Über Hundezucht und Gewinnerzielungsabsichten – und die Frage, ob es angesichts der aktuellen Gegebenheiten noch vertretbar ist, aus besagtem Grund zu züchten.

Über Nacht hat es noch ein­mal geschneit. Nicht so viel wie in den ver­gan­ge­nen Wochen, aber doch genug, um die fünf Hun­de nach der Mor­gen­run­de nicht erst waschen zu müs­sen. Nach­dem ich das Fut­ter auf die wei­ßen Näp­fe ver­teilt und mich davon über­zeugt habe, dass kei­ner der Fünf ohne mei­ne Frei­ga­be zu Fres­sen begon­nen hat, bleibt an die­sem Mor­gen also noch genü­gend Zeit, um es mir mit einem fri­schen Kaf­fee auf dem Sofa gemüt­lich zu machen. Kaum, dass ich mir aber die war­me Woll­de­cke über die Bei­ne geschla­gen habe und den ers­ten Schluck aus dem damp­fen­den Kaf­fee­be­cher neh­men will, klin­gelt das Tele­fon. Statt das­sel­be ein­fach klin­geln zu las­sen – es soll tat­säch­lich Men­schen geben, denen das gelingt –, mühe ich mich also wie­der umständ­lich vom Sofa her­un­ter. Mühe kos­tet mich das nicht nur, weil der Hund, der lang aus­ge­streckt vor dem Sofa liegt, es vor­zieht, sich wei­ter die Pfo­ten zu lecken, als mei­nen Füßen Platz zu machen. Mühe kos­tet mich das auch, weil mir die wei­te, graue Jog­ging­ho­se beim Auf­ste­hen bis in die Knie­keh­len rutscht, und ich den Weg bis zum Tele­fon stol­pernd bewäl­ti­gen muss. 

Ältere Border Collie Hündin läuft über ein verschneites Feld
26|02|2023 – Nell, On My Own Nell Now or never

»Ich hät­te da mal eine Fra­ge«, sagt eine mit­tel­al­te, weib­li­che Stim­me, als ich das Gespräch anneh­me, und viel­leicht, weil ich selbst noch mit her­un­ter­ge­las­se­nen Hosen am Küchen­tisch ste­he, stö­re ich mich auch nicht wei­ter dar­an, dass kei­ne Anre­de erfolgt. »Ich habe hier einen Nach­barn, der Hun­de züch­tet«, fährt die Stim­me fort, wäh­rend ich unter mir mit der frei­en Hand nach dem aus­ge­lei­er­ten Bund der Jog­ging­ho­se tas­te, »jeden­falls hat der mir erzählt, dass er auf all das, was er mit den Hun­den so ver­dient, gar kei­ne Steu­ern zah­len muss«. End­lich gelingt es mir, den Bund zu fas­sen zu bekom­men, und erleich­tert äch­ze ich: »Das … das kann schon sein!« 

Aus den roten Zahlen

Durch den Hörer klingt für einen Augen­blick nur hek­ti­sches Kau­gum­mi­kau­en – Kau­en beru­higt, heißt es bei Hun­den –, dann hebt die Stim­me wie­der zu Spre­chen an. »Dann will ich auch Hun­de züch­ten«, sagt sie, »wenn der Fis­kus die Hand dabei nicht auf­hält, dann lohnt sich das doch viel eher, als jede Heim­ar­beit, und wenn ich es genau­so anstel­le, wie mein Nach­bar, dann habe ich nach einem Wurf schon zehn­tau­send Euro ver­dient«. Ich muss mich set­zen. Vor dem Fens­ter wir­belt eine Wind­böe ein paar dün­ne Flo­cken auf. »Wenn man einen Hund nur wie ein Feder­bett her­neh­men und ein­mal kräf­tig aus­schüt­teln müss­te, wür­de ich ihnen viel­leicht sogar zustim­men«, seuf­ze ich. Dass es mir nach rein betriebs­wirt­schaft­li­cher Betrach­tung auch nach mehr als zehn Jah­ren Hun­de­zucht nicht gelun­gen ist, genug aus den Hun­den her­aus­zu­schüt­teln, um aus den roten Zah­len zu kom­men, den­ke ich mir bloß. 

