Die vierte Lebenswoche unserer Border Collie Welpen: über Dinge, die kleben, und Dinge die riechen. Und warum vier Quadratmeter kaum noch genug sind.

Brown Sugar

Wenn die täg­li­che Gewichts­zu­nah­me hin­ter den Erwar­tun­gen zurück­bleibt, weil der stei­gen­de Ener­gie­be­darf der Wel­pen nicht mehr allein über die Mut­ter­milch der Hün­din gedeckt wer­den kann, oder die Hün­din beim Säu­gen einen ver­knif­fe­nen Gesichts­aus­druck auf­setzt, weil die Milch­zäh­ne der Wel­pen durch­zu­bre­chen begon­nen haben, wird es Zeit, über die Zufüt­te­rung der Wel­pen nach­zu­den­ken. Bei einem nor­mal gro­ßen Wurf ist das in der Regel zum Ende der drit­ten Lebens­wo­che der Fall – hat die Hün­din sehr viel Milch oder ist der Wurf deut­lich klei­ner, kann die ers­te Mahl­zeit unter Umstän­den aber auch noch län­ger hin­aus­ge­zö­gert wer­den. In jedem Fall ent­las­tet die Zufüt­te­rung die Mut­ter­hün­din nach den anstren­gen­den ers­ten Lebens­wo­chen der Wel­pen merk­lich – und das nicht nur, weil sie nun nicht mehr allei­ne Sor­ge für die Ernäh­rung ihrer Wel­pen tra­gen muss. Wäh­rend sie in den ers­ten Lebens­wo­chen durch sanf­tes Bele­cken näm­lich auch die Ent­lee­rung von Darm und Bla­se anre­gen und die Aus­schei­dun­gen der Wel­pen auf­neh­men muss, hat sich zum Zeit­punkt der ers­ten Zufüt­te­rung bei­des erüb­rigt: einer­seits, weil die Wel­pen nun in der Lage sind, sich selb­stän­dig zu lösen, und ande­rer­seits, weil der Kot der Wel­pen durch die ver­än­der­te Zusam­men­set­zung nun auch der Hün­din zu stin­ken beginnt.

Es klebt also im Wel­pen­zim­mer. Und es duf­tet. Nach lau­war­mer Zie­gen­milch. Nach brei­ge­tränk­ten Pfo­ten. Nach lust­voll ver­schmier­ten Schnau­zen. Und zum ers­ten Mal auch so rich­tig nach … oh!

You Gotta Move

Border Collie Welpen
11|08|2022 – Unse­re Wel­pen in der vier­ten Lebenswoche

»Die Wurf­höh­le muss sau­ber blei­ben«, mag eine Urahnin unse­rer Haus­hun­de einst ihren Wel­pen zuge­raunt haben. Womög­lich hat sie dazu einen beson­ders stren­gen Blick auf­ge­setzt – die Augen zu gefähr­lich dün­nen Schlit­zen ver­engt, die Zäh­ne gebleckt und die Lef­zen flat­ternd ange­ho­ben –, und ihre Wor­te mit einem lei­sen Knur­ren besie­gelt. Sobald die Wel­pen also in der Lage waren, das Wurf­la­ger selb­stän­dig zu ver­las­sen, streb­ten sie aus der Höh­le ans Licht, um sich zu lösen – den stren­gen Blick der Urahnin immer im Nacken. Selbst, als die­ser ihnen längst nicht mehr folg­te, hiel­ten sie sich dar­an. So gab eine Gene­ra­ti­on die Rede der Urahnin an die nächs­te wei­ter – die Mut­ter an die Toch­ter, die Toch­ter an die Enke­lin –, und weil der stren­ge Blick unse­ren Haus­hun­den auch heu­te noch im Nacken sitzt, lässt sich das glei­che Ver­hal­ten auch in unse­rer Wurf­kis­te beobachten.

