Border Collie – das bedeutet fast immer Showlinie vs. Arbeitslinie. Kann die Showlinie denn nun wirklich nicht arbeiten?

The Bor­der Col­lie is the epi­to­me of all
we may ever desi­re in a dog, a fri­end and a partner.
Bar­ba­ra Sykes

Am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de hat Elvis (Broad­me­a­dows Empire Sta­te of Mind) auf dem von der Lan­des­grup­pe Rhein­land des Club für bri­ti­sche Hüte­hun­de in Blan­ken­heim aus­ge­rich­te­ten Tri­al (Rich­ter: Horst Lud­wig) als ers­te unse­rer Nach­zuch­ten den HWT (Her­ding Working Test) im Coll­ec­ting Style bestan­den. Das ist nicht nur für mich als Züch­ter etwas ganz Beson­de­res, son­dern auch für Kirs­tin, sei­ne Besit­ze­rin. Deren Ehr­geiz war nach dem bereits im Som­mer absol­vier­ten NHAT (Natu­ral Her­ding Apti­tu­de Test) erst recht geweckt – viel­leicht, um zu bewei­sen, dass ihr Hund nicht nur wie ein Bor­der Col­lie aus­sieht, son­dern auch wie einer arbei­ten kann.

Border Collie Elvis beim Hütetraining

Du hast Elvis erst ziem­lich spät an den Scha­fen getes­tet und dich vor­her in vie­len ande­ren Sport­ar­ten mit ihm aus­pro­biert. Was hat dich schluss­end­lich dazu bewogen?

Kirs­tin: Aus­schlag­ge­bend war zwei­fels­oh­ne mein zwei­ter Bor­der Col­lie aus Arbeits­li­ni­en, mit dem ich schon frü­her mit dem Trai­ning begon­nen habe. Das hat mich nicht nur neu­gie­rig gemacht, son­dern auch mei­nen Ehr­geiz geweckt – und ich woll­te ger­ne sehen, ob sich die Show­knol­le auch im Hüten bewäh­ren kann.

Macht es dei­ner Mei­nung nach einen Unter­schied, ob man früh oder spät mit dem Trai­ning beginnt?

Kirs­tin: Defi­ni­tiv. Der Zeit­punkt, zu dem man mit dem Trai­ning beginnt, spielt eine gro­ße Rol­le. Mit einem jun­gen Hund fällt das viel leich­ter, als mit einem älte­ren Hund, der nie ler­nen muss­te, sei­nen Trieb zu kon­trol­lie­ren – auch, weil man bei einem jun­gen Hund wesent­li­che Din­ge gleich­zei­tig trai­nie­ren kann, die wich­tig für die Arbeit am Schaf sind. Gehor­sam und Impuls­kon­trol­le, beispielsweise.

Border Collie Elvis beim Hütetraining

Von wegen Trai­ning: die rich­ti­ge Her­an­ge­hens­wei­se ist doch bestimmt genau­so ent­schei­dend? Oder anders for­mu­liert: kann die fal­sche Her­an­ge­hens­wei­se dann doch auch vie­le wün­schens­wer­te natür­li­che Anla­gen kaputtmachen?

Kirs­tin: Eine fal­sche Vor­ge­hens­wei­se kann tat­säch­lich vie­le wün­schens­wer­te natür­li­che Anla­gen eines Hun­des beein­träch­ti­gen oder sogar zer­stö­ren. Ich habe das bei mei­nem zwei­ten Bor­der Col­lie aus Arbeits­li­ni­en selbst erlebt, wo es sehr viel Mühe gekos­tet hat, um wie­der auf den rich­ti­gen Weg zu kom­men. Es ist von enor­mer Bedeu­tung, den Hund von Anfang an bei einem erfah­re­nen Trai­ner an den Scha­fen arbei­ten zu las­sen, jeman­dem, der wirk­lich weiß, was er tut. Zu viel Druck kann dazu füh­ren, dass der Hund die Situa­ti­on mei­det und wesent­li­che Ver­hal­tens­wei­sen ein­ge­schränkt wer­den. Und zu lasche Gren­zen gehen zumeist zulas­ten der Scha­fe. Denn auch wenn es heißt, dass Bor­der Col­lies maß­geb­lich mit ihrem Blick und ihren Augen arbei­ten, tes­ten die meis­ten doch auch mal ihre Zäh­ne. Ein Trai­ner, der das bil­li­gend in Kauf nimmt, ist des­halb viel­leicht kein guter.

Wie oft hast du dir in den ver­gan­ge­nen Jah­ren schon anhö­ren müs­sen, dass Bor­der Col­lies aus Show­li­ni­en am Schaf nichts taugen?

Kirs­tin: Das wur­de und wird eigent­lich stän­dig ange­spro­chen. Schön, aber stumpf – was immer wie­der ger­ne über Bor­der Col­lies aus Show­li­ni­en behaup­tet wird – ist Elvis aber ganz bestimmt nicht. Es ist bedau­er­lich, dass ich erst so spät mit ihm damit begon­nen habe, denn er hat in vie­len Situa­tio­nen bewie­sen, dass er weiß, was er tut, und selbst schwie­ri­ge Auf­ga­ben lösen kann. Ich glau­be, dass das auch für vie­le ande­re gel­ten könn­te. Wenn es denn mehr ver­su­chen würden.

