Unser E-Wurf feiert seinen siebten Geburtstag – und unsere doppelt so alte Nell beweist, dass das gute Leben damit erst anfängt.
Unsere Oma fährt im Hühnerstall Motorrad.
Deutsches Volkslied (um 1935)
Kürzlich, an einem der wenigen sonnigen Tage in den vergangenen Wochen. Fast eine Stunde sind wir schon gelaufen, als wir gegen zehn Uhr den Rückweg von der Fuchskaute einschlagen und die baumlosen Höhen hinter uns lassen. Vier Hunde habe ich bereits wieder angeleint – in den abgeholzten Waldflächen versteckt sich nicht gerade wenig Wild, und wo ein Hund eine Spur aufgenommen hat, sind womöglich auch alle anderen kurz darauf verschwunden –, nur die fast fünfzehnjährige Nell trottet noch gemächlich hinterher.
Früher hätte ich mich das niemals gewagt, denn während die Sinne der Seniorin mittlerweile so stark eingeschränkt sind, dass sie auf freier Flur selbst an einem Feldhasen vorbeiläuft, ohne denselben wahrzunehmen, ist ihr früher keine einzige Wildspur entgangen. Beute mag sie dabei zwar nie gegriffen haben – den Hirsch, den sie einmal gestellt hat, hat sie bloß in gebührendem Abstand vor sich her getrieben –, das auf sich beruhen zu lassen, wäre aber nicht zu verantworten gewesen. Wie viel Zeit es uns damals gekostet hat, gegen ihren Jagdtrieb zu arbeiten, kann ich rückblickend gar nicht sagen. Allein, dass Nell trotz allen Trainings immer noch ihren eigenen Kopf hatte. Und den hat sie sich – streng genommen – auch bis heute bewahrt.
Das Auto ist schon in Sichtweite, als wir die abgeholzte Schonung passieren, hinter der sich der Weg zum Dorf hinunter zieht. Dass die beiden jüngeren Hündinnen neugierig die Nasen heben, bemerke ich zwar, denke mir dabei aber nichts weiter. Ich beginne also schon in meiner Jackentasche nach dem Autoschlüssel zu kramen – etwa zweihundert Meter mögen es noch sein –, als ich aus dem Augenwinkel einen schwarz-weißen Hund erblicke, der im wilden Schweinsgalopp über die angrenzende Wiese läuft. Dass es sich dabei um Nell handelt, begreife ich nicht sofort – womöglich, weil es der Nase der Hündin selbst dann kaum gelingen will, Witterung aufzunehmen, wenn ihr ein Keks gleich vor dieselbe gehalten wird –, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass ich ungläubig stehen bleibe. An guten Tagen gelingt es der Hündin gerade noch, mit den anderen Schritt zu halten. An den meisten bleibt sie aber weit hinter denselben zurück – weshalb die hoppelnde Lebendigkeit, die ich dort vor mir sehe, mich noch mehr erstaunt. Ein Hund, der jagt, es aber nicht soll, ist fast immer ein Ärgernis. Das hier ist aber etwas völlig anderes. Das ist echte Lebensfreude.
Sieben Jahre werden die letzten Welpen unserer Nell heute alt – halb so alt also, wie ihre noch immer lebensfrohe Mutter. Was gäbe es da Schöneres, als ihnen genau das zu wünschen: dass sie auch in sieben Jahren noch immer genauso vergnügt – im Schweinsgalopp – durch ihr Leben hüpfen. Lasst euch feiern: Ella, Elvis, Jill, Enya und Tyrion.
© Johannes Willwacher