Border Collie Welpe, eine Woche alt, in der Hand des Züchters
08|10|2019 – Wel­pe No. 6: Broad­me­a­dows Ghost Song

Wie kommt ein Welpe zu seinem Namen – und was denkt sich der Züchter dabei? Über Hündinnen, die in der Dämmerung graben, und Menschen, die in der Wurfkiste singen.

Es ist Sonn­tag­mor­gen und die auf­ge­hen­de Son­ne hat die schwe­ren, grau­en Wol­ken, die tief über den Hügeln hin­ter den letz­ten Häu­sern hän­gen, blut­rot gefärbt. Ich habe mir die Win­ter­ja­cke über­ge­zo­gen und schaue Hei­di dabei zu, wie sie mit lehm­ver­krus­te­ten Pfo­ten aus dem lee­ren Blu­men­beet springt, in dem sie bereits vor Tagen eine beacht­li­che Gru­be aus­ge­ho­ben hat, und in der Hecke ver­schwin­det, in der ein zwei­tes, noch tie­fe­res Bau­werk zu fin­den ist. Wie bei­na­he jede unse­rer Zucht­hün­din­nen hat auch sie sich das Gra­ben zum Aus­gleich gewählt, und nicht nur im Beet und in der Hecke, son­dern auch im dich­ten Gebüsch vor dem Gar­ten­zaun ihre Spu­ren hin­ter­las­sen. Im All­ge­mei­nen wird zwar ger­ne gemut­maßt, dass die Hün­din damit auf die Auf­zucht­be­din­gun­gen reagiert, die ihr zu laut und hek­tisch schei­nen, und einen Ort sucht, der bes­ser geeig­net ist, um ihre Wel­pen geschützt auf­zie­hen zu kön­nen – ich den­ke aber, dass es viel­mehr die unge­wohn­te Ruhe, das Nichts­tun ist, das nach einem kör­per­li­chen Aus­gleich ver­langt. Schul­ter­zu­ckend neh­me ich es also hin, las­se sie gra­ben und geneh­mi­ge mir selbst noch einen letz­ten Schluck hei­ßen Kaf­fee, bevor ich den Was­ser­ei­mer neh­me, der in der Tür zur Wasch­kü­che steht, und mich dar­an gebe, die Pfo­ten der Hün­din zum zwei­ten Mal an die­sem Tag von Lehm und Erd­klum­pen zu befreien.

Border Collie Welpe, eine Woche alt, in der Hand des Züchters
08|10|2019 – Wel­pe No. 5: Broad­me­a­dows Girl on Fire 

Ob es nun das besag­te, uner­müd­li­che Gra­ben nach Gold gewe­sen ist, das ich zum Anlass genom­men habe, um einen der Namen ein­zu­krin­geln, der mit gut drei­ßig ande­ren in blau­er Tin­te auf einem Zet­tel auf mei­nem Schreib­tisch zu fin­den ist, kann ich nicht mit Gewiss­heit sagen – fest steht aller­dings, dass ich mit dem besag­ten Zet­tel in der ver­gan­ge­nen Woche immer wie­der um die Wurf­kis­te her­um geschli­chen bin. Wäh­rend es bei vie­len Züch­tern noch immer üblich ist, die Wel­pen schon bald nach der Geburt zuzu­tei­len und die zukünf­ti­gen Besit­zer über den Namen mit­ent­schei­den zu las­sen, bleibt mir auch bei die­sem Wurf nichts ande­res übrig, als die Wahl selbst zu tref­fen, wel­cher Name wel­chen Wel­pen auf dem Papier beglei­ten wird: die ers­te Wurf­ab­nah­me, zu der die Namen von der Zucht­war­tin an das Zucht­buch über­ge­ben wer­den, hat in den ers­ten drei Lebens­wo­chen der Wel­pen statt­zu­fin­den – die Ent­schei­dung, wel­cher Wel­pe wo sein Zuhau­se fin­den wird, fällt bei uns aber frü­hes­tens in der fünf­ten Lebenswoche.

Border Collie Welpe, eine Woche alt, in der Hand des Züchters
08|10|2019 – Wel­pe No. 4: Broad­me­a­dows Gold Digger 

Der Zucht­ver­ein macht allein die Vor­ga­be, dass der ein­zu­tra­gen­de Name, den bei­geord­ne­ten Zwin­ger­na­men inbe­grif­fen, 35 Zei­chen nicht über­schrei­ten darf. Wer einen Hund schon ein­mal für ein Tur­nier oder eine Hun­de­aus­stel­lung gemel­det hat – eine der weni­gen Gele­gen­hei­ten, bei denen der ein­ge­tra­ge­ne Name spä­ter noch von Bedeu­tung ist –, der ahnt viel­leicht, dass die­se Fest­le­gung aus gutem Grund getrof­fen wor­den und ein zu lan­ger Name ziem­lich läs­tig ist. Inner­halb der erlaub­ten 35 Zei­chen ist aber so gut wie alles mög­lich: von Zuschrei­bun­gen, die man im Wesen begrün­det sieht, über Ent­wick­lun­gen, die man dem Wel­pen für die Zukunft wünscht, bis zu den Äußer­lich­kei­ten – die wohl meis­tens hübsch sind.

Ich für mei­nen Teil habe am Sonn­tag­mor­gen schließ­lich mit Hei­di in der Wurf­kis­te gele­gen, die Wel­pen nach dem Säu­gen über mei­ne Hän­de, mei­ne Bei­ne, mei­nen Bauch krie­chen las­sen, und dabei lei­se vor mich hin gesummt. Musik spricht für sich allein, heißt es. Viel­leicht soll­te das bei Namen am bes­ten genau­so sein.

© Johannes Willwacher