Frühe neurologische Stimulation beim Border Collie Welpen
10|10|2019 – Früh­sport für die Synapsen

Wie zeigt man einem Welpen, der blind und taub geboren wird, die Welt? Über Federn, Wattestäbchen und frühe neurologische Stimulation.

Work it har­der, make it better,
do it fas­ter, makes us stronger.
Har­der Bet­ter Fas­ter Stronger,
Daft Punk (2001)

Wenn man die Augen schließt und bei­de Hän­de fest auf die Ohren presst, dann ahnt man viel­leicht, wie sich ein Wel­pe in den ers­ten zehn Tagen sei­nes Lebens fühlt. Da ist bloß der Wind – kalt und feucht –, der durch das halb geöff­ne­te Fens­ter weht und sich die fei­nen Här­chen auf dem Hand­rü­cken auf­rich­ten lässt. Da ist bloß ein Meer von Gerü­chen – unbe­kann­ten Gerü­chen, die sich kaum in Bil­der über­set­zen las­sen –, und unter allen nur einer, der nach Zuhau­se riecht. Da ist bloß der war­me Geschmack auf der Zun­ge – mil­chig und süß –, der eine gan­ze Welt ver­spricht. Wenn man die Augen schließt und bei­de Hän­de fest auf die Ohren presst, dann ver­steht man viel­leicht, was eine Berüh­rung bedeu­tet – eine Hand, die strei­chelt, wärmt und hält.

Schlafender Border Collie Welpe, zehn Tage alt
10|10|2019 – Süße Träume

Die unrei­fe Sin­nes­ent­wick­lung eines Wel­pen gibt nur wenig Gele­gen­heit, ihn sich selbst und sei­ne Umwelt begrei­fen zu las­sen. Über die ange­bo­re­nen Sin­ne – den Tast­sinn und das Wär­me- und Käl­te­emp­fin­den – las­sen sich ihm aber bereits in den ers­ten bei­den Lebens­wo­chen zahl­rei­che Ein­drü­cke ver­mit­teln, die wert­voll für sei­ne Ent­wick­lung sind. Allen vor­an sind es wohl die Hän­de des Züch­ters, die dem Wel­pen einen ers­ten Ein­druck von der Welt hin­ter den geschlos­se­nen Lidern ver­schaf­fen kön­nen – Hän­de, die ihn zum Wie­gen hoch­neh­men, behut­sam auf­rich­ten, schau­keln und in den Hand­flä­chen hal­ten. Die frü­he neu­ro­lo­gi­sche Sti­mu­la­ti­on lässt sich aber auch durch unter­schied­lichs­te Hilfs­mit­tel unter­stüt­zen. Federn und Wat­te­stäb­chen, mit denen sich die emp­find­li­chen Pfo­ten noch geziel­ter rei­zen las­sen, ein Haar­trock­ner, der kal­te und war­me Luft ver­strömt, oder ein Kühl­kis­sen, das in ein Laken ein­ge­schla­gen wor­den ist, leis­ten bei ver­ant­wort­li­chem Gebrauch gute Zwe­cke und wir­ken sich nach­hal­tig auf die Frus­tra­ti­ons­to­le­ranz und Auf­ge­schlos­sen­heit der Wel­pen aus. Wel­pen, deren neu­ro­na­le Ent­wick­lung in den ers­ten Lebens­wo­chen durch den Züch­ter unter­stützt wor­den ist, zei­gen in der Regel nicht nur ein bes­se­res Pro­blem­lö­se­ver­hal­ten als Wel­pen, denen eine ver­gleich­ba­re Unter­stüt­zung nicht zuteil gewor­den ist, sie zeich­nen sich oft­mals auch durch bes­se­re moto­ri­sche Fähig­kei­ten aus.

Border Collie Welpe trinkt an der Zitze
10|10|2019 – Süßes Glück

Wie vie­le Stun­den ich in den ver­gan­ge­nen zehn Tagen zwi­schen den Wel­pen in der Wurf­kis­te ver­bracht habe, kann ich nicht mit Gewiss­heit sagen. Ich weiß aber, dass sich die Zeit, die davon auf die ver­schie­de­nen Übun­gen ent­fal­len ist, mit denen ich am drit­ten Lebens­tag der Wel­pen begon­nen habe, auf weni­ge Minu­ten am Tag beschränkt hat: will man nicht das Gegen­teil bezwe­cken, ist unbe­dingt dar­auf zu ach­ten, dass der Wel­pe dem Reiz nur von kur­zer Dau­er und ohne Zwang aus­ge­setzt wird. Die meis­te Zeit habe ich also wohl damit zuge­bracht, still dazu­sit­zen und den Wel­pen beim Wach­sen zuzu­schau­en. Dass sie das getan haben, steht außer Fra­ge, denn mit gut zehn Tagen – das ver­rät ein Blick auf die Waa­ge – hat auch der letz­te unse­rer sechs Bor­der Col­lie Wel­pen sein Geburts­ge­wicht mehr als verdoppelt.

© Johannes Willwacher