Schafe beim Hütetraining

Denkst du, dass ein Bor­der Col­lie ohne Scha­fe nicht glück­lich wer­den kann?

Kirs­tin: Ich habe mit mei­nen Bor­der Col­lies eine Viel­zahl von Hun­de­sport­ar­ten aus­pro­biert – von Obe­dience über Agi­li­ty bis hin zu Scoo­tern und Canicross. Wir haben auch schon acht­mal mit gro­ßem Spaß am Tough Hun­ter teil­ge­nom­men. Die­se viel­fäl­ti­gen Akti­vi­tä­ten bewei­sen mir, dass ein Bor­der Col­lie mit fast allem glück­lich sein kann, so lan­ge man es mit Spaß und Herz macht. Es geht weni­ger um die spe­zi­fi­sche Akti­vi­tät, son­dern viel­mehr dar­um, gemein­sam Spaß zu haben und eine Ver­bin­dung auf­zu­bau­en, die den Bedürf­nis­sen des Hun­des entspricht.

Neben Elvis besitzt du noch einen zwei­ten Bor­der Col­lie, der aus Arbeits­li­ni­en stammt. Siehst du wesent­li­che Unter­schie­de in den Arbeits­ei­gen­schaf­ten der beiden?

Kirs­tin: Defi­ni­tiv. Mein Bor­der Col­lie aus Arbeits­li­ni­en zeigt deut­lich schnel­ler Anzei­chen von Frus­tra­ti­on. Er ist auch sehr viel impul­si­ver. Elvis zeich­net aus, dass er ruhig und beson­nen an neue Situa­tio­nen her­an­geht, und sich ger­ne zum Arbei­ten begeis­tern lässt. Ob das aber auf die unter­schied­li­chen Lini­en zurück­zu­füh­ren ist, oder ob es schon in der Auf­zucht der bei­den gra­vie­ren­de Unter­schie­de gab – der eine mehr, der ande­re weni­ger sinn­voll geför­dert wor­den ist –, kann ich nicht beur­tei­len. Das kön­nen nur die jewei­li­gen Züchter.

Border Collie Elvis beim Hütetraining

Wie lan­ge habt ihr euch auf den NHAT und den HWT vorbereitet?

Kirs­tin: Die Vor­be­rei­tung auf den NHAT hat nicht viel Zeit in Anspruch genom­men, da nur geprüft wird, ob Inter­es­se am Vieh vor­han­den ist. Beim HWT sieht das anders aus, des­halb hat das Trai­ning gute vier Mona­te in Anspruch genommen.

Gab es Bege­ben­hei­ten wäh­rend des Trai­nings, die dir beson­ders in Erin­ne­rung geblie­ben sind?

Kirs­tin: Ja, es gab eini­ge beson­de­re Momen­te. Ein ein­zel­nes Schaf zur Her­de zurück­zu­brin­gen, ist viel schwe­rer, als eine gan­ze Her­de zu bewe­gen – und mit­zu­er­le­ben, dass der Hund nicht bloß von der einen Sei­te zur ande­ren läuft, son­dern eine Stra­te­gie ent­wi­ckelt, die dem eigent­li­chen Sinn der Auf­ga­be gerecht wird, das war schon sehr beson­ders. Das Schaf, das aus der Her­de aus­ge­schert und im Dickicht zurück­ge­blie­ben ist, hät­te er ja genau­so gut über­se­hen können.

Border Collie Elvis beim Hütetraining

Und wie sieht es mit dem Prü­fungs­tag aus?

Kirs­tin: Erin­ne­run­gen? Nein, nur der Ver­such, die Ner­ven zu behalten.

Was wür­dest du ande­ren raten, die noch unschlüs­sig sind, ob Hüten für ihren Hund auch eine Mög­lich­keit sein könnte?

Kirs­tin: Den­je­ni­gen, die unsi­cher sind, ob Hüten für ihren Hund geeig­net ist, wür­de ich emp­feh­len, zunächst zu über­le­gen, ob sie die Zeit und Mög­lich­keit haben, regel­mä­ßig mit dem Hund zu hüten. Untrai­nier­te Hun­de – oder sol­che, denen die Rou­ti­ne fehlt – kön­nen stres­sig für die Scha­fe sein, das ist wich­tig zu beden­ken. Wenn man dazu nicht in der Lage ist oder es nicht möch­te, gibt es vie­le ande­re groß­ar­ti­ge Mög­lich­kei­ten, einen Bor­der Col­lie zu beschäf­ti­gen. Der Umstand, dass es in mei­nem Umfeld nie­man­den gab, bei dem ich regel­mä­ßig trai­nie­ren konn­te, war schluss­end­lich auch ein Grund, war­um ich mich erst so spät zum Hüten gekom­men bin. Es ist wich­tig, sich bewusst zu machen, dass es vie­le ver­schie­de­ne Akti­vi­tä­ten gibt, die man mit einem Bor­der Col­lie unter­neh­men kann – und man soll­te immer das aus­wäh­len, was am bes­ten zur eige­nen Zeit und den Inter­es­sen des Hun­des passt.

© Johannes Willwacher