Sitzende Border Collie Hündin im morgendlichen Frost.
16|02|2023 – Halo, Broad­me­a­dows Halo

Wäh­rend sie mir im Fol­gen­den aus­führ­lich vor­rech­net, wie gut ein Züch­ter ihrer Mei­nung nach ver­die­nen muss, wie schlecht aber das Ver­schrau­ben von Kugel­schrei­bern ent­lohnt wird – auf das auch noch Steu­ern gezahlt wer­den müs­sen, wie sie nicht müde wird zu beto­nen –, beschäf­ti­gen mich ganz ande­re Gedan­ken. 

Übersättigte Märkte, fehlende Kaufkraft

Zum einen ist da die Situa­ti­on, in der sich die Tier­hei­me schon seit dem Abklin­gen der Pan­de­mie befin­den. Eine Situa­ti­on, die durch die Rück­kehr ins nor­ma­le Leben befeu­ert wor­den ist, und die für vie­le unüber­legt ange­schaff­te Hun­de nun bedeu­tet, dass sie kei­nen Platz mehr in dem­sel­ben fin­den. »Die Tier­arzt­kos­ten wer­den explo­die­ren, die Ener­gie­kos­ten durch die Decke gehen. Hin­zu kom­men die Kos­ten­stei­ge­rung durch den Min­dest­lohn und die all­ge­mei­ne Infla­ti­on«, hat Tho­mas Schrö­der, Prä­si­dent des Deut­schen Tier­schutz­bun­des, bereits vor der Anhe­bung der Tier­ärz­te­ge­büh­ren­ord­nung im ver­gan­ge­nen Jahr gewarnt. Wer ange­sichts der aktu­el­len Gege­ben­hei­ten bloß des Gel­des wegen Hun­de ver­mehrt, han­delt also nicht nur aus­ge­spro­chen kurz­sich­tig – weil der Markt über­sät­tigt ist und es an Kauf­kraft fehlt –, son­dern auch jedem Tier­schutz­ge­dan­ken zuwi­der. 

Border Collie Hündin im morgendlichen Frost.
15|02|2023 – Hei­di, Sima­ro Queen of Hearts

Zum ande­ren ist da aber auch die ver­än­der­te Men­ta­li­tät, durch die sich nicht weni­ge Wel­pen­in­ter­es­sen­ten aus­zeich­nen. Bei den Wurf­ab­nah­men, die ich als Zucht­wart des Club für bri­ti­sche Hüte­hun­de in den ver­gan­ge­nen Mona­ten durch­ge­führt habe, ist immer wie­der die feh­len­de Zuver­läs­sig­keit beklagt wor­den. Wel­pen­in­ter­es­sen­ten, die kurz­fris­tig absprin­gen, sich nicht rück­mel­den, oder den gewünsch­ten Wel­pen zum Zeit­punkt der Geburt schon ander­wei­tig gefun­den haben – weil sie sich auf dut­zen­den War­te­lis­ten haben vor­mer­ken las­sen. »Von zehn Inter­es­sen­ten sind gera­de ein­mal zwei übrig geblie­ben«, mein­te eine Züch­te­rin, als ich sie im Zuge der ers­ten Wurf­ab­nah­me danach befrag­te. Zwei Schnee­flo­cken machen noch kei­nen Win­ter. Und wo Unzu­ver­läs­sig­keit der Pla­nungs­si­cher­heit zuwi­der läuft, ver­dient es sich auch schlecht. 

Laufende Kosten

Das erwi­de­re ich schließ­lich auch am Tele­fon. »Wie viel Ver­mö­gen lässt sich schon anhäu­fen, wenn fort­wäh­rend Kos­ten ent­ste­hen? Wenn nicht nur in die Pfle­ge und den Unter­halt der Zucht­hun­de inves­tiert wer­den muss, son­dern auch die Wel­pen­auf­zucht immer höhe­re Sum­men ver­schlingt? Das, was ihnen abzüg­lich der Steu­ern vom Kugel­schrei­ber­schrau­ben bleibt, gehört ihnen. Der Gewinn, den ein gro­ßer Wurf ihnen ein­ge­bracht hat, ist im schlech­tes­ten Fall aber schon beim nächs­ten wie­der auf­ge­braucht. Und das, obwohl sie neun Wochen lang von früh bis spät gear­bei­tet haben.« Dar­auf weiß auch das Kau­gum­mi erst ein­mal nichts mehr zu erwi­dern. 

