Gestern hat sich schließlich auch Ruffian auf den Weg in ihr neues Zuhause in den USA gemacht: über Organisation, Aufregung – und Bestimmung.
So kiss me and smile for me, tell me that you’ll wait for me,
hold me like you’ll never let me go.
Leaving On A Jet Plane, John Denver (1966)
Halbstündlich aktualisiere ich die Daten der Website, die mit ihrem hohen Speicherverbrauch beinahe den Lüfter des Macbooks an seine Grenzen bringt. Während die eine Maschine ächzt und schnauft, schaue ich auf dem Bildschirm einer anderen dabei zu, wie sie sich immer weiter von mir fort bewegt. LH418 steht neben dem stilisierten Flugzeug, das zwischen New Brunswick und Maine zum gegebenen Zeitpunkt gerade die US-amerikanische Staatsgrenze passiert hat, und das auf seinem Weg von Frankfurt nach Washington schon seit fast sieben Stunden in der Luft ist. An Bord der Maschine befindet sich ein zwölf Wochen alter Border Collie Welpe. Es ist Ruffian, auf dem Weg in ihr neues Zuhause.
Am Morgen, etwa vier Stunden vor dem planmäßigen Abflug des Cargo-Transports, hatten wir Ruffian am Frankfurter Flughafen an eine Mitarbeiterin von Gradlyn übergeben. »Die Zeit bis zum Abflug darf sie in der Animal Lounge in einem Freigehege verbringen«, hatte diese gesagt, »es wäre für die Kleine doch blöd, wenn sie die Wartezeit in ihrer Box absitzen müsste«. Die besagte Kleine verabschiedete sich noch mit vielen Küssen, dann wurde die Flugbox, in der Ruffian zur Eingewöhnung schon die letzten Nächte verbracht hatte, vom einen Fahrzeug in das andere verladen – und der Welpe, der vor zwölf Wochen in unsere Hände geboren worden war, verschwand.
They all loved her!
Am späten Abend zeigt der Flight-Tracker schließlich an, dass sich das Flugzeug im Landeanflug auf den Washington Dulles International Airport befindet. Zeitgleich ist auch Kathy, bei der Ruffian ihr neues Zuhause finden soll, am Cargo Terminal angekommen. Nachdem die Maschine gelandet ist, dauert es noch eine Weile, bis sich die Box mit dem Welpen ihren Weg durch die Zollabfertigung gebahnt hat – eine gute Stunde später erhalte ich aber endlich die erlösende Nachricht, dass Ruffian wohlbehalten angekommen ist. »She started giving me kisses all over the face and is wagging her tail«, schreibt Kathy, als sie die Kleine aus der Box befreit und ausgiebig begrüßt hat, »they said she didn’t make a peep in traveling, and though they weren’t supposed to give her water, they did anyway!« Ein Selfie gibt es noch, bevor sich beide auf den knapp einstündigen Heimweg nach Winchester in Virginia machen: »They all loved her!« Ich erlöse das schnaufende Macbook daraufhin endlich von seinen Qualen und schalte das Licht aus. Während die kleine Weltreisende am späten Nachmittag in den USA angekommen ist – und ihr nach der Ankunft auf der Farm noch einige Stunden bei Tageslicht bleiben, um sich mit den anderen Hunden, Katzen und Pferden vertraut zu machen –, ist es in Deutschland nämlich bereits weit nach Mitternacht.
»Warum muss man einen Hund ins Ausland verkaufen?«, hatte mich vor einigen Wochen jemand im Hinblick auf den Flug mit leisem Vorwurf gefragt. »Gibt es nicht genügend Interessenten, bei denen der Hund nicht quer durch die Weltgeschichte transportiert werden muss?« Dem kann ich nur entgegnen, dass ich bei allen Dingen meinem Bauchgefühl folge. Some things are meant to be, heißt es im Englischen. Und genauso hat sich der Kontakt zu Kathy vom ersten Moment an angefühlt. Und vielleicht, weil für beide – für Ruffian und für Kathy – gelten kann, dass sie nicht nur strong and independent women, sondern auch witty, clever and up to the point sind, war tatsächlich vorherbestimmt, dass sich ihre Wege kreuzen.
Eines Tages, ich glaube fest daran, kreuzen sich auch unsere wieder. I can hardly wait!
© Johannes Willwacher