Wie man Border Collie Züchter wird? Am besten mit der richtigen Hündin: ein Besuch bei Nicole, Wenzel und Enya – und deren Welpen.
I’m free to be the greatest, I’m alive.
The Greatest, Sia (2016)
Es gibt Welpenanfragen, die vergisst man nicht. Eine von denen, an die ich mich auch heute noch gut erinnern kann, ist die von Familie Bürger aus Worms. »Ich suche eine Border Collie Hündin für meine Frau«, hieß es da. Die besagte Frau sollte ich bei diesem ersten Gespräch zwar nur aus dem Hintergrund hören – und bloß, um ihren Ehemann in dieser oder jener Aussage zu verbessern –, ich erfuhr aber auch, dass neben den drei halbwüchsigen Söhnen bereits ein Border Collie zu der Patchworkfamilie gehörte, und dass man die Erfahrungen, die man im Hundesport gesammelt hatte, gerne um Ausstellungen und Zucht erweitern wollte. »Eine Zuchthündin, also«, höre ich mich rückblickend sagen – und stelle im Hier und Jetzt zufrieden fest, dass der Plan voll aufgegangen ist: zwei Würfe hat Enya (Broadmeadows Emotion in Motion) im Zwinger »Treasure of Woodhouse« bereits aufgezogen. Aus ihrem aktuellen Wurf soll eine Hündin das Rudel ergänzen, das mit Zeus – einem angehenden Deckrüden – schon vor zwei Jahren auf drei Border Collies angewachsen ist. Eine Herausforderung? »In unserer Familie hat die Wiedervereinigung von Ost und West erfolgreich stattgefunden«, sagt Wenzel mit einem Augenzwinkern. Wie herausfordernd kann da ein Hundehaushalt schon noch sein?
Das Leben mit Hund besteht nicht nur aus freier Zeit. Wie sieht euer gemeinsamer Alltag aus?
Nicole: Unser Tag fängt früh an – der Hunde wegen. Bevor wir uns auf den Weg zur Arbeit machen, wollen die nämlich auch erst einmal ausgelastet werden. Die sinnvolle Auslastung der Hunde spielt in unserem Alltag aber ohnehin eine große Rolle – und nicht zuletzt, weil ich selbst als Agility-Trainerin bei den Hundefreunden Worms-Heppenheim aktiv bin, verbringen wir viele Nachmittage auf dem Hundeplatz. Während der Welpenaufzucht sieht das natürlich anders aus. Da muss das regelmäßige Training hinten angestellt werden, weil jede freie Minute den Welpen gehört. In den ersten Wochen der Welpenaufzucht kann die Hündin das gut verschmerzen – sie hat schließlich genug zu tun. Jetzt aber – in der sechsten Lebenswoche der Welpen – merkt man ihr schon deutlich an, dass ihr nicht nur die Bewegung, sondern auch die geistige Auslastung fehlt. Ein paar Wochen noch, dann hat der Alltag uns wieder. Mit langen Spaziergängen und Trainingsstunden, Seminaren und Ausstellungen – und allem, was sonst noch dazu gehört.
Inwiefern hat sich dein/euer Leben durch einen Hund verändert?
Nicole: Ein Hund gibt dem Tag eine feste Struktur – man kann niemals sagen: Nein, heute mal nicht! Und weil ein Hund täglich bewegt werden will, ist man auch selbst immer in gesunder Bewegung. Mehr draußen, mehr an der frischen Luft.
Jemals bereut, dich für einen Border Collie entschieden zu haben?
Nicole: Wir haben den Border Collie durch Bekannte kennengelernt, und waren begeistert, wie schlau, freundlich und menschenbezogen die Rasse ist. Das sind wir noch immer. Also: nein, bereut haben wir nichts – und werden wir wohl auch nie.
Was war euer schönstes gemeinsames Erlebnis?
Nicole: Wenn ich die Frage als Hundesportlerin und -trainerin beantworten soll, fällt mir spontan die erste Welpenstunde ein, die ich mit Enya besucht habe: dieser aufmerksame Blick und die bedingungslose Bereitschaft, alles für mich zu tun, allein mir gefallen zu wollen. Das ruft man sich auch später noch gerne ins Gedächtnis, wenn’s im Training wieder mal klemmt. Als Züchterin würde ich wohl anders entscheiden und eher die Geburt unserer ersten Welpen nennen. Wir haben zwar bei beiden Würfen lernen müssen, wie dicht Freude und Leid beieinander liegen können – das Glück, Enya bei der Geburt und der Aufzucht zu erleben, hat aber alles überwogen.
Hand aufs Herz: womit geht dein Hund dir am meisten auf den Keks?
Nicole: Mit ihrem Kong. Nicht nur, weil sie den Kong wirklich jedem penetrant unter die Nase hält, sondern auch, weil in dessen Gegenwart jegliche Hirnaktivität eingestellt wird. Kong da, Hirn aus. Nimmt man ihr den Kong ab oder legt ihn außer Sichtweite, kann sie sich auch wieder konzentrieren. Das ist wie ein Schalter, der umgelegt wird – ist das Ding da, kann sonst was um sie herum passieren, dann vergisst sie sogar, was »Sitz« und »Platz« heißt.
Was braucht (d)ein Border Collie, um glücklich zu sein?
Nicole: Aufmerksamkeit – sei es beim Sport, beim Schmusen oder am Futternapf. Futter, meint Enya, macht besonders glücklich. Von wem sie das bloß hat? Anscheinend kommt sie nicht nur äußerlich sehr nach ihrer Mutter!
Wo siehst du euch in fünf Jahren?
Nicole: Ein langes und gesundes Leben, sagt die Hundebesitzern. Viele schöne Trainingsstunden, die Hundesportlerin. Und die Züchterin wünscht sich noch viele tolle, gesunde und wesensfeste Border Collie Welpen. Warten wir ab, was zuerst davon kommt.
Neugierig auf mehr? Dann besucht gerne die Website von Enya und ihrem Rudel:
www.treasureofwoodhouse.de
Nach sieben Jahren hatte ich das Gefühl, dass alle großen und kleinen Geschichten erzählt sind und dass das »Foto des Monats« nach einer neuen Form verlangt. In Zukunft soll es deshalb jeden Monat stattdessen einen Einblick in das Leben einer unserer Nachzuchten geben – einen Hausbesuch, zu dem ich mich selbst mit der Kamera auf den Weg mache, und die Besitzer unserer Nachzuchten über ihre Erfahrungen, ihren Alltag und das Leben mit Hund berichten. Wenn du im nächsten Monat gerne dabei sein möchtest, schreibe einfach eine Mail an info@broadmeadows.de. Was wir an diesem Tag gemeinsam erleben – ob ich euch auf einen Spaziergang, zum Training oder auch zum Stadtbummel begleite – bleibt dir überlassen.
© Johannes Willwacher