Border Collie Welpen im Wald
17|04|2021 – Broad­me­a­dows Hig­her Love

Unterwegs mit den Welpen: von Wurzeln zu Trieben – und vom entzauberten Zauberwald hin zu nachhaltigen Entscheidungen.

Natu­re always wears the colors of the spirit.
Natu­re, Ralph Wal­do Emer­son (1836)

»Die forst­wirt­schaft­li­chen Fol­gen von drei Dür­re­som­mern lie­ßen sich so viel­leicht doku­men­tie­ren«, seuf­ze ich miss­mu­tig und sto­ße einen tro­cke­nen Rin­den­schnitz mit der Schuh­spit­ze an, »um die Wel­pen in Sze­ne zu set­zen taugt aber auch die­ses Wald­stück nicht mehr«. Links und rechts des Weges lagern die blan­ken Stäm­me in meter­ho­hen Sta­peln, dane­ben ist der moo­si­ge Wald­bo­den mit losen Ästen und Rin­den­fet­zen über­sät. Von dem Nadel­wald, den ich als Alter­na­ti­ve zu dem ins Auge gefasst hat­te, den wir mit unse­ren Wel­pen in den ver­gan­ge­nen Jah­ren immer ger­ne für einen ers­ten Aus­flug auf­ge­sucht hat­ten, sind bloß zwei kah­le Fich­ten geblie­ben. Rund­her­um haben die Ket­ten­sä­gen bloß Lee­re hin­ter­las­sen. »So wie über­all«, den­ke ich.

Border Collie Welpen im Wald
17|04|2021 – Broad­me­a­dows Histo­ry Has Its Eyes On You

»Der Wes­ter­wald stirbt«, titel­ten selbst die über­re­gio­na­len Medi­en im ver­gan­ge­nen Herbst, um das Schre­ckens­bild zu beschrei­ben, das sich zwi­schen Lahn, Sieg und Rhein fast flä­chen­de­ckend aus­ge­dehnt hat­te: auf die anhal­ten­de Tro­cken­heit war der Bor­ken­kä­fer gefolgt, nahe­zu 90% der Fich­ten­be­stän­de waren so ver­nich­tet wor­den. Der unum­gäng­li­che Holz­ein­schlag ver­än­der­te aber nicht nur die Land­schaft, auch unse­ren All­tag schränk­te er zuse­hends ein. Wo sich statt der sprich­wört­li­chen Wald­ein­sam­keit nur noch schwe­re Holz­voll­ern­ter fan­den – wo hin­ter jedem fremd­län­di­schen Last­kraft­wa­gen noch ein wei­te­rer für den Abtrans­port stand –, muss­te der gemei­ne Spa­zier­gän­ger drau­ßen blei­ben. Weit­rei­chen­de Weg­sper­run­gen hat­ten uns des­halb über den Win­ter beglei­tet – und mit gespann­tem Flat­ter­band auch aus dem bewuss­ten Wäld­chen auf hal­bem Weg ins Tal aus­ge­sperrt. »Viel­leicht haben wir ja Glück, und da unten steht noch was«, dach­te ich mir also in der ver­gan­ge­nen Woche – und beschloss, dem end­lich nachzugehen.

Border Collie Welpen im Wald
17|04|2021 – Broad­me­a­dows Halo

Nach­dem die Wel­pen ver­sorgt waren, mach­te ich mich am frü­hen Don­ners­tag­mor­gen mit den drei erwach­se­nen Hun­den auf den Weg. Der abge­le­ge­ne Wan­der­park­platz war nach zwan­zig­mi­nü­ti­ger Fahrt erreicht. Bis zu der son­nen­be­schie­ne­nen Lich­tung, die sich ein gutes Stück berg­an, ober­halb des schma­len Bach­laufs befand, stand uns von dort aus noch eine eben­so lan­ge Wan­de­rung bevor. War ich auf den ers­ten Metern noch zuver­sicht­lich, den Wald dort oben genau­so vor­zu­fin­den, wie ich ihn in Erin­ne­rung hat­te, folg­te wenig spä­ter die Ernüch­te­rung. Als wir den dunk­len Pfad hin­ter uns lie­ßen, der sich in immer neu­en Weg­keh­ren durch das Unter­holz wand, tauch­te im glei­ßen­den Son­nen­licht schließ­lich die Anhö­he auf, die ich zum Ziel unse­rer Wan­de­rung bestimmt hat­te. »Kein Baum, nichts«, stell­te ich ent­täuscht fest, »aus­ge­löscht«.

Border Collie Welpen im Wald
17|04|2021 – Broad­me­a­dows High Fly­ing Adored

Vor Jah­ren las ich in einem Essay, der zu den ers­ten Ver­öf­fent­li­chun­gen des US-ame­ri­ka­ni­schen Phi­lo­so­phen Ralph Wal­do Emer­son (1803–1882) zähl­te, eine Bemer­kung, die sich mir tief ein­ge­prägt hat. »Die Natur trägt immer die Far­ben des Geis­tes«, lau­tet die­se in der deut­schen Über­set­zung. Wie krank die­ser – augen­schein­lich mensch­li­che – Geist sein muss, offen­ba­ren aber nicht nur die zahl­lo­sen toten Wäl­der. Par­al­le­len las­sen sich durch­aus auch zur Hun­de­zucht zie­hen. Denn genau­so wie das Wald­ster­ben eine offen­sicht­li­che Fol­ge von Fehl­ent­schei­dun­gen ist, die im Sin­ne einer pro­fit­ori­en­tier­ten Fort­wirt­schaft den schnell­wach­sen­den Mono­kul­tu­ren den Vor­zug gege­ben haben, kann auch ein Züch­ter nur schei­tern, wenn er die fal­schen Ent­schei­dun­gen trifft. Gutes kann nur dem gelin­gen, der sich der Nach­hal­tig­keit ver­pflich­tet – der eher den Weg der Lang­sam­keit, als den des schnel­len Gel­des geht, und sich die Zeit nimmt, sei­ne Spröss­lin­ge wach­sen zu sehen.

Border Collie Welpen im Wald
17|04|2021 – Broad­me­a­dows Hallelujah

»Als Züch­ter habe ich ent­schie­den, wel­cher Samen auf wel­chen Boden fällt«, den­ke ich am Sams­tag­mor­gen, als wir mit den Wel­pen zwi­schen den weni­gen, von der Abhol­zung noch ver­schont geblie­be­nen Fich­ten ste­hen, die sich ein kur­zes Weg­stück unter­halb des Wan­der­park­plat­zes gefun­den haben, »ich habe die Spröss­lin­ge vor Wind und Wet­ter geschützt, ihre Wur­zeln mit Lie­be, Mut und Ideen gedüngt, um sie stark und wider­stands­fä­hig zu machen«. Dass sie bei­des längst sind, offen­bart sich auch an die­sem Mor­gen, denn es kos­tet uns eini­ge Mühe, die Neu­gier der sechs Wel­pen im Zaum zu hal­ten. »Die anste­hen­de, sechs­te Woche wird zei­gen, wer eure Neu­gier wei­ter füt­tern darf«, set­ze ich den zuvor gefass­ten Gedan­ken fort, »wer eure Wur­zeln ver­steht und eure Trie­be nicht ver­küm­mern lässt«.

© Johannes Willwacher