03|10|2015 – Drei Wochen alt und schon wie­der müde

Als es Abend wird, beschlie­ße ich noch ein wenig durch die Pro­gram­me zu zap­pen, zu schau­en, ob sich auf einem der Kabel­sen­der genau jenes Maß an Zer­streu­ung fin­det, das leicht genug ist, um dabei ein­zu­schla­fen. Seit der Geburt der Wel­pen habe ich kei­ne ein­zi­ge Sen­dung zu Ende geschaut, und ich bezweif­le, dass sich bis zu deren Aus­zug in sechs Wochen irgend­et­was dar­an ändern wird: wenn die Nacht grund­sätz­lich gegen vier vor­bei ist, ist das Abend­pro­gramm kaum noch von Inter­es­se. Ich drü­cke also auf die Fern­be­die­nung, blei­be kurz beim neu auf­ge­leg­ten, lite­ra­ri­schen Stuhl­kreis hän­gen, ehe ich ent­schei­de, dass selbst die ein­schlä­fernds­te Form von Kri­tik nicht zum Ein­schla­fen taugt, und es mir viel eher gebo­ten scheint, mich sanft berie­seln zu las­sen. Mei­ne Ruh ist hin, mein Herz ist schwer, sag­te Goe­thes Gret­chen im Faust. Bei mir ist’s die Auf­merk­sam­keit. Anspruchs­los, bitte.

Eine Frau mit auf­tou­pier­ten Haa­ren stö­ckelt krei­schend durch ein New Yor­ker Stadt­haus – eigent­lich viel mehr das, was man als Stu­dio­auf­bau einem sol­chen nach­emp­fun­den hat –, vom Band wer­den Lacher dazu ein­ge­spielt. Als die Sze­ne endet und die Titel­kar­te ein­ge­blen­det wird, lache auch ich. Nicht etwa, weil jene beson­ders lus­tig wäre – nach der fünf­und­vier­zigs­ten Wie­der­ho­lung ist kaum noch etwas wirk­lich lus­tig –, son­dern viel mehr, weil ich fest­stel­le, dass ich streng genom­men gera­de auch nichts ande­res bin, als eine Nan­ny. Zuge­ge­ben sind die Mini­rö­cke, die ich im All­tag tra­ge – das war wirk­lich lus­tig! –, nicht ganz so kurz, und statt drei­er Kin­der aus rei­chem Hau­se sind es bei mir sie­ben Wel­pen, die betreut wer­den wol­len, aber die Bezeich­nung allein trifft es sehr genau. Und nicht nur die.

Sit­coms bedie­nen sich oft­mals dem Prin­zip der Über­zeich­nung – kaum einem Cha­rak­ter, der in einer sol­chen Fern­seh­se­rie auf­tritt, wür­de man auch im wah­ren Leben begeg­nen, alles ist auf die ein­fachs­ten, die wesent­lichs­ten Cha­rak­ter­zü­ge zuge­spitzt: die dum­me Blon­de, das Biest, der gute Freund, der Mär­chen­prinz. Das glei­che Prin­zip scheint aber auch in den ers­ten Wochen des Zusam­men­le­bens mit sie­ben Wel­pen zu gel­ten. Wo der Cha­rak­ter erst lang­sam zu Tage tritt, nutzt man ger­ne ein­fa­che, wesent­li­che Begrif­fe, um zu beschrei­ben, was man sieht: die Zicke, das Püpp­chen, die Auf­ge­schlos­se­ne, der Raufbold.

Wäh­rend ich dem Gedan­ken noch nach­hän­ge, schla­fe ich ein. Zehn Minu­ten Fern­se­hen – mehr schaf­fe ich gera­de nicht. Das mich das nicht stört, und ich kaum das Gefühl habe, irgend­et­was zu ver­pas­sen, hat einen ganz ein­fa­chen Grund: die glei­che Sen­dung läuft im Wel­pen­fern­se­hen rund um die Uhr.

© Johannes Willwacher