Ein letztes Casting, bei dem es um nicht weniger, als um alles geht: über Balance-Linien und strukturelle Vor- und Nachteile – unsere sechs Welpen auf dem Tisch.

Loren­zo mag das Dreh­buch, das Lar­ry und Andy ihm geschickt haben. Der ers­te Film der Geschwis­ter, der im Vor­jahr ver­öf­fent­licht wor­den ist, hat sich nicht nur bei den Kri­ti­kern, son­dern auch beim Publi­kum als Erfolg erwie­sen. Weil der Ver­trag, den er als aus­füh­ren­der Pro­du­zent mit den bei­den Exzen­tri­kern abge­schlos­sen hat, die Pro­duk­ti­on eines wei­te­ren Films umfasst, ist das schwer ver­ständ­li­che, futu­ris­ti­sche Kon­zept, das auf sei­nem Schreib­tisch liegt, zwar ein Wag­nis – aber doch eines, das sich loh­nen könn­te. 

Er nimmt den Hörer des Tele­fons in die Hand, drückt die Wahl­wie­der­ho­lung und nach end­lo­sem Läu­ten nimmt end­lich jemand ab. »Grü­nes Licht gibt es nur für einen gro­ßen Namen«, sagt die­ser Jemand im Ver­lauf des Gesprächs. »Wir finan­zie­ren den Film nur, wenn jemand wie Brad Pitt die Haupt­rol­le über­nimmt.« John­ny Depp, den die Wachow­skis sich wün­schen, wird kate­go­risch aus­ge­schlos­sen. Statt­des­sen fal­len die Namen von Val Kil­mer, Nico­las Cage und Leo­nar­do DiCa­prio. »Falls Pitt nicht ver­füg­bar ist, kön­nen Sie auch bei Will Smith anfra­gen«, heißt es schließ­lich, als auf­ge­legt wird. Loren­zo bleibt mit dem tuten­den Hörer und der Matrix zurück.

Brad Pitt fühlt sich nach den Dreh­ar­bei­ten zu Sie­ben Jah­re in Tibet erschöpft und aus­ge­laugt. Leo­nar­do DiCa­prio begrün­det sei­ne Absa­ge mit den Dreh­ar­bei­ten zu Tita­nic, die er gera­de erst abge­schlos­sen hat. »Schon wie­der ein Film, bei dem die visu­el­len Effek­te im Vor­der­grund ste­hen«, sagt er, und Loren­zo di Bona­ven­tura streicht einen wei­te­ren Namen von sei­ner Lis­te. Nach­dem schließ­lich auch Will Smith dem Pro­du­zen­ten eine Absa­ge erteilt, macht sich die­ser schon bereit, die Regis­seu­re davon zu über­zeu­gen, das Dreh­buch umzu­schrei­ben und San­dra Bul­lock in der Haupt­rol­le zu beset­zen: »War­um soll­te Neo kein Mäd­chen sein?« Aber dann kommt alles anders. 

»Mein Agent rief mich an und sag­te, dass die Wachow­skis sich mit mir tref­fen wol­len.« Kea­nu Ree­ves steht auf einem Park­platz, der zwi­schen zwei Büro­ge­bäu­den in Los Ange­les ein­ge­zwängt ist. Die Geld­ge­ber sind zwar noch immer nicht davon über­zeugt, dass der drei­und­drei­ßig Jah­re alte Schau­spie­ler das Pro­fil besitzt, um den Erfolg des Films zu garan­tie­ren – alle Fil­me, die er in den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren gedreht hat, sind an den Kino­kas­sen gefloppt –, die Wachow­skis haben aber dar­auf bestan­den, ihm das Dreh­buch zu schi­cken. Man unter­hält sich also ange­regt, tauscht sich über die ange­dach­ten fil­mi­schen Mit­tel aus – und viel­leicht, weil Ree­ves als einer von ganz weni­gen den phi­lo­so­phi­schen Grund­ge­dan­ken der Hand­lung fol­gen kann, wird das Cas­ting an Ort und Stel­le mit einem Hand­schlag beschlos­sen: »Ich kann dir nur die Tür zei­gen, hin­durch­ge­hen muss­te du alleine«.

Halsbänder für Welpen von Boo's kleiner Shop
14|09|2024 – Neue Hals­bän­der für unse­re Welpen

Schon am zwei­ten Tag nach der Geburt unse­rer Wel­pen schrei­be ich Miri­am an, ob sie die Zeit fin­den kann, zum Ende der sieb­ten Lebens­wo­che bei den Stand­fo­tos der Wel­pen zu assis­tie­ren. Zuvor habe ich schon die Hals­bän­der in Auf­trag gege­ben, die unse­re sechs Wel­pen beim Aus­zug beglei­ten sol­len. Im Gegen­satz zu den­sel­ben, die in leuch­ten­den Far­ben gehal­ten sind und an die Rave-Kul­tur der frü­hen neun­zi­ger Jah­re erin­nern sol­len, wün­sche ich mir von ihr aber etwas ganz ande­res. »Ich hül­le mich in Latex«, schreibt sie nicht ganz ernst gemeint auf mei­ne Vor­stel­lung zurück, das Foto­shoo­ting im Stil von Die Matrix zu insze­nie­ren. Bei dem Gedan­ken dar­an muss ich laut lachen – den­ke dann aber, dass es schluss­end­lich gar nicht um die Insze­nie­rung geht.

Es geht um Poten­zia­le. Es geht dar­um, zu erken­nen, wo die Vor­zü­ge und Nach­tei­le eines Wel­pen lie­gen, und ob die einen oder ande­ren über­wie­gen. Und damit schluss­end­lich immer auch um die Zukunft. Zum einen, weil die struk­tu­rel­le Ana­ly­se eines Wurfs sehr deut­lich offen­bart, ob die Ver­paa­rung aus züch­te­ri­scher Sicht funk­tio­niert hat – oder ob für die Wurf­pla­nung der Hün­din zukünf­tig ande­re Rüden, ande­re Lini­en in Betracht gezo­gen wer­den müs­sen. Zum ande­ren, weil sich anhand der zu beur­tei­len­den kör­per­li­chen Merk­ma­le und Maß­ver­hält­nis­se – Züch­ter spre­chen hier ger­ne von Balan­ce-Lini­en, anhand derer der Kör­per­bau des Wel­pen von den Sprung­ge­len­ken bis zu Vor­brust ver­mes­sen wird – auch über die Zukunft des ein­zel­nen Wel­pen ent­schei­den lässt. Könn­te die­ser oder jener zum Star im Aus­stel­lungs­ring wer­den? Könn­te er in einer anspruchs­vol­len Sport­art bestehen? Wer meint, dass es bei der abschlie­ßen­den Beur­tei­lung eines Wurfs nur um die Befrie­di­gung der züch­te­ri­schen Eitel­kei­ten geht, irrt also. Wenn die Wel­pen sich zwi­schen der sieb­ten und neun­ten Lebens­wo­che auf dem Tisch prä­sen­tie­ren müs­sen, geht es viel­mehr dar­um, Ent­täu­schun­gen zu ver­mei­den. Ein letz­tes Cas­ting, bei dem es um nicht weni­ger, als um alles geht.

Am Ende bleibt die Wahl: die rich­ti­ge Ent­schei­dung tref­fen, ohne zu wis­sen, wohin der Weg führt. »Ich kann dir nur die Tür zei­gen«, heißt es – wer hin­durch­geht, sich für wel­chen Weg ent­schei­det, weiß nur die Zukunft.

Die Welpen auf dem Prüfstand

© Johannes Willwacher