Hier lässt sich anset­zen, um die Wel­pen bereits früh zur Stu­ben­rein­heit zu erzie­hen. Sobald die Wel­pen sich hoch­stem­men und eini­ge wack­li­ge Schrit­te vor­wärts tun kön­nen, steht auch der Ein­gang der Wurf­kis­te offen. Der mit saug­fä­hi­gem Zell­stoff aus­ge­klei­de­te Löse­platz befin­det sich gleich davor und wird von den meis­ten Wel­pen schnell ange­nom­men. Von den meis­ten, weil es in jedem Wurf einen oder auch meh­re­re Wel­pen gibt, die dem stren­gen Blick der Urahnin geschickt aus­zu­wei­chen wis­sen – die trot­zig dar­auf behar­ren, ihren eige­nen Kopf durch­zu­set­zen. »Die Wurf­kis­te muss sau­ber blei­ben«, zischt der Züch­ter also immer wie­der mit Nach­druck durch die zusam­men­ge­bis­se­nen Zäh­ne, nimmt den Wel­pen hoch und setzt ihn auf dem Zell­stoff ab, »man­ches muss man nur oft genug wie­der­ho­len«. Wo das nicht aus­reicht, über­nimmt im glück­lichs­ten Fall viel­leicht auch einer der übri­gen Wel­pen. Genau das habe ich ges­tern Abend beobachtet.

Ich sit­ze mit über­ein­an­der geschla­ge­nen Bei­nen auf dem Bett, als einer der drei Rüden zu krei­seln beginnt. Krei­seln – das dürf­te jedem bekannt sein, der schon ein­mal einen Wel­pen beim Auf­wach­sen beglei­tet hat – bedeu­tet zumeist, dass nur noch Augen­bli­cke blei­ben, um tätig zu wer­den, weil der Tep­pich sonst gleich ein neu­es Mus­ter hat. Bevor ich aber selbst auf­sprin­gen und den Wel­pen auf den Zell­stoff set­zen kann, hat sich schon ein ande­rer Wel­pe der Sache ange­nom­men. Gezielt drängt er den Rüden, der dar­über das Krei­seln ver­gisst, über den Plas­tik­rah­men hin­weg, in dem der Zell­stoff spannt, und lässt erst wie­der von ihm ab, als der mit ver­knif­fe­nem Gesicht schließ­lich den Rücken krümmt. Ich lache. Und den­ke bei mir, dass man­cher den Ruf der Natur – oder bes­ser noch: die stren­ge Rede der hün­di­schen Urahnin – viel­leicht noch ein wenig deut­li­cher vernimmt.

Wild Horses

Border Collie Welpen
12|08|2022 – Unse­re Wel­pen in der vier­ten Lebenswoche

Je wei­ter die vier­te Lebens­wo­che der Wel­pen vor­an­schrei­tet – das ist bei die­sem Wurf nicht anders, als bei denen, die vor­an­ge­gan­gen sind –, des­to deut­li­cher zeich­net sich ab, dass vier Qua­drat­me­ter nicht mehr genü­gen. Gefühlt haben die Wel­pen bereits jedes Spiel­zeug hun­der­te Male von links nach rechts getra­gen, genau­so oft das Körb­chen umrun­det oder sehn­süch­tig die Schnau­zen durch das schwar­ze Git­ter gesteckt. Die Ahnung, dass sich dahin­ter noch eine wei­te­re Welt befin­det – eine, aus der die Men­schen mit pol­tern­den Schrit­ten her­an­ge­stapft kom­men, und in die auch die Mut­ter­hün­din nach dem Säu­gen schnell wie­der ver­schwin­det –, hat sich unter den Sech­sen bin­nen weni­ger Tage zur Gewiss­heit gewan­delt. 

Wie wil­de Pfer­de bäu­men sie sich hin­ter dem Git­ter auf, üben Trab und Galopp – und wäh­rend ich am Mor­gen zwi­schen den Wel­pen sit­ze, beschleicht mich immer wie­der das Gefühl, dass es nicht mehr lan­ge dau­ern wird, bis der Ers­te sich anschickt, die schwarz ein­ge­fass­te Hür­de in die Frei­heit zu neh­men. Es wird also Zeit, gan­ze ohne Zwei­fel. Zeit, um das schwar­ze Git­ter abzu­bre­chen, und die Spiel­zeu­ge, die aus Lan­ge­wei­le noch ein­mal mehr von links nach rechts getra­gen wer­den, gegen neue ein­zu­tau­schen. Das Drau­ßen war­tet. Und viel Besuch.

Dumm nur, dass die Men­schen gera­de in Qua­ran­tä­ne sitzen.

© Johannes Willwacher