Acht Wochen alter Border Collie Welpe
26|11|2019 – »Runa«, Broad­me­a­dows Grace Kelly

Was zu sagen bleibt, wenn acht Wochen vergangen sind und sich die Welpen bereit machen, um ihren Weg in die Welt zu finden.

Are you someone out the­re who’s a litt­le bit like me?
Who knows deep down I’m not whe­re I’m meant to be?
Every day’s a litt­le har­der as I feel your power grow.
Don’t you know there’s part of me that longs to go
into the unknown.
Idi­na Men­zel, Fro­zen II (2019)

»Du, sag’ mal«, frag­te einer der Wel­pen die Hün­din, die sich mit wachem Blick an das Git­ter des Wel­pen­aus­laufs gesetzt hat­te, »was ist da eigent­lich hin­ter dem Zaun?« Die Hün­din hob den Kopf. »Hin­ter dem Zaun, da ist die Welt«, sag­te sie. Der Wel­pe trat einen Schritt näher an das Git­ter her­an, leg­te erst die eine, dann die ande­re Pfo­te auf die Stre­ben, und zog sich lang­sam dar­an hoch. »Was ist denn die Welt«, frag­te er und mach­te den Hals noch ein wenig län­ger, »sind das die Dächer, an denen die Wol­ken dort drü­ben nagen?« Die Hün­din schüt­tel­te den Kopf. »Die Welt … das ist alles, was du siehst, alles, was du rie­chen und hören kannst, jeder Weg, dem dei­ne Pfo­ten fol­gen, und jeder Weg, den du selbst in die Welt hin­ein treibst!« Der Wel­pe kräu­sel­te die Nase. »Wohin füh­ren denn die­se Wege?« Die Hün­din seufz­te. »Das kommt ganz dar­auf an, was du fin­den willst!« Der Wel­pe kniff die Augen zusam­men und über­leg­te eine Wei­le. »Das Glück will ich fin­den«, rief er als­bald mit leuch­ten­den Augen aus. Die Hün­din lach­te. »Es gibt kei­nen Weg zum Glück, weil Glück­lich sein der Weg ist!« Der Wel­pe blick­te die Hün­din ver­wun­dert an. »Wenn du glück­lich bist«, sag­te sie und streck­te sich dem Wel­pen ent­ge­gen, »dann ist jeder Weg gut und rich­tig, ganz egal, wie lang und krumm, wie stei­nig und beschwer­lich er auch ist. Du musst nur etwas fin­den, das dich glück­lich macht.« Der Wel­pe nick­te. »Ein schö­nen gro­ßen Ast, viel­leicht?« Wie­der lach­te die Hün­din. »Wie lan­ge hält schon das Glück, einen Ast zu haben, auf dem sich her­um­kau­en lässt?« Der Wel­pe schwieg nach­denk­lich, fand aber selbst kei­ne Ant­wort dar­auf. »Das größ­te Glück ist, einen Men­schen zu fin­den, für den du die Welt sein darfst«, sag­te die Hün­din end­lich. »Ich … ich kann auch die Welt sein?«, gab der Wel­pe ver­dutzt zurück. »Für den einen Men­schen, der für dich bestimmt ist, kannst du das«, sag­te die Hün­din und leck­te dem Wel­pen sanft über die Lef­zen. »Und wo fin­de ich den?« Die Hün­din rich­te­te sich auf und ließ ihren Blick lan­ge über die ver­trau­ten Pfa­de schwei­fen, über den Gar­ten und die Wie­sen dahin­ter, über alles, das ganz vom mor­gend­li­chen Glanz erfüllt zu sein schien, und schließ­lich sag­te sie: »Irgend­wo hin­ter dem Gar­ten­zaun war­tet er schon auf dich«.

Acht Wochen sind seit der Geburt unse­rer sechs Bor­der Col­lie Wel­pen ver­gan­gen – und auch wenn in den kom­men­den Tagen noch die­ses und jenes erle­digt, manch ein Tier­arzt besucht und der Wurf ein zwei­tes Mal abge­nom­men wer­den muss, sit­zen unse­re Wel­pen doch bereits auf gepack­ten Kof­fern. Am kom­men­den Wochen­en­de schon sol­len uns die Ers­ten ver­las­sen – und sich mit den Men­schen, für die sie bestimmt sind, auf den Weg in die Welt hin­aus machen. Um deren Welt zu wer­den. Um glück­lich zu sein.

© Johannes Willwacher