Zwei auf dem Weg: zwei weitere Abschiede, zwei weitere Abschiedsbriefe – aber auch zweimal die Gewissheit, dass es die Welpen besonders gut getroffen haben.
Mama said fulfill the prophecy,
be something greater, go make a legacy.
High Hopes, Panic! at the Disco (2018)
Liebe Daniela,
rückblickend fällt es mir schwer zu sagen, wann mir dein Name zum ersten Mal aufgefallen ist. Es mag wohl in die Zeit gefallen sein, als Archie vor sieben Jahren bei dir eingezogen ist. Nicht nur seinen Einzug, auch seinen Lebensweg habe ich seitdem immer mit einem Auge verfolgt – das wohl, weil er sich den Vater nicht nur mit unserem B-Wurf, sondern auch dem E-Wurf geteilt hat –, und auch seinen plötzlichen, viel zu frühen Tod habe ich deshalb mit besonderer Erschütterung wahrgenommen.
»Leider habe ich keinen Hund mehr, mit dem ich die Welt entdecken kann – keinen der zu mir kuscheln kommt oder der sich in der Früh so freut, einfach nur, weil ich aufgestanden bin«, hast du in deiner ersten Nachricht geschrieben. Diese Gefühle nachzuvollziehen ist mir nicht schwer gefallen, habe ich mit dem Tod von Ida im vergangenen Jahr doch selbst erst einen ähnlichen Verlust verkraften müssen. Und auch den Wunsch, der Leere in deinem Leben möglichst bald mit einem neuen, vierbeinigen Begleiter zu begegnen, konnte ich deshalb vielleicht noch ein bisschen besser verstehen. »Gerne wieder einen Rüden«, hast du in unserem ersten Gespräch gesagt, aber auch eine Hündin nicht ausgeschlossen. Ein Rüde ist es geworden. Ein Levi, um genau zu sein.
Bevor er zu Levi wurde, hat der besagte Rüdenwelpe schon viele andere Namen gehabt. »Prince Charming« hat er bei uns oftmals geheißen. Auch »Prinzenröllchen« hat sich irgendwann dazugesellt. Und als sich mit den Wochen immer deutlicher erahnen ließ, dass er bei dir sein Zuhause finden könnte, ist schließlich noch ein »Kronprinz Rudolf« hinzugekommen. Während zu hoffen bleibt, dass ihn mit dem Letztgenannten nur der adelige Anspruch verbindet, hat er an demselben aber niemals zweifeln lassen: einen Welpen, der sich zu Beginn der Zufütterung hartnäckig weigerte, aus dem gleichen Napf wie seine Geschwister zu fressen, und stattdessen auf den eigenen Teller mit Goldrand bestand, hatte es bei uns bis dahin auch noch nicht gegeben. Gelegt hat sich das schnell – dass er in vielen Belangen trotzdem sein eigenes Köpfchen besitzt, hat er in den Wochen darauf aber immer wieder bewiesen. Gerade bei den Lerneinheiten mit den Geschwistern ist mir aufgefallen, dass er nicht ganz so viel Ausdauer besitzt und – seiner Mutter nicht unähnlich – dazu neigt, zu anderen Dingen abzuschweifen. »Macht’s ihr nur brav Sitz, der gnädige Herr geht schaukeln!«, hätte man deshalb immer wieder von ihm hören können. Den fehlenden Lerneifer macht er durch seinen großen Charme aber wieder wett. »Küss die Hand, hätten’s amendt a Platzerl auf iahrm Schoß für mich frei?« Wer will da noch widerstehen?
Wohin euch der gemeinsame Weg von hier aus führt – für welchen Sport ihr euch begeistern könnt und wie viele Ausstellungen ihr gemeinsam besucht –, wird sich zeigen. Eines ist aber ganz gewiss: den Platz auf deinem Kopfkissen wird er im Handumdrehen erobert haben. Und deshalb ist auch mein einziger Wunsch, dass er eben jenen nicht mehr hergeben muss. Für ein langes, glückliches Leben.
Your faith was strong, but you needed proof.
You saw her bathing on the roof,
her beauty and the moonlight overthrew you.
Hallelujah, Leonard Cohen (1984)
Liebe Michaela,
wenn ich einen Vergleich ziehen möchte, der Juna gerecht werden kann, dann fällt mir zuvorderst »Die unendliche Geschichte« ein. Das nicht nur, weil die Namensfindung für die kleine Hündin dir und deiner Familie fast genauso viel Kraft abverlangt hat, wie Bastian Balthasar Bux, als er sich darin versuchte, einen Namen für die kindliche Kaiserin zu finden. Nein, viel eher noch, weil die besagte Hündin selbst mich ein wenig an die Letztgenannte erinnert. Kindlich, zart und klein ist sie nämlich ganz ohne Zweifel. Dafür aber mit einem Selbstbewusstsein ausgestattet, das man nur kaiserlich nennen kann.
Schon nach den ersten Wochen war mir deshalb klar, dass sie ein stabiles Rudel braucht, um zu einer glücklichen jungen Hündin heranwachsen zu können. Eines, das ihr Grenzen setzt. Das ihr immer wieder bewusst macht, nicht bei jeder Entscheidung mit dem Kopf durch die Wand wollen zu müssen. Das ihr einerseits Führung und Sicherheit gibt, ihr andererseits aber auch das Vertrauen schenkt, um ihren Weg selbstständig finden und ihr Potential voll entwickeln zu können. An Potential und Möglichkeiten mangelt es ihr nämlich nicht – weder im Hinblick auf eine sportliche Führung, noch auf Ausstellungen, auf denen sie zweifelsohne mit ihrem Gebäude und Gangwerk glänzen kann. Für beides braucht sie Durchhaltevermögen und liebevolle Konsequenz – braucht neben dem souveränen vierbeinigen Rudel einen Menschen, der ihr gedanklich immer einen Schritt voraus sein und das kaiserliche Selbstbewusstsein in gesunde Bahnen lenken kann. Kurz und gut: sie braucht dich.
Der Vorteil, den Weg zu uns auf Empfehlung einer überzeugten Wiederholungstäterin gefunden zu haben, hätte wohl schnell auch zu deinem Nachteil ausfallen können. Wo man sich regelmäßig austauscht, kommen bekanntlich nicht selten auch eher unangenehme Dinge zur Sprache. Das unangenehmste, das Jule und ich dabei haben herausarbeiten können, ist allerdings die schwierige Namensfindung geblieben. Und weil man manchem am besten mit Humor beikommt, haben wir beschlossen, dass »Gaia«, »Hailey« oder »Juna« für uns fortan ganz einfach »Dingens« heißen wird. »Dingens« aus dem Elfenbeinturm (aus dem sie wahrscheinlich ebenso leicht auszubrechen verstünde, wie aus dem vermeintlich welpensicheren Nachtauslauf). Das hat doch was, oder?
© Johannes Willwacher