual­voll müs­sen sich zwan­zig Minu­ten dann erst für einen Hund aus­neh­men«, den­ke ich, als ich mich schließ­lich aus dem unbe­lüf­te­ten Fahr­zeug befreit und auf den Geh­weg gesetzt habe, »ein Hund hat der Hit­ze noch viel weni­ger ent­ge­gen­zu­set­zen, für einen Hund stellt ein Hitz­schlag eine noch grö­ße­re Gefahr dar, als für mich – ein Hund kann nicht ein­fach ent­schei­den, dass das Expe­ri­ment zu gefähr­lich und bei­zei­ten been­det ist«. Trotz­dem pas­siert es immer wie­der – trotz­dem wer­den täg­lich Hun­de für einen schnel­len Ein­kauf, eine Ver­ab­re­dung oder einen kur­zen Besuch im Fit­ness­stu­dio im Auto zurück­ge­las­sen, trotz­dem tötet Nach­läs­sig­keit tau­sen­de Hun­de in jedem Jahr.

Ich zie­he mich lang­sam am Gar­ten­zaun hoch, den­ke zuerst an ein gro­ßes Glas Was­ser, dann an den Hin­weis, der auf bei­na­he jedem Cof­fee to go zu lesen ist: »Vor­sicht heiß!« Oft genug habe ich dar­über gelacht, oft genug habe ich gedacht, dass es der gesun­de Men­schen­ver­stand eigent­lich über­flüs­sig machen soll­te, ein Heiß­ge­tränk mit einem sol­chen Hin­weis zu beschrif­ten – weil so blöd doch nie­mand ist. Möch­te man mei­nen! Viel­leicht soll­te man einen ähn­li­chen Hin­weis aber per Gesetz auch auf allen Fahr­zeu­gen anbrin­gen las­sen. Irgend­et­was, das mit Hit­ze, Mord und Tier­quä­le­rei zu tun hat. Für die ganz Dum­men – von denen es lei­der noch immer viel zu vie­le gibt.

© Johannes Willwacher