Ein Hund, eine Familie – aber zwei Leben: eines in Deutschland und eines in Afrika. Ein Besuch bei Beau und seinem Menschenrudel.

It’s I’ll be here in suns­hi­ne or in shadow,
oh, Dan­ny Boy, I love you so!
Dan­ny Boy, Fre­de­ric Wea­t­her­ly (1910)

Hat ein Hund ein Gefühl für Zeit? Kann er unter­schei­den, wie lang eine Stun­de ist – und wie lang ein Monat oder Jahr? Oder ist für ihn das »Bis gleich!«, mit dem man sich zum Ein­kau­fen ver­ab­schie­det, gleich­be­deu­tend mit dem »Bis bald!«, das man ihm zum Abschied ent­ge­gen­ruft – wenn man für Tage, Wochen, Mona­te das eine Leben gegen das ande­re tauscht? Beau (Broad­me­a­dows Boun­cing off Clouds) wäre frag­los ein Hund, der nicht lan­ge über­le­gen müss­te, um eine Ant­wort dar­auf zu fin­den. Denn so wie sei­ne Fami­lie zwei Leben lebt – eines in Lein­fel­den-Ech­ter­din­gen, süd­lich von Stutt­gart gele­gen, und eines in Nige­ria –, hat auch er zwei Leben, in denen sich »Bis gleich!« und »Bis bald!« ste­tig abwech­seln. In denen er sei­nen All­tag mal nur mit Moni­ka und mal – Tür an Tür – mit Chris­tia­ne, Lil­ly und Noah teilt.

Das Leben mit Hund besteht nicht nur aus freier Zeit. Wie sieht euer gemeinsamer Alltag aus?

Moni­ka: Unser All­tag besteht für gewöhn­lich aus einem Spa­zier­gang am Mor­gen, einem am Nach­mit­tag und einem am Abend. In den ver­gan­ge­nen Wochen hat aber zumeist Chris­tia­ne, mei­ne Toch­ter, die län­ge­ren Spa­zier­gän­ge über­nom­men. Feld und Wald sind aus unse­rem Wohn­ge­biet schnell erreicht – und weil die Jog­gingstre­cken in Nige­ria eher rar und ein­tö­nig sind, genießt sie es wahr­schein­lich eben­so sehr, mit dem Hund drau­ßen zu sein, wie ich den Umstand genie­ße, ein­mal nicht mit ihm lau­fen zu müs­sen. Unter­wegs läuft Beau fast immer frei. Frem­den Hun­den geht er groß­zü­gig aus dem Weg – ein kur­zes »Hal­lo« ringt er sich mit­un­ter noch ab –, dann muss er wei­ter, um sei­nen Ball oder sich selbst zu ver­ste­cken. Im Mais, im hohen Gras, im Laub unter einem Baum. Rascheln­des Laub auf­zu­wir­beln liebt er im Übri­gen sehr. Gera­de im Herbst ver­geht kaum ein Tag, an dem er sich nicht die Schnau­ze voll mit Blät­tern packt, um sie stur bis vor die Haus­tü­re zu tra­gen. Eine Fuß­mat­te, auf der kei­ne wel­ken Blät­ter lie­gen? Kaum aus­zu­den­ken! Bevor es aber zurück ins Haus und auf die Hun­de­de­cke auf dem Sofa geht, streckt er einem ganz selbst­ver­ständ­lich die Pfo­ten ent­ge­gen, um sich abtrock­nen zu las­sen – ist man vor­ne fer­tig, dreht er sich ganz ohne Auf­for­de­rung um sich selbst, damit man hin­ten wei­ter­ma­chen kann. Das soll ihm mal einer nachmachen!

Border Collie Rüde Beau
Foto des Monats: Beau (Broad­me­a­dows Boun­cing off Clouds)

Inwiefern hat sich dein/euer Leben durch einen Hund verändert?

Moni­ka: Wenn mei­ne Toch­ter mit den Kin­dern in Afri­ka ist – vor zwei Jah­ren sind sie nach Nige­ria zurück­ge­kehrt, besu­chen mich nach Mög­lich­keit aber wäh­rend der Feri­en –, bin ich allein. Mein Mann ist gestor­ben, als die Kin­der noch im Jugend­al­ter waren – da ist ein Hund nicht nur eine will­kom­me­ne Ablen­kung, son­dern auch eine gro­ße Stüt­ze. Man fühlt sich weni­ger ein­sam – und weil der Hund nun mal raus und lau­fen will, ist man auch mehr drau­ßen unter­wegs, trifft Nach­barn und ande­re Hun­de­be­sit­zer, hat mehr sozia­le Kontakte.

Jemals bereut, dich für einen Border Collie entschieden zu haben?

Moni­ka: Als mei­ne Toch­ter vor sech­zehn Jah­ren zum ers­ten Mal nach Nige­ria ging, habe ich ihren Hund über­nom­men – Nop, auch Nob­by genannt: einen Bor­der Col­lie. Als Nop 2013 starb, reif­te trotz gro­ßer Trau­er schnell der Wunsch nach einem neu­en Hund – und natür­lich muss­te es wie­der ein Bor­der Col­lie sein, da waren sich alle Betei­lig­ten einig. Chris­tia­ne war mit Mann und Kin­dern kurz zuvor nach Deutsch­land zurück­ge­kehrt, um hier ein Stu­di­um auf­zu­neh­men – das erleich­ter­te mir die Ent­schei­dung. Weil Nop ein unglaub­li­cher Stres­ser war, dem es schwer­fiel, Ruhe zu fin­den, hät­te ich allein Beden­ken gehabt, der Auf­ga­be gewach­sen zu sein. Geteil­tes Leid ist hal­bes Leid, dach­ten wir also – und wur­den über­rascht. Beau war näm­lich ganz anders – ruhig und zuge­wandt –, und sei­ne Erzie­hung ergab sich bei­na­he von selbst.

