Die neunte Woche: weil nur wenige Tage bleiben, bis uns die ersten Welpen verlassen, übt sich jeder in Geschäftigkeit. Das ist auch ganz gut so.
Keine Ruhe
Zum ersten Mal seit Wochen sitze ich am Sonntagmorgen ganz ohne die wärmende Winterjacke auf der Gartenbank. Auf dem wackligen Tisch zu meiner Rechten dampft der letzte Schluck Kaffee, während sich die Sonne tapfer über den Horizont kämpft. Ich leere die Tasse und verziehe unweigerlich das Gesicht: seitdem ich aufgestanden bin, sind bereits zwei Stunden vergangen – und weil die feine Röstung fast ebenso lange auf der heißen Platte gestanden hat, schmeckt jene längst sauer und verbrannt.
Die Welpen haben sich unterdessen schon wieder zum Schlafen zurückgezogen. Zwei kann ich von der Gartenbank aus noch schläfrig auf einer der Decken an einem Spielzeug kauen sehen. Bei den Übrigen verraten bloß die weißen Rutenspitzen, die aus dem Einlass des Welpenhaus herausschauen, dass nach der ersten Mahlzeit erst einmal geruht werden muss. »Die Ruhe vor dem Sturm«, denke ich im Stillen bei mir, habe dabei aber viel eher die kommenden Tage, als den kaum angebrochenen Sonntag vor Augen.
Am Montagmorgen ist die besagte Ruhe schließlich schon dahin. Gegen halb zehn wird ein Welpe nach dem anderen in die Transportbox gesetzt – die gerade noch ausreicht, damit alle sechs Welpen genügend Platz darin finden –, und die Tierarztpraxis angesteuert, in der die nun acht Wochen alten Welpen ihre erste Impfung erhalten. Für jeden Welpen wird von den Tierärzten außerdem ein Gesundheitszeugnis ausgestellt, das – bedingt durch die Pandemie – an Stelle der zweiten Wurfabnahme gerückt ist.
Die übrigen Papiere und Unterlagen – den Bogen für die zweite Wurfabnahme und das Chipnummernprotokoll — habe ich bereits am Wochenende ausgefüllt und bereitgelegt, um sie tags darauf persönlich zu unserer Zuchtwartin bringen zu können. Die gute Stunde Fahrt nehme ich im Hinblick auf den viel längeren Postweg gerne auf mich: da die Zuchtwartin die Ahnentafeln zurückbehalten muss, bis alle Unterlagen bei ihr eingetroffen sind, und die ohnehin knappe Zeit noch durch den Feiertag geschmälert wird, bleibt mir auch kaum eine andere Möglichkeit, wenn ich die Welpen am kommenden Wochenende nicht ohne ihre Papiere auf den Weg schicken will.
Keine Ruhe also. Bis zum Schluss.
Details
»Eigentlich möchte ich das bisschen Zeit, das uns noch bleibt, viel lieber dazu nutzen, um bei den Welpen zu sitzen«, sage ich zu mir selbst, während der Laserdrucker vor mir widerwillig eine Seite nach der anderen einzieht. Bei fast jeder zweiten muss ich dem Einzug händisch nachhelfen. Immer wieder wird der Druckvorgang gestoppt, immer wieder die Ausgabe blockiert. Kaum die Hälfte der fünfseitigen Kaufverträge habe ich deshalb bisher in Zweierpacken bündeln und mit einer Büroklammer versehen können – und mit jeder Seite, die sich geräuschvoll im Einzug verkeilt, hinke ich dem selbst gesetzten Zeitplan noch ein wenig weiter hinterher. »Zuerst die Verträge, dann die Ahnentafeln, im Anschluss alle Fotos auf die USB-Sticks ziehen«, hatte ich mir am Morgen für den Vormittag vorgenommen, »um die Taschen und Tassen, die Decken, Halsbänder und Leinen kannst du dich auch am Nachmittag noch kümmern, wenn der Papierkram erledigt ist«.
Damit die letzten Tage vor dem Auszug der Welpen möglichst reibungslos verlaufen und sich auch die neuen Besitzer am Tag des Auszugs möglichst schnell wieder auf den Heimweg machen können, beginne ich in der Regel schon mehrere Wochen zuvor, die wichtigsten Vorbereitungen zu treffen. Die Halsbänder und Leinen, die zu der Grundausstattung gehören, die unsere Welpen mit in ihr neues Zuhause nehmen, habe ich so beispielsweise bereits kurz nach der Geburt der Welpen in Auftrag gegeben. Wie auch schon bei unseren letzten beiden Würfen habe ich dazu bei Susanne Hamann angefragt, die in ihrem Shop ganz wunderbare Exemplare anbietet, mich diesmal aber für einen einheitlichen Look entschieden. Einen, der individuell für unsere sechs Welpen angefertigt worden ist und mit dem der Herkunft der Rasse – mit Schottenkaro und britischer Krone – Respekt gezollt wird. »Tüdelkram«, sagt Susanne selbst dazu. »Das Detail macht den Unterschied«, sage ich.
Warum? Weil es letzten Endes viel leichter gelingt, den Abschiedsschmerz auf die lange Bank zu schieben, wenn man sich mit Details ablenken kann. »Nun druck doch endlich!« Oder auch nicht.
© Johannes Willwacher