Zeichnung von Wölfen und Hunden
26|06|2023 – Unser B-Wurf fei­ert sei­nen 10. Geburtstag

Unserem B-Wurf zum zehnten Geburtstag: ein hungriger Wolf, eine heißblütige Hündin – und warum die Intuition manchmal der allerbeste Geburtshelfer ist.

Wo kein Dank beim Emp­fän­ger ist,
da ist die Gabe kein Segen.
Jere­mi­as Gott­helf (1797–1854)

Als er erwach­te, juck­te den alten Wolf etwas in der Nase. Er hob den Kopf und blick­te sich um, konn­te im Halb­dun­kel sei­ner Behau­sung aber nicht den Ursprung des Geruchs erken­nen, der ihn aus sei­nen wil­den Träu­men geweckt hat­te. Schmat­zend streck­te er die Läu­fe und ließ die mes­ser­schar­fen Kral­len über das tro­cke­ne Erd­reich krat­zen, dann erst erhob er sich. Mit wit­tern­der Nase glitt er aus dem Bau – zu die­ser Jah­res­zeit war das Erd­loch unter der hoh­len Eiche von wuchern­dem Farn ver­deckt, durch den er sich raschelnd sei­nen Weg bah­nen muss­te –, und sog drei­mal tief ein. »Nur fri­sches Blut, das noch warm durch die Adern pulst, ver­mag so zu jucken«, dach­te er schließ­lich bei sich, und setz­te, weil auch ein alter Wolf nicht anders kann, als sei­ne Natur es von ihm ver­langt, sogleich dem Geruch hinterher.

Die Hün­din lag in ihrer Hüt­te, die Läu­fe kräf­tig gegen die höl­zer­nen Wän­de gestemmt. Ihr run­der, auf­ge­bläh­ter Leib zit­ter­te in Krämp­fen, und dort, wo sie sich mit dem Gesäß an die Wand drück­te, stau­te sich bereits dunk­les Was­ser, das ihr zwi­schen den Schen­keln her­vor­rann. Von wil­den Schmer­zen getrie­ben warf sie sich her­um – und erstarr­te. Vor ihr schob sich die graue Schnau­ze des Wolfs durch den halb­run­den Ein­lass ihrer Hüt­te. Der sprach: »Wenn du mich nur her­ein­bit­ten magst, Bru­ders­toch­ter, dann will ich dir nach Kräf­ten bei der Geburt dei­ner Wel­pen behilf­lich sein!« Weil die Hün­din aber die fal­schen Absich­ten des Wolfs sogleich erahn­te, fletsch­te sie zur Ant­wort bloß die Zäh­ne. »Mir wäre woh­ler, könn­te ich mei­ne Wel­pen ohne dein Zutun in die­se Welt ent­las­sen«, knurr­te die Hün­din hei­ser, »siehst du nicht, dass in mei­ner Hüt­te kaum genug Platz für einen von uns ist?« 

Der Wolf ver­such­te sich an einem Lächeln: »Dann will ich hier ste­hen blei­ben und mein Wis­sen von der Schwel­le aus mit dir tei­len«, sag­te er, »ich habe vie­le Som­mer gelebt und vie­le jun­ge Wöl­fe auf­wach­sen sehen, ich weiß also um die Tücken einer Geburt!« Die Hün­din stöhn­te, lan­ge wür­de es nun nicht mehr dau­ern. »Was nützt mir dein Wis­sen, wenn du mir in mei­ner Hüt­te die Luft zum Atmen nimmst?«, fuhr sie den Wolf also an, »sieh’ zu, dass du fort kommst, denn auch die Zäh­ne dei­ner Bru­ders­toch­ter haben noch genug Biss, um zuzu­pa­cken!« Erschro­cken wich der alte Wolf zurück. Sein Magen knurr­te. Weil er auf die wüten­de Rede der Hün­din aber auch nicht mehr zu erwi­dern wuss­te, als sie undank­bar zu schimp­fen, wand­te er sich schließ­lich ab und ging. Die Hün­din gebar dar­auf­hin ihre Wel­pen – sechs an der Zahl –, allein und glück­lich es geblie­ben zu sein.

Zehn Jah­re glück­lich. Zum zehn­te Geburts­tag die aller­bes­ten Wün­sche an unse­ren B-Wurf – an Twix, Joey, Iska, Bud­dy und Pep­per. Und an Beau, für immer tief im Her­zen! 


© Johannes Willwacher