Border Collie Rüde Beau
Foto des Monats: Beau (Broad­me­a­dows Boun­cing off Clouds)

Was war euer schönstes gemeinsames Erlebnis?

Moni­ka: Am schöns­ten waren immer die gemein­sa­men Urlau­be – mit der gan­zen Fami­lie an der Nord­see oder allei­ne mit ihm in Süd­ti­rol. Das Hun­de­ho­tel, das ich für uns gebucht hat­te, hat kaum Wün­sche offen­ge­las­sen. Wäh­rend ich die Aus­sicht von der Son­nen­ter­ras­se genie­ßen oder mich auf die Alm kut­schie­ren las­sen konn­te, genoss Beau – neben der über­wäl­ti­gen­den Gast­freund­schaft – die Gesell­schaft von fast vier­zig ande­ren Hun­den. Das erlebt Frau – und Hund – ja auch nicht jeden Tag!

Hand aufs Herz: womit geht dein Hund dir am meisten auf den Keks?

Moni­ka: Mit ihm an der Lei­ne zu lau­fen war anfangs ganz schön schwie­rig. Das habe ich mit viel Geduld und kon­se­quen­tem Stop­pen und Umkeh­ren aber gut in den Griff bekom­men, so dass er – nor­ma­ler­wei­se – ohne zu Zie­hen an der Lei­ne lau­fen kann. Nor­ma­ler­wei­se, weil wir nach wie vor eine – zuge­ge­ben, haus­ge­mach­te – Bau­stel­le haben, bei der er sich ger­ne ver­gisst. Am Wald­rand gibt es angren­zend an unser Wohn­ge­biet einen Kin­der­spiel­platz, auf dem wir gemein­sam mit Chris­tia­ne und den bei­den Enkeln schon vie­le Stun­den ver­bracht haben – Beau kennt den Spiel­platz also schon von klein auf. Als jun­ger Hund ist er dort ger­ne der Seil­bahn hin­ter­her­ge­jagt, wäh­rend die Kin­der johl­ten und gröl­ten. Das fan­den wir alle wit­zig und haben uns nichts wei­ter dabei gedacht. Wenn wir heu­te am Spiel­platz vor­bei­ge­hen, genügt es, das Sur­ren der Seil­bahn zu hören. Dann flippt er fast aus und wür­de sich am liebs­ten aus dem Hals­band win­den. Das nervt! Nicht weni­ger anstren­gend – und for­dernd – ist sein Wunsch zu zer­geln. Immer dann, wenn ich mit ihm von der Abend­run­de kom­me und mich ger­ne gemüt­lich nie­der­las­sen will, schleppt er sei­ne Decke an und möch­te mit mir dar­um kämp­fen. Er ist ganz schön kräf­tig – frü­her hat er die Kin­der mühe­los auf der Decke durch das gan­ze Wohn­zim­mer gezo­gen –, so kräf­tig, dass man selbst in kür­zes­ter Zeit fix und fer­tig ist.

Border Collie Rüde Beau
Foto des Monats: Beau (Broad­me­a­dows Boun­cing off Clouds)

Was braucht (d)ein Border Collie, um glücklich zu sein?

Moni­ka: Am glück­lichs­ten ist Beau, wenn sein Men­schen­ru­del kom­plett ist. Vor allem, wenn die Kin­der mit ihm spie­len und toben. Mit Noah hat er eine ganz beson­de­re Ver­bin­dung – die bei­den sind ja qua­si mit­ein­an­der auf­ge­wach­sen –, und wie das bei klei­nen Buben so ist, haben auch die­se bei­den gemein­sam ziem­lich viel Blöd­sinn ange­stellt. Das Loch, das sich auf dem Rasen mit­ten in mei­nem Gar­ten befin­det, ist der bes­te Beweis: wäh­rend Noah auf der einen Sei­te grub, bud­del­te Beau auf der ande­ren. Dass das Loch noch immer da ist, beweist dann aber viel­leicht auch, dass selbst Blöd­sinn zum Glück – und zu schö­nen Erin­ne­run­gen taugt.

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Moni­ka: Ich bin fünf­und­sieb­zig Jah­re alt. Für die Zukunft habe ich nur den Wunsch, dass wir uns noch mög­lichst lan­ge erhal­ten blei­ben – mein Hund mir und ich mei­nem Hund.

Nach sie­ben Jah­ren hat­te ich das Gefühl, dass alle gro­ßen und klei­nen Geschich­ten erzählt sind und dass das »Foto des Monats« nach einer neu­en Form ver­langt. In Zukunft soll es des­halb jeden Monat statt­des­sen einen Ein­blick in das Leben einer unse­rer Nach­zuch­ten geben – einen Haus­be­such, zu dem ich mich selbst mit der Kame­ra auf den Weg mache, und die Besit­zer unse­rer Nach­zuch­ten über ihre Erfah­run­gen, ihren All­tag und das Leben mit Hund berich­ten. Wenn du im nächs­ten Monat ger­ne dabei sein möch­test, schrei­be ein­fach eine Mail an info@broadmeadows.de. Was wir an die­sem Tag gemein­sam erle­ben – ob ich euch auf einen Spa­zier­gang, zum Trai­ning oder auch zum Stadt­bum­mel beglei­te – bleibt dir überlassen.

© Johannes Willwacher