Mein Haus, mein Hof, mein Garten: über die territoriale Motivation – und warum Verantwortung noch immer der beste Erziehungsratgeber ist.
Must be the reason why I’m free in my trapped soul.
Wamdue Project (1998)
Es ist das übliche Bild. Durch das dichte Blattwerk hinter dem Gartenzaun schimmern die Umrisse von zwei Spaziergängern, die einen Hund an der Leine führen. Weil die Steuermarke des fremden Hundes gegen den Karabiner scheuert, klingelt es auch den Hunden hinter dem Zaun in den Ohren – und alle drei schießen los, um den Eindringling zu vertreiben. Der Mensch sitzt derweil in seinem Gartenstuhl und erhebt – bevor er sich selbst erhebt – erst einmal die Stimme. Das erste »Nein!« schallt über die Petunien hinweg, das zweite »Nein!« verliert sich irgendwo zwischen den Hortensien. Und bis das dritte schließlich die Ohren des ersten Hundes erreicht, ist derselbe bereits in der Hecke verschwunden.
»Das Territorialverhalten«, sagt der Erziehungsratgeber dazu, »ist von Hund zu Hund verschieden«. Die Motivation dahinter sollten aber auch wir Menschen nachvollziehen können. Denn auch wenn meine bessere Hälfte mit schöner Regelmäßigkeit den Schlüssel in der Haustür stecken lässt – von außen, wohlgemerkt, und fast immer über Nacht –, ist es doch so, dass die Türen und Gartenzäune, die wir um Haus und Hof ziehen, bloß einen Zweck verfolgen: unser Territorium zu schützen. Wir unterscheiden uns also strenggenommen gar nicht so sehr von dem Hund, der den Spaziergänger am Gartenzaun verbellt. Bloß, dass wir nicht ganz so konsequent dabei sind.
Emotionale Türen und Zäune
Weil es sich beim Territorialverhalten um eine angeborene Verhaltensweise handelt, lässt sich diese nur bedingt aberziehen. Viel eher müssen dem bellenden Hund Alternativen aufgezeigt werden – und muss der Mensch sich die Verantwortung bewusst machen, die er gegenüber dem Hund übernommen hat. Ein Hund, der sich am Gartenzaun als Ordnungspolizist aufspielt, übernimmt zumeist nur deshalb die Kontrolle, weil der Mensch es gegenüber dem Hund nicht tut. Die Türen und Zäune, die Haus und Hof umgeben, müssen also viel eher noch emotional gesetzt werden. Am besten von Anfang an.
Für Halo und Fate war der Besuch von Verena und Veronika, die gestern morgen zusammen mit Kind und zwei Hunden vor dem Gartenzaun standen, deshalb das allerbeste Training. Nicht nur, um fremden Menschen und Hunden mit Wohlwollen zu begegnen, sondern auch, um die hündische Kommunikation weiter zu trainieren: das Akzeptieren von Verhaltensregeln genauso wie das Grundbedürfnis nach Individualdistanz. Gut haben sie’s gemacht. Und deshalb ist der Frühstücksbesuch hinterm Gartenzaun auch für die Menschen ein ganz entspannter geworden.
© Johannes Willwacher