Border Collie Rüde im Schnee bei Sonnenaufgang.
20|01|2023 – Zion, Broad­me­a­dows Avalon

Weil mein Blick zufäl­lig auf die blin­ken­de Digi­tal­an­zei­ge über dem Ofen fällt und ich dabei bemer­ke, dass von mei­ner gemüt­li­chen Kaf­fee­pau­se kaum mehr, als noch fünf Minu­ten übrig blei­ben, über­le­ge ich, wie sich das Gespräch kurz und bün­dig been­den lässt. Dass ich mich an den Schreib­tisch set­zen und mei­ner eigent­li­chen Arbeit wid­men muss, wäre nicht ein­mal gelo­gen, wür­de aber wohl kaum ein nach­hal­ti­ges Schluss­wort abge­ben. »Wenn ihnen von Amts wegen eine Gewinn­erzie­lungs­ab­sicht unter­stellt wer­den kann, und sie auf­grund der Tat­sa­che, dass sie dau­er­haft Wel­pen zum Ver­kauf anbie­ten, durch das Vete­ri­när­amt als gewerbs­mä­ßi­ger Züch­ter ein­ge­stuft wer­den, sind sie womög­lich auch gezwun­gen, gegen­über dem Finanz­amt Rechen­schaft abzu­le­gen und Steu­ern zu zah­len«, sage ich des­halb, um nach kur­zem Nach­den­ken noch hin­zu­zu­fü­gen, dass all das selbst­ver­ständ­lich nur dann umsetz­bar ist, wenn die zeit­li­chen Vor­aus­set­zun­gen dafür gege­ben sind. »Die Wel­pen, die sie zum Ver­kauf anbie­ten wol­len, zie­hen sich schließ­lich nicht von allei­ne auf. Und inso­fern sie noch regu­lär berufs­tä­tig sind, bezweif­le ich, dass sie die Auf­zucht von aus­rei­chend vie­len Wür­fen mit ihrem Jah­res­ur­laub abde­cken kön­nen, oder?« Sie ver­neint. Und ich bin zufrie­den. 

Als ich wenig spä­ter mit dem lau­war­men Kaf­fee am Fens­ter ste­he, schiebt sich zöger­lich die Son­ne durch die Wol­ken. Von dem fri­schen Schnee – das scheint unaus­weich­lich – wird bis zum Nach­mit­tag nichts mehr übrig sein. Schluss­wort. Das ist ein gutes.

Gewerbs­mä­ßi­ge Zucht Wer drei oder mehr fort­pflan­zungs­fä­hi­ge Hün­din­nen hält, gilt vor dem Gesetz als gewerbs­mä­ßi­ger Züch­ter. Dabei ist uner­heb­lich, ob die­se Hün­din­nen auch tat­säch­lich zur Zucht ver­wen­det wer­den. Glei­ches gilt, wenn in einer Zucht­stät­te drei oder mehr Wür­fe pro Jahr fal­len. Eine gewerbs­mä­ßi­ge Zucht ist nach §11 Tier­schutz­ge­setz erlaub­nis­pflich­tig. Es wird unter­stellt, dass die Tätig­keit selb­stän­dig, plan­mä­ßig, fort­ge­setzt und mit der Absicht der Gewinn­erzie­lung aus­ge­übt wird.

Hun­de­zucht und Steu­ern Ist eine Gewinn­erzie­lungs­ab­sicht erkenn­bar, kann die Hun­de­zucht auch steu­er­recht­lich rele­vant sein. Das gilt auch für Deck­rü­den­be­sit­zer, die Ein­nah­men über die Deck­ak­te ihrer Rüden erzie­len. Die Gewinn­erzie­lungs­ab­sicht kann mit­tels einer Über­schuss­pro­gno­se nach­ge­wie­sen wer­den, bei der Ein­nah­men und Aus­ga­ben gegen­über gestellt wer­den. Zielt die Tätig­keit nicht dar­auf ab, posi­ti­ve Ein­künf­te zu erzie­len, wird ein­kom­mens­steu­er­recht­lich von Lieb­ha­be­rei gespro­chen. Ein­künf­te aus Lieb­ha­be­rei sind nicht zu versteuern.

Mehr Winter, mehr Hunde

© Johannes Willwacher