Border Collie Rüde chocolate
Ganz schön schlau: Dr. Spen­cer (Broad­me­a­dows Dis­co Inferno)

Über Welpenanfragen, Absagen von dieser und von jener Seite – und die Frage, nach welchen Kriterien man einen Welpen aussucht.

Es gibt Din­ge, die man tut, weil man sie tun muss. Din­ge, auf die man eigent­lich nie beson­ders gro­ße Lust hat, die man frü­her oder spä­ter aber bes­ser doch erle­di­gen soll­te: den Müll run­ter brin­gen, bei­spiels­wei­se, oder Bügeln, in mei­nem Fall. Das E-Mail-Post­fach auf­zu­räu­men gehört zwei­fels­oh­ne auch zu den Din­gen, die man ger­ne auf­schiebt, und erst dann in Angriff nimmt, wenn man ange­sichts der Flut von Spam­mails, Ange­bots-News­let­tern und Wel­pen­an­fra­gen längst den Über­blick ver­lo­ren hat. Das Pro­blem: wie ent­schei­det man, was gelöscht, was archi­viert und was an Ort und Stel­le belas­sen wer­den kann? Wohl oder übel muss man sich nach und nach das gesam­te Post­fach vor­neh­men – aus­ge­nom­men viel­leicht die mit »Urgent!« über­schrie­be­nen Mails, die in schlech­tem Eng­lisch über eine sechs­stel­li­ge Erb­schaft im Aus­land infor­mie­ren, und die man wohl immer getrost löschen kann –, muss jeden Betreff und jede Mail noch ein­mal lesen. Das habe ich im ver­gan­ge­nen Monat getan.

Als Züch­ter bekommt man eine gan­ze Men­ge Mails. Neben Ange­bo­ten unter­schied­lichs­ter Her­stel­ler und Lie­fe­ran­ten, auf deren Mai­ling­lis­ten man – aus wel­chem Grund auch immer – irgend­wann ein­mal gelan­det ist, machen den Groß­teil wahr­schein­lich auch bei mei­nen Züch­ter­kol­le­gen ver­schie­dens­te Wel­pen­an­fra­gen aus. War­um die meis­ten Wel­pen­in­ter­es­sen­ten ihre Anfra­ge per E-Mail stel­len, ist nicht schwer nach­zu­voll­zie­hen: in der Zeit, in der man ein­mal zum Hörer grei­fen, und mit nur einem ein­zi­gen Züch­ter über sei­ne Wurf­pla­nung spre­chen kann, lässt sich eine E-Mail gleich an ein hal­bes Dut­zend wei­te­re ver­schi­cken. Das mag der Grund sein, war­um ich zwar die meis­ten Anfra­gen beant­wor­tet, selbst aber nur auf einen Bruch­teil davon eine Ant­wort erhal­ten habe: wo sich ein hal­bes Dut­zend Züch­ter wort­reich prä­sen­tiert, ent­schei­det man sich am Ende trotz­dem nur für einen – und denkt gar nicht wei­ter dar­über nach, den ande­ren abzusagen.

Border Collie Hündinnen, Mutter und Tochter
Zwil­lin­ge: Sis­si (Broad­me­a­dows First Last Eter­ni­ty) und Ellie (CH Broad­me­a­dows Cele­bri­ty Skin)

Erklär­te Absa­gen mögen zwar sel­ten sein, man­cher nimmt sich aber den­noch die Zeit, sei­ne Grün­de dar­zu­le­gen. Oft ist dabei vom fal­schen Zeit­punkt die Rede, sel­te­ner davon, dass die geplan­te Ver­paa­rung den eige­nen Vor­stel­lun­gen doch nicht ent­spricht. Das kann man nach­füh­len – im Gegen­satz zum »Leis­tungs­druck«, von dem in einer umständ­lich for­mu­lier­ten Absa­ge die Rede war, die mir beim Auf­räu­men nun wie­der ein­mal in die Hän­de gefal­len ist. »Wir den­ken, dass die Art und Wei­se, wie Sie ihre Wel­pen­käu­fer aus­wäh­len, nicht nur einen immensen Leis­tungs­druck auf den Men­schen aus­übt, son­dern auch den Wel­pen zu einem Objekt degra­diert, das nur dann gut und rich­tig ist, wenn es im Sport oder auf Hun­de­aus­stel­lun­gen beson­de­re Leis­tun­gen erbringt«, ist dort frei über­setzt zu lesen. Dem vor­aus­ge­gan­gen war eine Mail, in der ich dar­über auf­ge­klärt hat­te, dass ich mir ger­ne etwas mehr Zeit las­se, um zu ent­schei­den, wel­cher Wel­pe für wel­chen Inter­es­sen­ten in Fra­ge kommt, und dabei grund­sätz­lich ver­su­che, nicht nur die indi­vi­du­el­le Wesens­ent­wick­lung, son­dern auch die mög­li­chen Poten­zia­le – für die Zucht, für den Sport, als Fami­li­en­hund – gewis­sen­haft ein­zu­schät­zen. Impli­ziert das einen – wie auch immer gear­te­ten – Leis­tungs­druck? Bloß, weil ich mir anma­ße, mir vor­ab zwei oder drei Gedan­ken dazu zu machen, was die­ser oder jener Wel­pe braucht – was er bes­ser leis­ten kann? Wenn es nicht dar­um geht, was ist dann die Auf­ga­be des Züchters?

Man kann es sich als Züch­ter zwei­fels­oh­ne leich­ter machen und den Inter­es­sen­ten sei­nen Wel­pen ganz ohne Bera­tung, am bes­ten schon am Tag der Geburt aus­su­chen las­sen. Das ist bequem und erfor­dert weni­ger Zeit, als jeden Wel­pen über Wochen genau zu beob­ach­ten und die Prä­gung auf sei­ne Ent­wick­lung abzu­stim­men. Bequem – aber blöd. Blöd, weil man als Züch­ter eben maß­geb­lich als Ver­mitt­ler zwi­schen Mensch und Hund auf­tritt, und nur dann ver­ant­wort­lich ver­mit­teln kann, wenn man bei­de Sei­ten gut genug ken­nen­ge­lernt hat. Was weiß man schon über einen Wel­pen, der nur weni­ge Stun­den alt ist?

Ich glau­be, der besag­te Leis­tungs­druck beruht viel­mehr auf einem Miß­ver­ständ­nis. Zum einen, die Erwar­tungs­hal­tung des Züch­ters betref­fend, zum ande­ren – und viel­leicht viel wich­ti­ger –, im Hin­blick auf die zeit­li­chen, räum­li­chen und per­sön­li­chen Vor­aus­set­zun­gen, die jeder Wel­pen­in­ter­es­sent mit­brin­gen soll­te: wer das als Druck emp­fin­det, hat sich im Vor­feld womög­lich nicht aus­rei­chend bewusst gemacht, was das Leben mit einem Hund bedeutet.

Das lohnt sich zu speichern.

© Johannes Willwacher